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Projekt: Kriegsgefangenenlager Gronenfelde

Kriegsgefangenenfriedhof des Ersten Weltkriegs in Gronenfelde bei Frankfurt (Oder)

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Im Ersten Weltkrieg entstand in Gronenfelde bei Frankfurt (Oder) ein großes Kriegsgefangenenlager, in dem bei Kriegsende exakt 22.986 Mann interniert waren. Die weitaus größte Gruppe bildeten mit weit über 17.000 Personen kriegsgefangene Soldaten der russischen Vielvölkerarmee. Darüber hinaus wurden Briten, Franzosen, Belgier, Rumänen, Serben und Italiener im Lager gefangengehalten. Das einzige noch heute vorhandene bauliche Zeugnis dieses Lagers ist die Heilandskapelle auf dem nahegelegenen Eichenweg. Sie war ab 1915 in einfacher Holzbauweise als kulturelles Zentrum des Lagers errichtet und erst im Jahre 1928 zu einer evangelischen Kirche geweiht worden. Hier fanden Theateraufführungen, Konzerte, Gottesdienste und Lesungen für die Kriegsgefangenen statt. Die Innenausstattung der Halle wurde von den Gefangenen selbst gestaltet, was den Bau zu einem einzigartigen kunsthistorischen Ort in Frankfurt (Oder) macht.

Schwere Krankheiten und die Folgen immer schlechterer Ernährung kosteten mehrere Hundert Gefangene das Leben. Im Sommer 1915 wurde  in Lagernähe ein gesonderter Friedhof für sie angelegt, auf dem die Toten gemäß den Zeremonien ihrer Religion beigesetzt wurden. Die Friedhofsverwaltung registrierte die Verstorbenen systematisch, so dass heute ein geordnetes Register von 581 Namen nebst knappen biographischen Angaben existiert.

Der Friedhof wurde als eine regelmäßige Anlage von Gräberfeldern konzipiert, in deren Zentrum ein großes Holzkreuz auf steinernem Sockel stand. Die individuellen Grabmale wurden als Kreuze, Stelen und Tafeln aus einfachem Holz angefertigt, die Symbole der Religion der Toten und ihre Namen wurden hierauf eingraviert. Nach Kriegsende wurden die verstorbenen Gefangenen der westlichen Alliierten umgebettet, die Gräber der Männer, die in der kaiserlich russischen Armee gedient hatten, blieben. Ihre Pflege übernahmen deutsche staatliche Instanzen, die ihren nach internationalem Recht geregelten Pflichten bis 1944 nachkamen.

Seit 1920 existierte in unmittelbarer Nähe zu den Kriegsgräbern ein neu angelegter ziviler Friedhof, auf dem die Verstorbenen jener Siedlung bestattet wurden, die nach Kriegsende auf dem ehemaligen Lagergelände entstand. Als Frankfurt (Oder) kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges zur Festung erklärt wurde, legte die Wehrmacht Unterstände, Splitter- und Laufgräben im Umfeld des   Friedhofsgeländes an. In den letzten Kriegswochen und in der Not der ersten Nachkriegszeit wurden die hölzernen Überreste der Grabmale verfeuert. Um den verwüsteten Friedhof kümmerte sich niemand mehr, die Anlage geriet in Vergessenheit.

Im Jahre 1992 begann eine Bürgerinitiative damit, den überwucherten Kriegsgefangenenfriedhof in das Bewusstsein der Frankfurter zurückzuholen. Ein erster Schritt war hierbei die Erfassung der Daten aus den im Ersten Weltkrieg angelegten Totenlisten. Es gelang, einem großen Teil der Verstorbenen ihren Namen und ihre Identität zurückzugeben. In dieser Zeit wandelte sich auch das Geschichtsbewusstsein in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion: Der Erste Weltkrieg wurde zunehmend wieder zu einem Bestandteil der eigenen Nationalgeschichte. Es galt seither, die lange Zeit ignorierte Geschichte dieses Krieges aufzuarbeiten, seine Zeugnisse zu sichern und zu erforschen. Der über Jahrzehnte vernachlässigte Friedhof geriet nun auch in den Fokus von interessierten russischen Privatpersonen und Initiativen, bald widmete sich auch die Botschaft der Russischen Föderation diesem Thema. In einer Gemeinschaftsanstrengung vieler privater und öffentlicher Beteiligter konnte im November 2018 der Kriegsgräberfriedhof restauriert und der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Die Namenslisten der Toten werden in der Heilandskapelle verwahrt und sind dort auch der Forschung nach dem Schicksal der Verstorbenen zugänglich.  

   

Im Rahmen der Sanierung des Kriegsgefangenenfriedhofs wurde am Lehrstuhl für Kultur und Geschichte Mittel- und Osteuropas in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchengemeinde Frankfurt (Oder), dem Förderverein der Heilandskapelle Frankfurt (Oder) e.V. und weiteren  Partnerinstitutionen ein wissenschaftliches Projekt durchgeführt. Es wurde ein übersichtliches Register mit den Angaben zu 581 Kriegsgefangenen, die auf dem Friedhof in Gronenfelde beerdigt wurden, erstellt und teilweise ins Russische übersetzt. Die entstandenen Findbücher sollen es den Familienmitgliedern der in Frankfurt (Oder) gestorbenen Kriegsgefangenen und GeschichtswissenschaftlerInnen ermöglichen, Ahnenforschung zu betreiben und ihnen die wertvollen Informationen zugänglich machen.

  

Die Ergebnisse dieser Arbeit können Sie in folgenden Dateien finden:

Dokument 1. Namensliste der verstorbenen Kriegsgefangenen des Ersten Weltkrieges, die auf dem Friedhof für Kriegsgefangene in Frankfurt (Oder) beerdigt wurden.

In dieser Liste sind alle verstorbenen Kriegsgefangene in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Zu jeder Person werden drei Namensformen angegeben (Original aus dem Sterbebuch, Übersetzung ins Russische und wissenschaftliche Transliteration), die die Suche in weiteren Dokumenten erleichtern sollten.

Dokument 2. Findbuch zu den Kriegsgefangenen aus dem Russischen Reich mit detaillierten persönlichen Angaben (in der russischen Sprache)

Dokument 3. Auszüge aus Sterbebüchern des Standesamtes Frankfurt (Oder) von 1914 bis 1921 mit Angaben zu allen Kriegsgefangenen, die am Friedhof in Gronenfelde beerdigt wurden (in der deutschen Sprache)

Dokument 4. Übersichtliche alphabetische Namensliste der verstorbenen Kriegsgefangenen (wissenschaftliche Transliteration und (nach Möglichkeit) Übersetzung ins Russische)

   

Eine Einsicht in die gedruckten Findbücher ist in der Heilandskapelle in Frankfurt (Oder) möglich. Sie können sich diesbezüglich direkt an den Förderverein der Heilandskapelle Frankfurt (Oder) e.V. wenden: http://heilandskapelle.weebly.com

Die Originale der Sterbebücher befinden sich im Stadtarchiv Frankfurt (Oder).

   

Das Projekt wurde zwischen April und November 2018 realisiert.

Projektteam:

Prof. Dr. Werner Benecke (Leitung und wissenschaftliche Betreuung)

Veronika Dyminska (Transkribieren und Übersetzen)

Adrian Rafinski (Transkribieren und Übersetzen)