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Publikationen

Hartmut Schröder: 'Ich sage das einmal ganz ungeschützt' - Hedging und wissenschaftlicher Diskurs. In: Danneberg, Lutz/Niederhauser, Jörg (Hsg.): Darstellungsformen der Wissenschaften im Kontrast. Tübingen: Gunter Narr Verlag 1997 (=Forum für Fachsprachen-Forschung 39).

 

5. Forschungsperspektiven

Im Mittelpunkt meines Beitrages stand das noch relativ wenig erforschte textuelle Phänomen des Hedging. Unter Hedging verstehe ich Vertextungsstrategien der Abschwächung (des Ausgedrückten) und der Absicherung (des Textproduzenten hinsichtlich des Verantwortung für den Wahrheitsgehalt einer Aussage), wobei ich die damit verbundenen sprachlichen Realisierungsmittel als Hedge bezeichne. Die Konzepte Hedge/Hedging, die in den 60er Jahren aus der Logik und Semantik in die Textforschung eingedrungen sind und in den 80er Jahren vor allem innerhalb der Pragmatik und Diskursanalyse weiterentwickelt wurden, scheinen einerseits eine wichtige Lücke im Rahmen der Untersuchungen von Diskursen und Texten-in-Funktion zu schließen - andererseits sind sie nach wie vor selber 'unscharf', und ihr Gebrauch in der Linguistik ist weit entfernt von einem einheitlichen Verständnis. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, daß Hedges, wie andere Stilmittel auch, einem Text nicht im Sinne einer Grammatik anhaften. Vielmehr werden Hedges erst in der Interaktion zwischen Autor und Leser auf der Grundlage des Textes und der jeweiligen Kommunikationssituation realisiert. Ich komme daher zu dem Schluß, daß Hedges ein 'textuelles Phänomen' und eine 'virtuelle Eigenschaft' nicht aber aber eine inhärente Qualität eines Textes darstellen.

 

Neben der begrifflichen Präzisierung und einer besseren Operationalisierung des Konzepts stellen sich der zukünftigen Forschung u.a. folgende Aufgaben:

1. Durch diachronische Untersuchungen (s. z.B. Erben 1994) sollte die Herausbildung der sprachlichen Mittel für Hedging sprachhistorisch aufgearbeitet werden.

2. In intrakulturellen und interkulturellen Untersuchungen sollte diskutiert werden, welche Rolle neben der Sprache die jeweilige Ausgangskultur spielt. Heinz Kreutz (1996) hat dazu jüngst eine interessante Arbeit zu Unterschieden bei jungen Ost- und Westdeutschen vorgelegt, in der er ausgehend von Fernsehdiskussionen Hedges als 'Regional markers' versteht. Untersuchungen zu Unterschieden in der Art und Weise sowie Frequenz von Hedges bei Männern und Frauen liegen ebenfalls bereits vor.

3. Eine interessante Herausforderung für die Forschung stellt auch der Sprachgebrauch in den wissenschaftlichen Diskussionen im Internet dar sowie die Veränderungen des wissenschaftlichen Diskurses durch einen postmodernen Wissenschaftsbegriff. Hierzu scheinen aber noch keine einschlägigen Arbeiten im Hinblick auf die Verwendung von Hedges vorzuliegen (siehe Schröder 1995).

Schließlich kann noch die Frage gestellt werden, ob aus der Hedging-Forschung bestimmte Implikationen für die Praxis der Wissenschaftskommunikation abgeleitet werden können, wofür z.B. Erben (1994: 22-23) plädiert. Erben fordert die "Wertschätzung einer verantwortungsvollen Sprechereinstellung - in Politik und Medien, in Wissenschaft und auch im Alltag". In Anlehnung an Paul Grice stellt er folgende neue Konversationsmaxime auf: "Präsentiere das Gesagte in deinem Redebeitrag als so genau und so sicher, wie es nach bestem Wissen und Gewissen möglich ist und den Erfordernissen der gegebenen Lage entspricht" (Erben 1994: 22). Ob diese Maxime in der wissenschaftlichen Fachkommunikation, einem durchaus nicht beziehungsfreien Kommunikationsraum, greifen kann, soll hier nicht weiter diskutiert werden.