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"Hedging" als neue Kategorie? Ein Beitrag zur Diskussion

Gabriele Graefen, München

 

"Unter dem Titel "Wahrheit" verbirgt sich keine einfache Qualität und auch keine Relation, überhaupt nicht eine Sache, sondern vielmehr eine ganze Dimension der Kritik. Wir können uns eine Vorstellung von dieser Kritik machen, vielleicht keine sehr klare Vorstellung. Klar ist nur, daß es eine ganze Menge von Dingen in dieser einen Dimension zu betrachten und zu wägen gibt — die Tatsachen sicherlich, aber auch die Situation des Sprechenden, die Absicht, die er beim Reden verfolgt, seine Zuhörer, Fragen der Genauigkeit usw." (Austin 1958/1992, 142)

 

0. Einleitendes

Wenn der Ausdruck "hedge" im öffentlichen Leben fällt, denkt fast jeder inzwischen an gewisse Fonds für Geldanleger. Daß das englische Wort "to hedge" so etwas wie Schützen und Abschirmen meint, wissen längst nicht alle und würden es nach dem spektakulären ‘Platzen’ einiger größerer Hedge-Fonds auch kaum annehmen.

Innerhalb der neueren Sprachwissenschaft mit — mehr oder weniger - angelsächsischer Orientierung hat der Ausdruck "hedge" sich inzwischen einen festen Platz in einer Bedeutung erobert, die der ursprünglichen näher zu sein scheint: Ein hedge-Ausdruck, zu deutsch "Hecke", soll nach Clemen (1996) "die Aussage oder Äußerung für den hypothetischen Rezipienten akzeptabler machen, der Gesichtswahrung beider Seiten dienen und zu möglichst konfliktfreier Kommunikation beitragen." Ich möchte hier - nach einem kurzen Abriß der Erfolgsgeschichte dieser Kategorie - zeigen, warum diese Forschungsrichtung in eine Sackgasse führt.

Die Argumentation stützt sich partiell auf die Auswertung eines Textkorpus von 23 deutschsprachigen wissenschaftlichen Artikeln der verschiedensten Fächer, zusammengestellt mit dem Ziel der Beschreibung der "Alltäglichen Wissenschaftssprache", um die es bei den Phänomenen, die 'hedging' genannt werden, auch zu gehen scheint. Die Hauptargumente ergeben sich jedoch aus der Überprüfung der zuständigen linguistischen Theorien.

 

1.1. Die Anfänge der "hedging"-Forschung

1.1. Hedges in der Gemeinsprache

Die "hedging"-Literatur - gut dokumentiert von Schröder/Zimmer (1997) - beruft sich häufig auf George Lakoff (1972) als den, der diesen neuen Terminus geprägt hat. Lakoff bezog die "fuzzy concepts" der Logik auf "Unschärfen" im Gebrauch von Prädizierungen begrifflicher Art. Sein immer wieder zitierter Beispielsatz lautet: "A pinguin is sort of a bird.". Er wollte zeigen, daß durch Ausdrücke wie "sort of" Ungenauigkeiten entstehen bzw. angezeigt werden, die nach seiner Auffassung nur mit Hilfe einer mehrwertigen Logik beschreibbar sind. Das, was Lakoff thematisiert hat, ist allerdings sehr alltäglich: Wenn ein Sprecher sich bei einem Wort der Gemeinsprache - oft ist es ein Substantiv - bewußt wird, daß das aktuell Gemeinte dem "ideal" (Lakoff 1972, 458), das der Sprecher im Kopf hat, nicht voll entspricht, dann kann er diesen Zweifel im Umfeld des fraglichen Ausdrucks verbalisieren. Im Englischen wie im Deutschen geht das vor allem mit Adverbien und mit graduierenden oder anderen Partikeln wie "eigentlich", "in etwa", "streng genommen" oder "im großen und ganzen".

Lakoffs Liste von englischen hedge-Formulierungen (a.a.O., S. 472) enthält nun nicht nur einschränkende, sondern auch solche modifizierenden Ausdrücke, die die Übereinstimmung zwischen Wissen über die ‘Sache’ und Wortbedeutung unterstreichen, z.B. essentially, basically oder typical. Die Gemeinsamkeit dieser beiden Typen von Ausdrücken oder Ausdruckskombinationen — abschwächend und verstärkend in ihrer Wirkung - liege darin, daß diskursthematische Objekte relativ zu einem bestimmten, gedachten Prototyp situiert werden (vgl. Lakoff/Johnson, 1980, 223, zitiert in: Kolde 1989), was nur konsequent ist. Hedging resultiert auf dieser ersten, durch Lakoff geprägten Stufe daraus, daß ein Sprecher sich — oft adhoc - über Umfang und Bedeutungskomponenten eines (populären) Begriffs Gedanken macht. Das korrespondiert mit der Einsicht der Prototypensemantik, daß Sprecher Kategorien anwenden, indem sie konkrete Phänomene mit typischen Exemplaren einer Kategorie ("Prototypen") vergleichen.

Es ergibt sich also, daß es zum durchschnittlichen Sprecherwissen gehört, zwischen typischen und weniger oder gar untypischen Merkmalen zu unterscheiden, also eine Hierarchisierung nach primären und sekundären Klasseneigenschaften vorzunehmen. Bestimmte "hedges" wirken darüber hinaus ähnlich wie ein Filter, der nur bestimmte semantische Komponenten "durchläßt". Das ist besonders bei parenthetischen Hinzufügungen des Typs "technisch gesehen" der Fall. "Hedges" können also als Operatoren aufgefaßt werden, die zu einer strukturierten Proposition hinzukommen, indem sie die Prädikation insgesamt oder aber eine der Konstituenten modifizieren. Mit ihrer Verwendung zeigt ein Sprecher, daß er sein semantisches Wissen reflektiert einsetzt.

Als Verdienst von Lakoff sehe ich, daß er auf diese Komplexität von Wortbedeutungen und nebenbei auch auf unzureichende Lexembeschreibungen in Lexika hingewiesen hat (Lakoff 1973, 492 ff.): Was in der Gemeinsprache als "typisch" für eine Sache oder Person gilt, ist den Wörterbuch-Bedeutungsangaben nämlich oft nicht recht zu entnehmen. Würde die Lexikographie der Frage: "Welche Art von Restriktionen kennen die Sprecher einer Sprache hinsichtlich der Entscheidung, ob ein Ausdruck "paßt" oder nicht?" mehr Gewicht beimessen, könnten Wörterbücher mehr Rücksicht auf Abstufungsmöglichkeiten nehmen, über die gemeinhin nur die Muttersprachler verfügen, die die subtileren Bedeutungselemente und deren Hierarchie im Kopf haben. Wie die Lexikographie hat auch die Fremdsprachendidaktik solche Strukturen des semantischen Wissens bisher wenig berücksichtigt.

Ein Defizit von Lakoff ist die Nichtberücksichtigung der durchaus vergleichbaren Funktionalität von Anführungszeichen, worauf Klockow (1980) hingewiesen hat. Sicherlich erschöpft sich der Anwendungszweck von Anführungszeichen nicht darin, aber ein großer Teil der nicht zitatanzeigenden Zeichen fungiert auf ähnliche Weise wie die lexikalischen Einheiten sogenannt und sozusagen. Der Bedarf an solchen Markierungen ist offensichtlich groß. Nicht zufällig hat die Bekanntheit dieser Zeichen in ihrer schriftsprachlichen Verwendung zu einer Übernahme in die Mündlichkeit geführt, entweder verbal durch vorangeschicktes "in Anführungszeichen", oder aber gestisch durch ‘in-die-Luft-Schreiben’ dieser Zeichen, was bei Rednern immer häufiger zu beobachten ist.

 

1.2. Die Erfolgsgeschichte der "hedges"

Eine deutliche quantitative Ausweitung der Beschäftigung mit hedges ist seit 1970 zu beobachten, z.T. bedingt durch die Kombination mit einer anderen Forschungstradition. In den 80er Jahren gab es dann noch einmal einen sprunghaften Anstieg (Schröder/Zimmer 1997, 253).

Eine inhaltliche und syntaktische Erweiterung des Konzepts nahm Fraser (1975) vor, der von "hedged performatives" sprach. Er meinte damit Einleitungen in der Form eines Matrixsatzes, etwa: "Ich denke, daß..." "Ich muß Ihnen sagen, daß...". Damit wurde eine große Menge an Formulierungen in das Gebiet der hedges einbezogen, die Lakoff nicht genannt hatte. Sie sind keine Bestandteile der Proposition (als Operatoren), sondern ihr als Matrixsatz zugeordnet. Tatsächlich bestand die Ausweitung des Konzepts "hedge" nach Markkanen/Schröder (1992, 5) zum einen darin, daß anstelle von begrifflich gefaßten Konzepten Propositionen jeden Typs als "hedging"-bedürftig oder -fähig aufgefaßt werden. Zum anderen sind die beiden englischen Termini "approximator" und "shield" Ergebnis dessen, daß Lakoffs Funktionsbestimmung in zwei funktionale Aspekte zerlegt wurde, wobei die Schutzfunktion in den Vordergrund zu treten scheint.

Was ist nun eine "Hecke", verstanden als verbaler Schutzschild? In der ersten Monographie zum Thema formuliert Hübler (1983) als Zweck von "hedges", sie dienten dazu, das Risiko einer Ablehnung durch den Hörer/Leser herabzusetzen. Clyne (1991, 57) wendet das auf den interkulturellen Textvergleich an:

"The functions of the phenomena under consideration are to reduce the weight or certainty of the propositions and to relieve authors of some of the responsibility for statements they are making."

Clyne nimmt also an, daß der Sprecher durch eine Herunterstufung des Wahrheitsanspruchs seine Verantwortung für den Wahrheitsgehalt der Äußerung reduzieren will, um sich dadurch vor möglicher Kritik und Ablehnung zu schützen.

"Der Sprecher/Schreiber baut demnach eine schützende "Hecke" um sich (und damit um sein wissenschaftliches Gebäude) auf, die ihn hinsichtlich der Verantwortung für den Wahrheitsgehalt, die Gültigkeit und Gewichtigkeit seiner Propositionen im Zweifelsfall entlastet." (Schröder 1998, 269)

In der Weiterentwicklung von Lakoff hat also ein impliziter Themenwechsel stattgefunden: Es geht jetzt primär um die Motive der Sprecher und Schreiber für den Gebrauch von "hedges".Das könnte man als eine Art sozialpsychologische Wendung charakterisieren. Aus dieser hat sich nach meiner Auffassung die große Attraktivität des Themas ergeben, gespiegelt in der großen Menge an sprachwissenschaftlichen Publikationen zum hedging-Thema.

 

1.3. Erste Bilanz

Inzwischen fragt es sich, ob die Auffassung, hedges seien eine begrenzte Klasse von sprachlichen Mitteln, die durch ihre gemeinsame Funktionalität zusammengehalten werden, sich noch aufrechterhalten läßt. Schon Lakoffs Auflistung konnte keine Vollständigkeit beanspruchen. Im angelsächischen Zusammenhang haben sich seitdem immer wieder neue Erweiterungen und Benennungen ergeben, neben "hedge" z.B. "approximator" und "intensifier". "modal", "emphatic", "validity marker" und "attributor". Clyne und einige andere nahmen unpersönliche Formulierungen als Ausweis eines "impersonal style" hinzu, also "agentless passives" sowie "impersonal and reflexive constructions" (Clyne 1991, 57). Kaplan/Grabe bezeichnen in ihrem kulturvergleichenden Überblick (1997) sogar Schweigen als eine Manifestation von hedging. Es erstaunt nicht, daß diese beiden Autoren die Funktion 'hedging' für schwer eingrenzbar halten. Markkkanen/Schröder vermuten, man könne fast "any linguistic item oder expression" als "hedge" interpretieren (1997, 6).

Das Problem besteht aber nicht nur darin, daß vorgeschlagene Klasseneinteilungen diffus und z.T. überlappend sind. Schlimmer ist, daß die Funktionalität sprachlicher Mittel für die Verständigung zwar in den Vordergrund gestellt wird, dabei aber nur oberflächlich geklärt wird. Beispielsweise ist die Wirkung von eigentlich mit der Klassifizierung als "hedge" noch keineswegs erklärt: Die interessante Frage bleibt offen, welche semantische Basis die hedge-Wirkung hat und was demzufolge die spezifische Funktion dieses Ausdrucks im Vergleich zu anderen 'hedges' ist.

Wallace Chafe (1986) hat die beschriebene Wendung nicht mitvollzogen. Er behandelt die entsprechenden Phänomene unter der Überschrift "evidentiality", entscheidet sich also für den anderen, bei Lakoff ebenfalls enthaltenen, mehr epistemologischen Ansatzpunkt. Zu den "evidentials" rechnet er die Ausdrücke, die eine Einstellung oder Haltung gegenüber Wissen zum Inhalt haben, z.B. die sog. "Modalwörter" wie offensichtlich. Evidenz kann ein Sprecher erkennbar machen als auf Glauben, Wahrnehmung, Hörensagen oder Inferenz basiert; Englisch wie auch Deutsch verfügen außerdem über eine Fülle von Möglichkeiten, Grade der Zuverlässigkeit auszudrücken (Chafe 1986, 264ff.).

Im deutschen Forschungs-Kontext scheinen mir beide Ausrichtungen präsent zu sein, die stärker sozialpsychologisch ausgerichtete hedge-Forschung und die epistemische von Chafe. Wenn in deutschsprachigen Arbeiten von "Sprechereinstellung" die Rede ist, besteht meist Parallelität zu Chafe.

Eine weitere Kritik bezieht sich auf die Einführung von "fuzziness" in die Beurteilung von Propositionen. Damit ist ein Fortschritt gegenüber der traditionell logikorientierten Forschung vollzogen, der in meinen Augen negativ zu bewerten ist: Die Differenz von ‘wahr’ und ‘falsch’ ist implizit für überflüssig erklärt und wird ersetzt durch die Annahme eines Kontinuums von Wahrheitswerten. Nun kann man zwar Austin (1958) in seiner Argumentation folgen — siehe einführendes Zitat -, daß es in vielen Zusammenhängen auf Wahrheit im logischen Sinne nicht ankommt, stattdessen auf Abstufungen in der Genauigkeit der Formulierung, die jeweils nach dem Zweck der Assertion zu beurteilen sind. Man gewinnt aber den Eindruck, daß die hedge-Forschung problemlos die Wissenschaftssprache denselben Kriterien wie die Alltagssprache unterwirft, obwohl es im wissenschaftlichen Diskurs sehr wohl auf Wahrheit und Falschheit ankommt. Das hat Konsequenzen, die im nächsten Kapitel untersucht werden.

 

2.1. "Fuzzy concepts" in wissenschaftlichen Texten?

Fragt man nach "fuzzy concepts" in wissenschaftlichen Texten, ist zu berücksichtigen, daß die Begriffsverwendung in wissenschaftlichen Prädikationen anderen Anforderungen als in der Alltagssprache unterliegt. Sehr viele Begriffe sind — sei es durch Definition, sei es durch häufige Verwendung im Fach — sowohl intensional als auch extensional festgelegt. Für relativierende Zusätze besteht dann weder Grund noch Notwendigkeit.

Am Beispiel des klassischen hedge-Ausdrucks "eine Art..." läßt sich zeigen, daß er kein typischer oder auch nur normaler Ausdruck in wissenschaftlichen Aussagen ist. Wenn er dennoch vorkommt, dann im Zusammenhang metaphorisierender Vergleiche und Charakterisierungen. Die folgenden Beispiele aus dem Korpus WiTKoM stammen überwiegend aus geistes- und sozialwissenschaftlichen Artikeln. Ich führe vier von sieben derartigen Phrasen zusammen mit dem jeweils Gemeinten (in Klammern) zur Illustration an:

"eine Art Nachsingen" (akustische Konsequenz bei Rückkopplungseffekten) ACUS
"eine Art Grammatik" (ein Regelsystem der Kommunikation) KONT
"eine Art Naturereignis" (ideologische Sichtweise der Arbeitslosigkeit) LOHN
"eine Art Zwischenprüfung" (Magistergrad an mittelalterlichen Universitäten) UNIV

Solcher Gebrauch des Ausdrucks läßt sich mit dem vereinbaren, was Lakoff beschrieben hat. Auch Kolde bezeichnet eine Art... als "Metaphernindikator" (1989, 857).

Der Gebrauch von eine Art ist im Korpus WiTKoM aber nie auf den Bestand wissenschaftlicher Begriffe im engeren Sinne bezogen, auch nicht dann, wenn neue eingeführt werden. Das scheint mir verallgemeinerbar zu sein und läßt sich aus den grundlegenden Eigenschaften von wissenschaftlicher Sprache bzw. Kommunikation erklären. Weiterführend ist dabei Weinrichs Unterscheidung von Wörtern der Fachsprache und der Gemeinsprache in seinem Aufsatz "Formen der Wissenschaftssprache":

"Die Fachwörter der Wissenschaften sind prinzipiell randscharf" (1989, 124), während die Wörter der Gemeinsprache "kernprägnant" sind, d.h. diese Ausdrücke haben einen "prototypischen Bedeutungskern" (a.a.O., 125).

Weinrichs Gegenüberstellung von "Kernprägnanz" und "Randschärfe" als Eigenschaften von Wörtern hat zwar den Nachteil, daß damit ein unterschiedlicher Umgang der Sprecher mit wortgebundenem Wissen in etwas Statisches verwandelt wird, aber von hier aus ergibt sich eine Entgegnung auf das oben angesprochene skeptizistische Postulat, daß überhaupt jede Einzelerscheinung "immer nur zu einem gewissen Grad in eine Klasse" paßt, wie Schröder (1998, 267) referiert. Dem ist in doppelter Hinsicht zu widersprechen:
a) Für die Alltagssprache trifft es aufgrund der Kernprägnanz gerade nicht zu, daß eigentlich jede Verwendung eines Begriffs einer Einschränkung bedürfte;
b) für wissenschaftliche Begriffe gilt das aber ebensowenig, da sie nicht gemäß situativen Genauigkeitsansprüchen 'dehnbar' sind. "Randschärfe" wird im wissenschaftlichen Diskurs gerade zu dem Zweck hergestellt, daß so zweifelhafte Zuordnungen und Vagheit ausgeschlossen werden können.

Die Art von hedging, mit der Lakoff sich befaßt hat, steht somit sogar in direktem Widerspruch zum ‘normalen’ Anspruch und sprachlichen Erscheinungsbild eines wissenschaftlichen Textes - wenn nicht gerade metaphorische Ausdrucksweisen gewählt werden. Zur Verdeutlichung ex negativo: Wenn ein Autor wie z.B. Doblhofer den an Schrift interessierten Leser mit der Aussage "Ein Ideogramm ist eine Art Piktogramm." abgespeist hätte, anstatt den Unterschied der Schrifttypen zu erklären, würde dies als unwissenschaftlich, mindestens als unvollständig gelten.

Allerdings gibt es Fälle, in denen Begriffe in den Augen des Sprechers einen zweifelhaften Status haben. Dies kann durch zusätzliche Elemente wie sogenannt oder durch Anführungszeichen bestimmt werden. Beide sind häufig auf Zutreffen oder Verallgemeinerbarkeit von Bezeichnungen zu beziehen:

B2 "den sogenannten Quasi-Minimax-Schätzer ermitteln" (IDEN a3)
"Zahlen sind in sogenannte reale Variable umzurechnen." (REICH a9)

In beiden Fällen (Statistik und Ökonomie) dient sogenannt der Einführung eines Begriffes, der nachfolgend im Text weiterverwendet wird. Es zeigt, daß der Autor annimmt, daß dieser Begriff nicht oder nicht so vollständig als fachlicher Begriff verallgemeinert ist, daß er ihn selbstverständlich und mit definitem Artikel verwenden kann. Darüber hinaus kann sogenannt den Eindruck einer Distanzierung hervorrufen. Ein typischer Fall in Wissenschaftstexten ist der, daß der Autor einen fachlich begründeten Vorbehalt gegen diesen Begriff hat, unabhängig von dessen Verbreitung im Fach. Das ähnelt der Verwendung von Anführungszeichen:

B3 Zusätzlich zu den "Fehlern" des Raumes müssen die Unzulänglichkeiten der Lautspre- cher und Mikrofone in geeigneter Weise kompensiert werden. (ACUS a29)

In diesem Fall benutzt der Autor den Ausdruck "Fehler", den er aber als zusammenfassende Formulierung für zuvor beschriebene Probleme bei akustischen Messungen für nicht ganz passend hält.

Insgesamt sieht es so aus, daß die Autoren der wissenschaftlichen Artikel kein "hedging" verwenden, solange sie sich verbal auf ihrem eigenen wissenschaftlichen Feld bewegen und mit den gewohnten und eingeführten Begriffen denken und argumentieren. Erst wenn sie dieses sprachliche Gebiet verlassen, ergeben sich Unsicherheitsmomente im Hinblick auf die Anwendbarkeit von Begriffen, die dann vorweg oder eingrenzend einer sprachlichen Kennzeichnung bedürfen. Die kurzen Erläuterungen zu eine Art, sogenannt und Anführungszeichen sollten zeigen, daß diese sprachlichen Mittel — ebenso wie andere - nicht ohne weitere Analyse als "hedge" klassifiziert werden können.

 

2.2. "Fuzzy statements" in der Wissenschaft

Im Hinblick auf den erweiterten hedges-Begriff ist die Situation erheblich weniger klar und übersichtlich, was an der Menge und Heterogenität der einbezogenen Phänomene liegt. Natürlich können sprachliche Phänomene gefunden und gezählt werden, die für die hedging-Funktion einschlägig sind, also etwa:

- Modalverben (außer dem Kernbestand auch werden)
- modale Adverbien, zum Teil auch "Modalwörter" genannt (vielleicht, sicher...)
- parenthetische Fügungen wie streng genommen, sachlich betrachtet...
- graduierende Partikeln und Adverbien (ungefähr, genau, fast...)
- Matrixsätze des Typs "Man kann davon ausgehen..."
- Passivsätze ohne Agensangabe
- unpersönliche Konstruktionen (Bsp.: Es ist bemerkenswert, daß...)
- reflexive Konstruktionen (Bsp.: Es stellt sich die Frage, ob...)
- Verben wie scheinen, erscheinen als

Was hat es aber zu bedeuten, wenn ein Text durch sehr viele solcher abschwächender und einschränkender Formulierungen auffällt? Ich sehe zwei grundlegende Möglichkeiten, die ich ebenfalls anhand von WiTKoM-Datenmaterial verdeutlichen will: Tatsächliche Unsicherheit des Wissens und diplomatische Weisen der Präsentation von Wissen.

 

2.2.1. Sachlich notwendige Vorsicht

Ein Korpustext befaßt sich mit Untersuchungen an mehrkanaligen Lautsprecheranalagen (ACUS). Er weist die größte Zahl von grammatischen und lexikalischen modalen bzw. modalisierenden Formen aus, verglichen mit den anderen 22 Texten aus größtenteils anderen Fächern. Zu klären war nun die Funktionalität von Formen wie diesen:

B4 Bei ... kann normalerweise nur ein Kompromiß erreicht werden
Während mit ... nur verringert werden kann, erlauben .... eine Verlängerung....
Es erscheint allerdings notwendig, ... zu verbessern
Man nimmt an, daß ... betragen darf

In Anknüpfung an die hedging-Forschung ergibt sich die folgende Begründung:

Der Autor hat durchaus hinreichende Sicherheit über einen Sachverhalt, wählt aber aus ‘taktischen’ Gründen eine abschwächende Formulierung, um so - gemäß Hübler (1983) — 'weniger zu sagen', als er meint.

Für die Beurteilung des fachlichen Artikels aus dem Bereich der akustischen Physik ist diese Begründung jedoch unbrauchbar. Das Wissen, das der Autor darlegt, ist nämlich tatsächlich ein vorläufiges, (noch) nicht abgesichertes. Alles, was hier als hedging gerechnet werden könnte, ist in Wahrheit notwendige Vorsicht wegen ungesicherter und objektiv schwer abzusichernder Aussagen, wie sich aus des Autors Darstellung der großen Meß- und Berechnungsprobleme in der Nachhalluntersuchung ergibt. Zwar arbeitet die akustische Physik mit mathematischen Berechnungen, es zeigen sich aber schnell die Grenzen der Berechenbarkeit, wenn es um allgemeine Aussagen über akustische Phänomene in Räumen mit wechselnden Eigenschaften geht und zusätzlich noch die Wahrnehmungsmöglichkeiten und -gewohnheiten des menschlichen Ohrs berücksichtigt werden sollen. Die auffällig häufige Relativierung der Aussagen resultiert also daraus, daß trotz der eingesetzten mathematischen und (informations-)technischen Instrumente nur Näherungslösungen gewonnen werden konnten. Die Verantwortung des Autors als Wissenschaftler erfordert es zwingend, kommunikativ den Status des Dargebotenen zu verdeutlichen. Es bestünde also für ihn gar nicht die Möglichkeit, die Proposition rein assertiv, ohne Kennzeichnung des Wissensstatus, vorzutragen.

In der hedging-Literatur wird dieser Unterschied zwischen notwendiger Relativierung und taktisch-vorsichtiger Abschwächung aber - soweit ich weiß - nicht beachtet. In textlinguistischen Studien seit und im Anschluß an Michael Clyne werden verschiedene Unterklassen der Kategorie "hedge" angegeben und Zahlen für bestimmte Korpora, Textarten oder Sprachen ermittelt. Ohne eine text- und kontextbezogene Einzel-Auswertung können aber leicht Fehler passieren, und die "Strategie" des Autors kann mißverstanden werden. Das heben auch Stolze/Deppert (1998, 124) hervor; gegen Michael Clynes Gleichsetzung von Modalkonstruktionen mit "understatements" sprechen sie zu Recht von einer "unredlichen Vereinfachung". Die Folge ist, daß eine andere als die einmal festgelegte Funktionalität gar nicht in Betracht gezogen wird. Das so entstandene Vorurteil wird dann durch weitere Analysen allenfalls differenziert und quantifiziert.

 

2.2.2. Kommunikativ begründete Vorsicht

Andere Fälle von "hedging" sind als Beispiele für Höflichkeit klassifiziert worden. Greg Myers (1989) sieht im Anschluß an Brown/Levinson (1978, 1987) im 'hedging' eine "politeness strategy" eines wissenschaftlichen Autors. Er begründet die Existenz von Höflichkeitsphänomenen mit "gesichtsbedrohenden" Gepflogenheiten der wissenschaftlichen Kommunikation. Myers beschreibt richtig, daß Wissenschaftler bei der Vorstellung eigener Ergebnisse im allgemeinen großspuriges oder beleidigendes Auftreten vermeiden und Kritik an anderen zurückhaltend und vorsichtig vortragen (mit der Textart Polemik setzt er sich allerdings nicht auseinander). Tatsächlich hat sich durch die gesellschaftlich institutionalisierte (und wachsende) Konkurrenz unter Wissenschaftlern ergeben, daß der Erfolg des einen als Mißerfolg des anderen aufgefaßt werden kann und auch real dazu führen kann. So entstehen offene oder verdeckte Gegensätze zwischen Wissenschaftlern als Personen. Formen der Höflichkeit gewinnen deshalb an Bedeutung als Mittel, einen bedrohten Konsens dennoch aufrechtzuerhalten. Nach Greg Myers ist allerdings ein so großer Bestandteil wissenschaftlicher Tätigkeit 'gesichtsbedrohend', daß Wissenschaft kaum noch von Unhöflichkeit unterscheidbar ist:
- Präsentiert jemand ein Forschungsergebnis, so begeht er damit eine "face threatening action", und zwar umso mehr, je richtiger und einflußreicher sein "Ansatz" ist;
- zitiert man einen Autor, so ist das eine Unhöflichkeit gegenüber allen, die man nicht zitiert (aber an dieser Stelle zitieren könnte).

Es stellt sich daher die Frage, welche Rolle Höflichkeit innerhalb des wissenschaftlichen Diskurses überhaupt spielt. Historisch betrachtet, ist Höflichkeit kein seltenes, sondern zeitweise sogar ein sehr häufiges Phänomen in den Schriften von Wissenschaftlern gewesen. Kaplan/Grabe (1997) erwähnen, daß englische Wissenschaft im 17. und 18. Jahrhundert sehr stark vom "code of the gentlemen" geprägt war, d.h. die Autoren pflegten einen Stil, der auch in der Literatur üblich war. Vieles wurde in der Form von Briefwechseln oder Berichten an Förderer und persönlich bekannte Adressaten mitgeteilt. Daraus erklärt sich die Fülle von Höflichkeitsphänomenen. Auf deutschsprachigem Gebiet war dies nicht anders. Humanismus und Renaissance waren noch stark geprägt von den Formen der Rede und des Dialogs, in denen es auf sprachliche Eleganz und höfliche Präsentation sehr ankam. Mit dem europaweiten Aufkommen der wissenschaftlichen Akademien entstanden erstmals wissenschaftliche Zeitschriften, und auch deren Beiträge waren noch stark von dem literarischen Briefstil bestimmt (Gerbert 1989, 93f.).

Ich bin der Auffassung, daß die sprachlichen Formen von Höflichkeit, die sich einer persönlichen Adressierung von Wissensmitteilungen verdankten, aus heutigen wissenschaftlichen Texten verschwunden sind. Grund ist eine vollzogene Emanzipation des schriftlichen und mündlichen wissenschaftlichen Austausches als einer besonderen, zweckgebundenen Sphäre der gesellschaftlichen Kommunikation. Zwar entdeckt die Wissenschaftssoziologie allgemeinere ethische Prinzipien in der wissenschaftlichen Tätigkeit, aber diese wären sinnvoller als Maximen der institutionell notwendigen Kooperation beschrieben (Graefen 1997, 93ff.). Ebenso scheinen mir auch Formen, die an Höflichkeit erinnern, zweckmäßige Bestandteile der wissenschaftlichen Kommunikation zu sein. Die wechselseitige Anerkennung von Wissenschaftlern ist z.B. primär nicht Resultat gelungener Höflichkeitserziehung, sondern elementare Bedingung für kollektives, kooperatives Zusammenwirken, ohne das eine organisierte gesellschaftliche Wissenserweiterung nicht möglich wäre (vgl. die ausführlichere Darstellung in Graefen 1997; zu Myers vgl. auch die Kritik von Meyer (1997, 39f.). Das, was oft mit "hedging" gemeint ist, hat hier einen, wie ich meine, spezifischen Ort, der nur im Erscheinungsbild der Höflichkeit gleicht. Die Abschwächung der illokutiven Kraft der Assertion erfolgt nicht zur Vermeidung einer "Gesichtsbedrohung" des Adressaten oder der eigenen Person, sondern deshalb, weil das Einbringen neuer Erkenntnisse von Mitgliedern der scientific community unter Umständen einschneidende mentale und z.T. forschungspraktische Revisionen verlangt. Assertionen in wissenschaftlichen 'Texten haben sehr häufig die Eigenschaft, das Hörerwissen so zu modifizieren, daß

"bislang als wahr geltende Sachverhalte nunmehr als falsch, zweifelhaft, in gewissem Grad wahrscheinlich gelten" (Zifonun et al. 1997, Bd. 1, 118)

Diejenigen Autoren, die auf die Situierung ihres wissenschaftlichen Beitrags im fachlichen Diskurs achten, sind sich häufig der Zumutung bewußt, die neues Wissen bedeuten kann. "Hedging" ist dann tatsächlich eine sprachliche Vorsichtsmaßnahme, die den Gegensatz zu dem vorhandenen Wissen abschwächt.

In Betracht zu ziehen sind dafür nur solche sprachlichen Einbettungen und — im weitesten Sinne - Modalisierungen von Assertionen, die nicht aus einer sachlich begründeten Vorsicht des Autors erklärbar sind. Das trifft z.B. zu, wenn formelhafte Einleitungen des folgenden Typs der Assertion vorangestellt sind:

B2 "Es ließe sich fragen, ..."
"Es sollte hervorgehoben werden, ..."

Da die Autoren im Anschluß die Frage tatsächlich stellen bzw. die hervorzuhebende Tatsache nennen, besteht keine erkennbare sachliche Notwendigkeit für solche Matrixsätze. Solche Modalisierungen haben in gewisser Hinsicht 'schützenden' Charakter. Sie können an solchen Stellen auftreten, wo ein Autor sich nach seiner Einschätzung relativ weit von den Einsichten oder den Darstellungs- und Argumentationsweisen seiner (Teil-)Disziplin entfernt, sei es durch eine Frage, eine Assertion (bzw. Assertionsverkettung) oder eine Kritik. Das geschieht innerhalb von Wissenschaft notwendigerweise, wie Ehlich ausführt:

"Wissenschaft in ihrer spezialistischen Aufgabe treibt das vorhandene Wissen permanent über das je bestehende Wissen hinaus. Das heißt: Wissenschaft stößt dauernd an die Grenzen genau jener schon verallgemeinerten Bildungskonzeptionen, die sozusagen den Identitätsausweis einer vorgängigen, so oder so didaktisch hergestellten Wissensgemeinschaft ausmachen." (Ehlich 199xx, 8)

Diese "permanente Umwälzung des bestehenden Wissens" (ebd.) geschieht nicht ohne Widerstände (Czeschlik 1987). Dies eben ist der Grund, wie ich denke, für den Einsatz sprachlicher Mittel, die im Vortrag derjenigen Erkenntnisse, die von bisherigem Konsens abweichen, dazu geeignet sind, den Leser 'gewogen' zu stimmen. Ehlich (1993) hat die illokutive Grundstruktur einiger wissenschaftlicher Texte untersucht und kam zu dem Ergebnis, daß ein erstaunlich großer Teil der Assertionen keine "einfachen" Assertionen sind, sondern Modalisierungen und "Metacharakterisierungen" enthalten (1993, 27), daß die sachliche Orientierung immer wieder durchbrochen wird durch einen Bezug auf den wissenschaftlichen Diskurs, geradezu "einen imaginären Diskurs ... mit anderen Autoren" (a.a.O., 28). Dadurch erweisen sich die wissenschaftlichen Artikel als illokutiv sehr komplex. Die "hedging"-Phänomene gehören nach meiner Auffassung genau hierher: Ihr Zweck ist nicht eine Einschränkung oder Abschwächung der assertiven Kraft in bezug auf den propositionalen Gehalt, wie es oben (§ 2.2.1.) beim Text ACUS der Fall war, sondern eher eine Demonstration von bescheidener Zurückhaltung des Autors. Zur Illustration zeige ich am Beispiel einer statistischen Abhandlung über lineare Ungleichungsrestriktionen, auf welche Weise die Autoren ihre Problemlösung einführen.

B5 "Wir betrachten zunächst das Problem, den Mittelpunkt des volumenminimalen Ellipsoids zu bestimmen. Nach den bisherigen Überlegungen ist klar, daß wir streng genommen die Wahl von T* und b* simultan vornehmen müssen. Es zeigt sich aber, daß eine zweistufige Vorgehensweise bei der Suche nach expliziten und approximativen Lösungen hilfreich ist. Aus geometrischer Anschauung heraus scheint es plausibel, daß der Mittelpunkt des volumenminimalen Ellipsoids häufig die Eigenschaft hat, die Summe der quadrierten Abstände der Eckpunkte des Polyeders zu minimieren. Offenbar hat das Problem..." (S. 190)

Aus dem Fortgang der Abhandlung wird deutlich, daß die Autoren an ihrem Lösungsvorschlag keinewegs zweifeln. Dennoch tragen sie ihn auf eine Weise vor, die ihn mehrfach relativiert. Um nur die deutlichsten Merkmale zu nennen: "nach den bisherigen Überlegungen" — "ist klar, daß" — streng genommen" — "müssen" — "zeigt sich" — hilfreich" — "aus geometrischer Anschauung" — "scheint" — "plausibel" — "häufig" — offenbar".

Sind das nun "Hecken" in Sinne der hedging-Theorie? Die genannten Modalisierungen bedürfen einer Einzelanalyse. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Statistik es mit wahrscheinlichkeitstheoretischen Berechnungen zu tun hat, die oft — und auch in diesem Falle - nicht zu völliger Exaktheit führen, also "streng genommen" nicht wahr sind; Einbußen an Exaktheit werden mit Praktikabilität des Verfahrens verrechnet, was in der Disziplin anerkannt ist. Die Anhäufung von Modalisierungen ist daher nicht als Verhinderung von Kritik zu verstehen, sondern wird erst verständlich durch die oben dargelegte Funktion: Genau an der Stelle eines Textes, an der das Entscheidende, Neue, der persönliche Beitrag des Autors eingeführt oder weitergeführt wird, werden sprachliche Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, die dessen Aufnahme verbessern sollen. Mit Ausdrücken wie "offenbar", "zeigt sich", "plausibel" wird z.B. die Intuition und Einsichtsfähigkeit des Lesers in Anspruch genommen, um Akzeptanz zu erreichen.

Solche wissenschaftskommunikative Vorsicht ist keineswegs eine Notwendigkeit oder Verpflichtung eines Autors, weshalb diese Praxis im angloamerikanischen Sprachraum auch dem Vorwurf der Überflüssigkeit ausgesetzt ist, wie es scheint.

 

3. Zusammenfassung

Tatsächlich ist der Bereich des "hedging" in der Wissenschaftskommunikation deutlich kleiner, als oft suggeriert wird. Als wesentliche Unterscheidung wurden hierzu diejenige zwischen sachlich gebotener Kennzeichnung von unzureichender bzw. unabgeschlossener Wissenserarbeitung einerseits und illokutiv wirksamer Vorsicht auf dem Weg der Modifizierung des gegenwärtigen Wissensstandes in einer Disziplin bzw. einem Teilgebiet davon eingeführt.

Die "hedging"-Forschung ist ein Paradebeispiel für einen "modernen Ansatz", der sich eines Einfalls, einer Metapher bedient, die für bestimmte Fälle spontan plausibel erscheint. Die mit der sozialpsychologischen Wendung zum Konsens geronnene Funktionsbeschreibung, daß ein Autor sich vor Kritik zu schützen sucht, tendiert zu einer eher oberflächlichen Generalisierung. Diese war zunächst interessant dadurch, daß man über die Grenzen traditioneller grammatisch-lexikalischer Beschreibungen hinausging. Ihre Anwendung auf bestimmte Typen von sprachlichen Mitteln hat aber dogmatischen Charakter bekommen, soweit auf sorgfältige Einzelanalyse verzichtet wird.

 

Literatur:

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Brown, P.; Levinson, S. (1987) Politeness. Some Universals in Language Usage. Cambridge

Chafe, Wallace (1986) Evidentiality in English Conversation and Academic Writing. In: Chafe, W.; Nichols, J. (eds.) The Linguistic Coding of Epistemology. Norwood: Ablex

Clyne, Michael (1991) The sociocultural dimension: The dilemma of the German speaking scholar. In: Schröder, Hartmut (ed.) Subject-oriented texts. Berlin: W. de Gruyter, 49-67

Czeschlik, Dieter (Hg.) (1987) Irrtümer in der Wissenschaft. Berlin: Springer

Ehlich, Konrad (1995) Die Lehre der deutschen Wissenschaftssprache: sprachliche Strukturen, didaktische Desiderate. In: Kretzenbacher, Heinz L.; Weinrich, Harald (Hgg.) Linguistik der Wissenschaftssprache. Berlin: de Gruyter, 325-352

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