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Gudrun Clemen: "Hecken in Wirtschaftstexten"

Gastvortrag am 13. Dezember 1996 am Lehrstuhl für Sprachwissenschaft II der Europa-Universität Viadrina

 

1. DAS SPRACHLICHE PHÄNOMEN DER HECKE

 

Die sprachliche Hecke könnte mit der grünen Hecke metaphorisch verbunden sein, denn bestimmte Funktionen, die man der grünen Hecke zuspricht - Schutz, Umhegen, Einhegen, Abgrenzung, Distanz - sind in der sprachlichen Hecke wiederzufinden.

Ein anderer bildlicher Vergleich wäre auch:

Als Textverfasser benutzen wir sprachliche Hecken zum Einpacken unserer Texte (= zum Enkodieren) und überlassen es dem Empfänger, sie auszupacken (= zu dekodieren). Von unserem Verhandlungsgeschick, der Wirkung, die unser Paket beim Empfänger hervorruft, hängt die Akzeptanz unserer Sendung ab.

Ich möchte Ihnen mit diesen Gedankenspielen eine Brücke bauen zu einem sprachlichen Phänomen, das wie selbstverständlich zu unserem täglichen Sprachgebrauch gehört, das wir intuitiv verwenden, und das als eine Bereicherung unserer sprachlichen Ausdrucksmittel gesehen werden kann. So hat der Sprachwissenschaftler John Skelton festgestellt, daß Kommunikation erst durch die Verwendung von (sprachlichen) Hecken lebendig wird, denn "language without hedging is language without life".

Das stilistische Mittel der Hecke erlaubt es uns, unsere Aussagen zu differenzieren und unsere Wahrheiten zu relativieren, ohne dadurch moralische Qualitäten zu verleugnen. Hecken bieten Schutz und schaffen Distanz und weisen Textschreiber und Sprecher als mehr oder minder diffizile Denker mit mehr oder weniger Respekt vor dem Absoluten aus. Ihre abschwächenden, abtönenden, relativierenden Ausdrucksmöglichkeiten gestatten uns eine gewisse Reserve gegenüber einer eindeutigen Einordnung. Hecken erleichtern die Kommunikation, ja machen sie oft erst möglich, weil sie Schonung - Gesichtswahrung - erlauben, Vorsicht signalisieren und Konzessionsbereitschaft bekunden. Sie können als ein zur Lebendigkeit und Subtilität der Sprache beitragendes Element gewertet werden, das uns zeigt, daß die Welt nicht nur aus "Es-ist"-Behauptungen besteht, sondern daß auch Unabwägbarkeiten, Nichtwissen, Nichtgenauwissen, Zweifel, Wahrscheinlichkeit, Möglichkeit, Ungewißheit und Vagheit berücksichtigt werden müssen.

Der Begriff der Hecke als linguistischer Terminus kennzeichnet eine bestimmte Funktion bzw. Modifikation der Aussage, ohne daß ihm ein spezifisches Subjekt zugrunde liegt. Es gibt keine Hecken a priori. Als Hecke wird ein bestimmtes Phänomen innerhalb der Sprache gekennzeichnet, das losgelöst von ihr nicht beschrieben werden könnte. Heckenfunktion wird im Kontext, nicht durch ein einzelnes Wort oder eine Wendung in textueller Isolierung, bewirkt. Hier stünde bereits die Multifunktionalität vieler Lexeme im Wege, die auch ein Grund dafür ist, daß "Hecken-Listen" nicht erstellt werden können (sie sind allenfalls vertretbar als statistisches Mittel, das Ergebnisse einer Untersuchung in Zahlen oder Prozenten zusammenfaßt, wobei der Hinweis angebracht ist, daß sich der Gültigkeitsanspruch der so aufgelisteten "Hecken" auf deren Vorkommen im Kontext bezieht).

Modalwörter wie "to seem", "to appear", "to believe", "to hope", "to think", "to suggest - (die auch als epistemische Verben bezeichnet werden und parenthetische Funktion haben können), Adjektive und Adverbien wie "possible","perhaps""probably","apparently" usw. stellen als "freistehendes" Lexem keine Hecke dar, obwohl der Sprachgebrauch dahin tendiert, auch von einem einzelnen Lexem zu sagen: "das ist eine Hecke" oder "das ist ein Heckenausdruck", während es tatsächlich heißen müßte "x hat Heckenfunktion",weil das jeweilige Lexem nur im Kontext und im Zusammenspiel Autor/Rezipient zur Wirkung kommt. Markkanen/Schröder (1996) sagen in diesem Zusammenhang, "that no linguistic items are inherently hedgy but can acquire this quality depending on the communicative context or cotext".

Hecken sind also keine inhärenten Eigenschaften von Texten, sondern eine Frage der Wirkung, die sie auf den Textempfänger haben. Ihre pragmatische Funktion ist implizit in der Aussage und nicht explizit in einem einzelnen Lexem oder einer Wendung zu sehen.

Durch den amerikanischen Sprachwissenschaftler George Lakoff wurde das sprachliche Phänomen des Hedging Anfang der 1970er Jahre zu einem Begriff in der Sprachwissenschaft ("Hedges: A Study in Meaning Criteria and the Logic of Fuzzy Concepts", 1972), und für Linguisten, die sich nur marginal mit der Materie befassen, verbindet sich mit dem Begriff 'Hedging' oft nur der Gedanke an Lakoff. Sein Ansatz beruht im wesentlichen auf der sog. "Fuzzy Set Theorie" (Theorie unscharfer Mengen) von Zadeh (1965) und den Untersuchungen von Rosch-Heider (1971) über die Klassenzugehörigkeit von Begriffen nach graduellen Merkmalen (manche Exemplare werden als bessere/typischere Exemplare einer Kategorie angesehen).

Nach Lakoff modifizieren Hecken in der Regel Prädikate und Nominalphrasen (im Sinne der Formalen Logik) hinsichtlich der Zugehörigkeit zu einer Kategorie. Nach Lakoffs Modell werden Hecken, deren Funktion Lakoff dichotom als "fuzzy or less fuzzy" (= abschwächend oder intensivierend) sieht, im Rahmen der Prototypensemantik als Modifikatoren im engeren Sinne eingeordnet.

(more fuzzy: abmildernd = sort of, something of, quite a bit of, in a way, kind of, perhaps, probably, sometimes)

(less fazzy: intensivierend = actually, frankly, really)

Das Lakoffsche Modell wurde in der linguistischen Literatur rezipiert und diente als Basis zur Weiterentwicklung. Hecken werden nun nicht mehr nur unter semantischem Aspekt der Prototypen qualifizierenden Modifikatoren nach der Lakoffsche Theorie gesehen, sondern - was dem linguistischen "Zeitgeist" entsprach - in stark erweitertem Sinn unter der Perspektive von Diskursanalyse und Sprechakttheorie, wobei der pragmatisch-kommunikative Gedanke im Vordergrund steht. Unterschiedliche Denkansätze führten zu einer Vielfalt unterschiedlicher Betrachtungsweisen. Dabei steht ein Konsens aus, nach welchen Kriterien Heckenfunktion zu definieren und abzugrenzen ist.

Lassen Sie mich, bevor ich meine eigene Definition des Hedging formuliere, einige Arbeiten erwähnen, die das Gebiet des Hedging entscheidend beeinflußt haben.

Dazu gehören zweifellos Untersuchungen von Brown & Levionson (1978, 1987), die Hecken zu den Realisierungsformen höflichen Sprachverhaltens zählen und diese - wie Lakoff - als abmildernde und intensivierende Elemente sehen, eine Unterscheidung, die später nur noch selten (z. B. Fetzer: Negative Interaktionen, 1993, Graham Low, 1996: Intensifiers) gemacht wird: Hedging wird primär unter dem abmildernden Aspekt gesehen.

Fraser (1980) bezieht sich auf 'hedged performatives' (= Äußerungsformen mit einem performativen Verb oder einer performativen Wendung - We inform you that, May I ask you), die in ihrer Hecken-Funktion auf illokutionären Sprechakten basieren.

'Performatives' stehen neben der Negierungen zum Ausdruck des Hedging auch bei Leech (1982) im Vordergrund.

Eine Unterscheidung zwischen 'understatements' und 'hedges' führt Hübler (1993) ein. Prince et al. (1982) schlagen eine Differenzierung vor in 'approximators' (Wahrheitsgehalt der Proposition: His feet were sort of blue) und 'shields' (Grad der Verantwortung, die der Sprecher für den Wahrheitsgehalt der Proposition übernimmt: I think his feet were blue).

Dubois (1987) untersucht 'Ungenauigkeits' (Vagheits-) Angaben (about, around, approximately, some).

Ein wichtiger Aspekt des Hedging, die Modalität, wird ausführlich z. B. von Palmer (1986) und Lyons (1977) behandelt.

Markkanen/Schröder (1978, 1989) stellen im Dreisprachenvergleich fest, daß das Hedging in Texten der Wissenschaft stärker als in anderen Disziplinen ist. Unterschiedliche Diskursmuster und damit unterschiedliche Heckenverwendung in deutschen und englischen Wissenschaftstexten weist auch Clyne (u. a. 1991) nach.

Die Birminghamer Linguisten Pindi/Bloor (1987, 1990), Dudley-Evans, Henderson, Backhouse (1987, 1990, 1993) befassen sich mit dem Hedging im Rahmen der Wirtschaft, Channell (1990) untersucht Vagheit in Wirtschaftstexten.

Einer neuerer Versuch, das unter dem Dach des Hedging seiner Meinung nach zu weit gefaßte Gebiet zu spezifizieren, liegt von Skelton (1996) vor. Er plädiert dafür, den Begriff "hedge" enger und nur auf die Abschwächung von Verantwortung und/oder Gewißheit des Wahrheitswertes einer Proposition bezogen zu fassen. Neben 'Hedge' wäre danach ein 'COMMENT on truth-judgement" und "on value-judgement' zu berücksichtigen. "I was surprised to find" sieht Skelton im Kontext seines Beispielsatzes als 'value judgement'; 'undoubtedly' als 'truth judgement'.

Obwohl sich auch hier bereits wieder Zuordnungsfragen abzeichnen - Skelton arbeitet in Zweifelsfällen selbst mit heckenfunktionstragenden Elementen (= "probably a hedge") - muß bei dieser Kommentar-Feststellung m. E. weitgehend nach Intuition entschieden werden.

Erkenntnisse bzw. Wahrheiten und auch Wertungen gelten als nicht absolut, sondern nur in bezug auf etwas, also innerhalb eines bestimmten Bezugssystems.

Ich habe in Anlehnung an Skelton in meine eigene Arbeit die Bezeichnungen 'Kommentar zur Wahrheitsbeurteilung' und 'Kommentar zur Wertbeurteilung' aufgenommen, um vor allem jenen - adjektivischen und adverbialen - Modalitätsindikatoren Rechnung zu tragen, die die i. d. R. evaluierende/wertende Einstellung bzw. Stellungnahme des Sprechers/ Schreibers zur Geltung des Sachverhaltes, auf den sich diese beziehen, ausdrücken, und die ich dem Hedging nicht vorbehaltslos zuzuordnen vermag. Meine Arbeit bezieht sich deshalb auch auf "Hecken UND verwandte Modalitätsindikatoren". Es handelt sich hier um Modifikatoren, mit denen der Textverfasser anzeigt, wie die Qualität eines Sachverhalts subjektiv einzuschätzen ist, und die keine Behauptungen, sondern 'Kommentare' zu Behauptungen - Kommentare im kommunikativ-pragmatischen Sinn - sind.

Aus den in ihrer Bedeutung vielfältigen Adjektiven und Adverbien sind hier also insbesondere jene relevant, die sich auf Einschätzung und Beurteilung beziehen. Indikatoren der 'Wahrheitsbeurteilung' würde ich danach als 'Tatsachensein' (= + factiv) ansehen; der Autor referiert auf Eigenschaften, die auch allgemein so gesehen werden (könnten) oder sich seiner Meinung nach als so bekannt erwiesen haben; die Bekanntheit eines Sachverhalts wird hervorgehoben, z. B. "increasing competition", "obviously", "undoubtedly", "satisfactory development", "growing imbalance"/"schwierige Wirtschaftslage", "zufriedenstellende Ergebnisse". Die Indikatoren der 'Wertbeurteilung' (-factiv, ich halte es für möglich, vermutlich, so wie ich es sehe) hingegen verweisen stärker auf die persönliche Sicht des Autors: "a remarkable development", "a useful decision"/"es ist ermutigend", "eine stärkere Bedeutung", "ist wünschenswert". (Es können auch Wendungen mit Verben relevant sein:, die eine psychische Haltung ausdrücken: I regret that.) Zwischen den beiden Indikatoren läßt sich allerdings nicht immer klar unterscheiden. Vertrautheit mit der fachlichen Materie dürfte hier hilfreich sein.

 

CHARAKTERISIERUNG DES BEGRIFFS 'HECKE'

Ich definiere Hecken wie folgt:

Mit Hecken bringt der Textproduzent seine subjektive Stellungnahme oder Einstellung zum Inhalt seiner Äußerung oder Aussage zum Ausdruck.

Die Hecke hat eine pragmatisch-kommunikative Funktion und wird wirksam durch bestimmte Lexeme oder Wendungen in Kontext und Kotext, nicht in textueller Isolierung.

Eine abschwächende,

relativierende,

absolute Aussagen und unnötige Risiken vermeidende,

den potentiellen Einwand des Adressaten in Betracht ziehende,

ggf. vage, reservierte oder einschränkende,

in der Regel die Maximen der Höflichkeit beachtende

Präsentation soll dabei die Aussage oder Äußerung für den hypothetischen Rezipienten akzeptabler machen, der Gesichtswahrung beider Seiten dienen und zu möglichst konfliktfreier Kommunikation beitragen. Andererseits kann eine Hecke auch Realisator beschönigender Aussagen im Sinne einer bewußten Manipulation des Rezipienten sein. Eine Hecke kann die Glaubwürdigkeit der Aussage trotz/oder wegen ihrer abschwächenden Wirkung erhöhen (z. B. in wissenschaftlichen Texten).

In diesem Sinne wird die Hecke der Diskursanalyse zugeordnet und unterschieden von dem engergefaßten Begriff der Hecke unter semantischem Aspekt als Prototypen qualifizierender Modifikator.

Heckenfunktion kann durch folgende lexikalische und syntaktische Mittel bewirkt werden:

Performative Verben (I can promise you, we propose)

Modalwörter (believe, think, seem, appear - sie drücken die subj.-modale Einschätzung des Geschehens durch den Schreiber aus)

Modalverben (can, may, might, would, should, ought to etc.)

Modalpartikeln (lust, actually, ouly <Multifunktionalität!> - im Deutschen reichhaltiger: doch, mal, wohl, schon, bloß, eigentlich)

Adjektive, Adverbien (wie bereits erläutert)
bestimmte Personalpronomen (Anwendung oder Vermeidung)
Passivkonstruktionen (meist deagentivierte Passivk. - shares have been issued.)
unpersönliche und indirekte Wendungen (it is likely; there is no reason to conclude)
parenthetische Konstruktionen (This is - as I believe - hardly feasible).

Konjunktiv und Konditionalgefüge (We should adhere to the proposal/If I had. I would.)

negierende Formulierungen (We would not go so far as to say)

Approximatoren (about, approximately, around etc).

Adversative Konjunktionen (but, however; aber, jedoch)

Dabei fungieren die gesondert zu betrachtenden "verwandten Modalitätsindikatoren" als Kommentare zu "Wahrheits- und Wertbeurteilung".

Die lexikalischen oder syntaktischen ,Hecken-Realisatoren" lassen sich jedoch bei Analysen und Feststellung von Hecken-Frequenzen nicht strikt voneinander abgrenzen, wie es diese Aufzählung suggeriert. So läßt sich z. B. '(I) think' als Hecke im Rahmen der Modalwörter, der epistemischen Verben oder als parenthetische Konstruktion (- '<as I> believe' -) erfassen. '(I) regret (that)' erlaubt eine Zuordnung zur Kategorie 'Hecke', aber auch zu 'Kommentar zur Wertbeurteilung'. Es gilt also, den zur eigenen Auswertung adäquaten Modus zu finden.

Einige der "Devices" finden Sie in den Wirtschaftstexten, die ich für Sie zusammengestellt habe, und die ich erläutern werde, nachdem ich mich noch zur zweiten Komponente meines Vortrages, der Wirtschaft und relevante Textsorten, geäußert habe.

 

 

2. WIRTSCHAFT UND TEXTE

 

Beim Hedging in Wirtschaftstexten geht es dem (oder den) - Textproduzenten im wesentlichen darum, den Grad der Gewißheit oder Sicherheit, den er über die Geltung einer Feststellung hat, zu relativieren.

Für den Textschreiber ist es wichtig, sich nicht festlegen zu müssen, wenn die Fakten oder der Ausgang von Ereignissen vage, nicht bekannt, oder nicht voll zu überblicken ist. Die in ähnlicher Funktion zum Ausdruck kommende - subjektive - Schreibereinstellung zu der im Satz ausgedrückten Proposition durch meist adjektivische oder adverbiale Mittel läßt sich z. B. durch die Faktoren 'Wahrheitsbeurteilung' oder 'Wertbeurteilung' feststellen. Der Textproduzent will die - in Wirtschafstexten häufig anzutreffenden - Einstellungsoperatoren als die eigene Wertung betreffenden oder auf die (allgemein so empfundene) Wahrheit referierenden Kommentar - nicht als Aussage - verstanden wissen.

Das weitverzweigte und mit Nachbardisziplinen stark vernetzte, im Detail nur schwer überschaubare Gebiet der Wirtschaft bietet naturgemäß eine Fülle Textsorten, die bisher noch unzureichend untersucht, oft gar nicht benannt und schon gar nicht unter dem Aspekt des Heckenvorkommens und der Heckenverwendung untersucht wurden. Wer sich mit Hecken in Wirtschaftstexten befassen möchte, sollte zuerst abklären, welches Teilgebiet mit welchen Textsorten für eine Untersuchung in Betracht käme. Dabei können von vornherein Texte ausgeschlossen werden, die reines Faktenwissen und sachbetonte Darstellung vermitteln, frei von Bewertungen sind, Texte also, von denen angenommen werden kann, daß modale Bedeutungsaspekte nicht zum Ausdruck kommen und Einstellungen des Textproduzenten zu der vom Satz ausgedrückten Proposition nicht anzutreffen sind.

Bei der Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Sprachverwendungsbereiche ist auch zu prüfen, ob man sich unternehmensbezogener Wirtschaftkommunikation in Industrie, Handel und Dienstleistung, wirtschaftswissenschaftlichen oder wirtschaftspolitischen Texten, Wirtschaftsberichten, Wirtschaftsgutachten, dem Gebiet der Werbung, der Finanzen, der Märkte, der Im- und Exportwirtschaft, den sehr aktuellen EU-Belangen oder dem Wirtschaftsjournalismus zuwenden möchte. Innerhalb einzelner Bereiche könnten verschriftlichte Interviews oder Reden und Vorträge interessant sein, in denen ein einzelner Sprecher mit Sicherheit auch eigene Meinung zum Ausdruck bringt.

In der Wirtschaftspresse - nach meinen Erfahrungen in der deutschen stärker als in der englischen - wird Ihnen die Präferenz der Journalisten für den Rückgriff auf Quellen - im Englischen 'Attribution' - auffallen und Sie werden sich fragen, ob hier nicht auch Heckenfunktion zum Ausdruck kommt, da der Schreiber die Verantwortung für das, was er berichtet, Dritten überläßt und selbst keine Gewähr für die Richtigkeit übernimmt. Journalisten werten diese verbreitete Praxis als ihr Bemühen um möglichst weitgehende Authentizität, die aufwendige

Recherchen erspare. Ich bin der Meinung, daß die 'Attribution' eine Schutzfunktion für den Textproduzenten darstellt, obwohl sie den Hecken nicht per se zugeordnet wird.

Schließlich begegnen wir hier auch mehrdeutigen Phrasen, bei denen unklar bleibt, wem eine über Konditionalgefüge ausgedrückte Äußerung zuzuschreiben ist, dem Textproduzenten oder der ,Quelle". Beispiel: Der Finanzminister würde die Abgaben senken, wenn ein wirtschaftlicher Aufschwung in Sicht wäre. Wirstoßen hier erkenntnistheoretisch an Grenzen, weil Aussagen dieser Art als psychologisch interpretierbare Phänomene außerhalb der Erklärungskapazität unserer mentalen Fähigkeiten liegen. Hier spielen außerlinguale Aspekte eine Rolle.

Eine weitere Frage, die sich hier ergibt, sind die vom Informanten verwendeten und vom Schreiber direkt oder indirekt (referierender Konjunktiv) wiedergegebenen Hecken. Ein vom Hedging des Rahmentextes getrennt zu erfassendes Hedging des Informanten wäre denkbar. Texte, die ausschließlich auf Fremdinformation aufbauen, sind m. E. für eine Heckenuntersuchung nicht geeignet.

Wenn mehrere Textsorten untersucht werden sollen, erweist sich die Erstellung einer Texttypologie als nützlich. Aus ihr lassen sich relevante Aussagen über die zu untersuchenden wirtschaftssprachlichen Texte ableiten. Eine Typologie zur Beschreibung von Textsorten kann nach 'inneren' (sprachlichen) und 'äußeren' (kommunikativen, situativen) Merkmalen entwickelt werden; die ersteren werden jedoch durch die letzteren determiniert. Da Hecken-Untersuchungen sich ohnehin auf einen wesentlichen Bereich des Faktors 'Sprachsystem' beziehen, käme in diesem Fall also eine Typologie nach externen Kriterien in Betracht. Diese könnte hierarchisch aufgebaut sein und sich z. B. auf die Textfunktion (dominierende und sekundäre - evtl. makrostrukturelle) beziehen, auf den Grundtyp, die Sprachfunktion, die Sprachverwendungssituation (Kommunikationsteilnehmer, Informationsgefälle, Medien, Handlungsort), sowie die Fachtextcharakteristik (fachgebunden, fachsprachlich gestaltet, Interesse weckend, Verhalten steuernd etc.).