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Behaim-Globus

Entgrenzung des Horizonts.

Der Behaim-Globus, der älteste Erdglobus der Welt, und sein Weltbild.

 

Der Behaim-Globus, eines der bedeutendsten Exponate des Germanischen Nationalmuseums, entstand zeitgleich mit Kolumbus‘ erster Amerikafahrt zwischen 1492 und 1494 im Auftrag des Rats der Reichsstadt Nürnberg. Konzept und Inhalt stammen vom weit gereisten Nürnberger Tuchhändler und Seefahrer Martin Behaim (1459–1507), die Anfertigung unternahmen der Buchmaler Georg Glockendon, der Schreiber Petrus Gagenhart sowie andere Nürnberger Spezialhandwerker. Die Entstehung des Globus ist Ergebnis des hochstehenden kulturellen und technologischen Wissens der Reichsstadt Nürnberg an der Schwelle zur Neuzeit und stellt somit ein Zeugnis für Nürnbergs herausragende Bedeutung als eines der maßgeblichen frühneuzeitlichen Zentren dar. Andererseits ist das vermittelte Weltbild stark von den Kenntnissen  beeinflusst, die man in Lissabon erhalten konnte.

 

Sowohl in seiner äußeren Erscheinungsform als auch in seiner inhaltlichen Konzeption ist der Globus einzigartig und unterscheidet sich mit seiner reichen Beschriftung und seinem enzyklopädischen Anspruch vom Prototyp heutiger Globen. Dabei ist er nicht nur ein Speicher des Wissens des ausgehenden 15. Jahrhunderts, sondern auch ein Exempel für den Wandel des Selbstverständnisses der nachfolgenden Epochen bis in das 19. Jahrhundert hinein. Denn in vielfältigen Bearbeitungsstadien hat sich jede Epoche mit ihm als einem zunächst fremden Objekt auseinandergesetzt und für die eigene Zeit adaptiert. Der Globus ist durch die bei der Herstellung verwendeten Materialien – ein von einer Kreideschicht abgedecktes Leinwandlaminat – und sein Alter von mehr als 500 Jahren sehr empfindlich geworden. Besonders gefährdet sind die Öffnungen an den Polen der Erdkugel, die ein Drehen des Globus verbieten.

Um Lichtschäden zu vermeiden, wird er in der Sammlung des Germanischen Nationalmuseums nur mit geringer Beleuchtungsstärke präsentiert. Aufgrund einer vor unbekannter Zeit durchgeführten Behandlung sind viele Teile der Beschriftung nur noch schlecht lesbar. Zwischen den Jahren 1940 und 1990 wurde mehrmals eine fotomechanische Reproduktion des Behaim-Globus versucht. Allerdings weisen die bisher vorliegenden Analogaufnahmen sowie die daraus gewonnenen Digitalisate nach heutigem Standard gravierende Unzulänglichkeiten auf. Die Auflösung ist, im Vergleich zu aktuellen digitalen Aufnahmen, ungenügend, was zu Problemen hinsichtlich der Bildschärfe führt. Die Fotos wurden zudem im polarisierten Licht aufgenommen, jedoch ohne Farbnormkeil, so dass über die abgebildeten Farben keine Aussage getroffen werden kann. Eine hochauflösende reprofotografische Erfassung, die aktuell geleistet werden kann, war dringend geboten.

Denn erst mit dem heutigen technologischen Standard ist es möglich, die unterschiedlichen Bearbeitungsstadien des Globus, sein Schriftbild, die Malerei und damit sein Erscheinungsbild durch die Jahrhunderte hindurch zu rekonstruieren. Die Suche nach einem geeigneten technischen Verfahren hat kürzlich zu einem Erfolg geführt. Von einem Experten für 3D-Modellierung der ETH Zürich, Prof. Dr. Armin Grün, wurde der Behaim-Globus digitalfotografisch neu erfasst. Die Kosten für die mit neuester Digitaltechnik aufgenommenen Bilder des Globus und ihre Nachbearbeitung in Höhe von rund 40.000 Euro übernahm die Staedtler-Stiftung.

 

Der Behaim-Globus soll zukünftig der Wissenschaft und Forschung weltweit in Form hochaufgelöster Fotografien und eines 3D-Computermodells zugänglich gemacht werden. Dadurch erhält die Forschung am Behaim-Globus neue Impulse, und es kann eine dem kulturgeschichtlichen Rang des Forschungsobjekts adäquate wissenschaftliche Dokumentation in Angriff genommen werden. Das Germanische Nationalmuseum plant auf der Basis der neuen Digitalisate eine museumsdidaktische Aufbereitung des Globus. Ferner soll eine neue Buchedition mit Bildteil und ausführlicher Kommentierung entstehen, da die letzte umfassende Monographie aus dem Jahr 1908 stammt. Der Behaim-Globus als Digitalisierungsgut kann außerdem in seiner Dreidimensionalität Maßstäbe setzen für vergleichbare Digitalisierungsprojekte und für eine der Konzeption eines „Epistemischen Web“ genügende Veröffentlichung dreidimensionaler, kulturhistorisch relevanter Bild- und Textträger. Zu diesem Aspekt besteht eine Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin. Es hat sich bereits eine interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftlern gebildet, die sich der Erforschung des Behaim-Globus unter unterschiedlichen Fragestellungen widmen will. (Teile entnommen der Presseerklärung des GNM, Nürnberg)

 

Schon zwischen 1988 und 1992 wurde eine erste Lesung der Inschriften auf dem Globus vom Prof. Knefelkamp vorgenommen.  1991/1992 wurden zum 500 jährigen Jubiläum ein Kolloquium und eine Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum durchgeführt.  Anschließend entstand ein  interdisziplinäres Projekt zwischen Prof. Knefelkamp und  Prof. Günter Görz, Informatik, Universität Erlangen.

Mit einem neuen fachlich breit gefächerten Projekt soll nun der Globus weltweit der Wissenschaft und einem größerem Publikum zugänglich gemacht werden.

 

Beteiligt sind:

 

Das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, das Germanische Nationalmuseum, Professorinnen und Professoren der Friedrich Alexander Universität Erlangen, Frau Prof. Dr. Ingrid Baumgärtner, Universität Kassel, und Prof. Dr. Dr. Ulrich Knefelkamp von der Europa-Universität Viadrina sowie Prof. Dr. Marilia dos Santos Lopes (Lissabon) als Kooperationspartnerin.