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Prof. Dr. Anna Schwarz / Dr. Gabriele Valerius

Der Wandel von Erwerbsmustern in der Krise der Arbeitsgesellschaft.

Projektleiterin / Antragstellerin: Prof. Dr. Anna Schwarz
Bearbeiterin: Dr. Gabriele Valerius
Laufzeit: 1999-2000
Finanzierung: DFG

Kurzbeschreibung:
Die Öffnung für weltweite Marktbeziehungen, der Umbau der traditionellen Industriegesellschaft und ihrer Erwerbsstrukturen, neuartige Konkurrenzbedingungen und Flexibilisierungstendenzen in den Beschäftigungsverhältnissen bedeuten für die Menschen in den ostmitteleuropäischen Transformationsgesellschaften besonders gravierende Orientierungs- und Handlungsherausforderungen und gehen mit neuartigen sozialen Differenzierungen einher. Das Projekt ging der Frage nach, wie weit dieser Wandel von Mustern der Einkommenssicherung, von Berufsbiografien, von Mechanismen der sozialen Einbindung durch Erwerbsarbeit tatsächlich bereits vorangeschritten ist, wie weit die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses in Transformationsgesellschaften empirisch nachweisbar ist, welche individuellen Handlungsstrategien in ausgewählten Alters- und Berufsgruppen entwickelt und welche Deutungsangebote seitens relevanter politischer Akteure in den öffentlichen Diskurs eingebracht werden. Vorrangiges Untersuchungsfeld waren Krisen- bzw. Umbruchregionen in (Ost-)Deutschland und Polen. Obwohl eine Mehrheit der ostdeutschen Erwerbsbevölkerung nach wie vor erwerbstätig ist, verweisen die hohen Arbeitslosenquoten in den neuen Bundesländern auf eine problematische Entwicklung, die sich in der zweiten Hälfte der 90er Jahre verschärft hat. Das Risiko, arbeitslos zu werden, liegt in Ostdeutschland auch zehn Jahre nach Beginn der Transformation deutlich höher als in den alten Bundesländern. Die Arbeitslosigkeitsrisiken "streuen" breit und betreffen nicht mehr nur die bekannten Problemgruppen, wie Unqualifizierte und ältere Frauen. Eine große Zahl von Betroffenen ist nicht nur für begrenzte Zeit oder mehrfach ausgegrenzt, sondern diese Personen müssen als Langzeitarbeitslose um die gelingende Reintegration ins Erwerbsleben generell fürchten. Erwerbslose entwickeln verschiedene Strategien, um diesen Zustand zu überwinden. Derzeit scheint regionale Mobilität die aussichtsreichste Variante, um wieder dauerhaft auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die in Ostdeutschland geschaffenen Freiwilligenagenturen, die interessierten Bürgern Tätigkeitsfelder und Institutionen vermitteln wollen, setzen teilweise bei diesem Personenkreis, der vorzeitig aus dem Erwerbsleben Ausgegrenzten an, um ihnen durch Freiwilligenarbeit soziale Anerkennung, Kommunikation und damit ein Stück Reintegration zu vermitteln. Das gelingt vor allem bei den Freiwilligen, die sich schon früher ehrenamtlich engagierten. An Ehrenamt, Mitbestimmung und Mitgestaltung interessierte Bürger beteiligen sich jedoch auch in vielen anderen Institutionen des dritten Sektors. Das Potential an interessierten und engagierten Freiwilligen ist daher ein Stückweit durch andere Institutionen bereits "abgeschöpft". Das gleichzeitig gesetzte Ziel der Freiwilligenzentren zur verstärkten Mitbestimmung und Mitgestaltung kann ohne entsprechende institutionalisierte Festlegungen nicht erreicht werden. Freiwilligenarbeit bedarf größerer materieller und moralischer Anerkennung, Rechtssicherheit und Einordnung in das Erwerbssystem. Damit könnte Freiwilligenarbeit attraktiver gemacht werden und Freiwilligenzentren zu einem stärkeren Anlaufpunkt auch für jene Bürger werden, die bereits ehrenamtlich engagiert sind. Die bisher vor allem unter Wissenschaftlern diskutierte Neu-Gewichtung von Eigenarbeit, Tauscharbeit, Ehrenamt und Erwerbsarbeit hätte dann vielleicht eher eine Chance, auch von Erwerbspersonen jeden Alters aufgegriffen und im Verhalten umgesetzt zu werden. Unter den Bedingungen Ostdeutschlands ist Freiwilligenarbeit - noch stärker als in Westdeutschland - eher als Ergänzung zur Erwerbsarbeit zu verstehen und nicht als Alternative zu ihr.

Veröffentlichungen:

  1. Schwarz, Anna / Valerius, Gabriele: "Spiegelbilder erwerbsbiographischer Transformation: Deutungsmuster ostdeutscher Ingenieure" In: FIT Arbeitsberichte - Discussion Papers 03/00. 2000.