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Kulturgeschichte transnationaler Mobilität im östlichen Europa

Von Paris nach St. Petersburg und von Kaunas nach New York. Eine Kulturgeschichte transnationaler Mobilität im östlichen Europa

Bearbeiter: PD Dr. Jan Musekamp

Das lange 19. Jahrhundert war eine Zeit radikalen Wandels in allen Gesellschaftsbereichen. Zahlreiche Neuerungen leiteten eine Ära der zunehmenden Globalisierung ein. Diese Revolution in Transport und Kommunikation erreichte mit der Entwicklung eines europäischen Eisenbahnsystems ihren Höhepunkt. Das Forschungsprojekt stellt eine Kulturgeschichte der Mobilität im östlichen Europa dar. Ich richte mein Augenmerk auf die Königlich-Preußische Ostbahn als eines ausgezeichneten Beispiels für die Entstehung internationaler Transportnetzwerke vor dem Ersten Weltkrieg: Der erste Zug aus Berlin erreichte 1857 Königsberg (Kaliningrad). Vier Jahre später wurde die Ostbahn mit dem russischen Bahnnetz verknüpft. Fortan transportierte die Bahn Reisende, Güter und Ideen von Paris nach St. Petersburg/Moskau und vice versa.

Im Gegensatz zu früheren, nationalgeschichtlich orientierten Forschungen auf dem Feld der Mobilitätsgeschichte wird im Rahmen dieses Projekts der Einfluss der Eisenbahn auf die Entwicklung internationaler Netzwerke analysiert. Damit leistet das Projekt einen Beitrag zu einem wachsenden Zweig der Technikgeschichte, der die Rolle von Infrastrukturen für die Bedeutung europäischer Netzwerke in unterschiedlichen Bereichen von Gesellschaft und Wirtschaft untersucht. Forschungen dazu sind rar, insbesondere was Mittel- und Osteuropa und den Einfluss der grenzüberschreitenden Bewegung von Passagieren und Gütern  auf den Ideenaustausch und die Entwicklung von Auto- und Heterostereotypen betrifft. Dieses Desiderat gilt ganz besonders für den von mir gewählten interdisziplinären und transnationalen Ansatz, der  sich Methoden der Sozial- und Kulturwissenschaften bedient.

Meine Forschung richtet sich auf den Einfluss der grenzüberschreitenden Bahnverbindungen in drei Feldern. Auf einer ersten Ebene wird die Mobilität der Eliten zwischen St. Petersburg, Warschau, Berlin und Paris untersucht, die mit den grenzüberschreitenden Eisenbahnverbindungen eine rapide Entwicklung erlebte. Auf einer zweiten Ebene untersuche ich das preußisch/deutsch-polnisch/russische Grenzgebiet, das sowohl als „Transitraum“ als auch als eigenständiger Raum mit vielfachen Verflechtungen beschrieben werden kann. Auf einer dritten und letzten Ebene schließlich wird die Ostbahn als Beispiel genommen für die von der Transportrevolution begünstigte transatlantische Massenemigration aus dem Russischen Reich. Dabei ist immer auch das sich wandelnde preußisch/deutsch-polnisch/russische Verhältnis als Hintergrundfolie der Entwicklungen zu berücksichtigen.