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03: Morgens hin, abends zurück - Rano wyjazd, wieczorem powrót

03-01-Erkner - Flakenflie├ƒ Dampfer ©Sammlung des Historischen Stadtarchivs Erkner

Die Dampferstation unmittelbar am Bahnhof Erkner um 1910. Schon ab 1843 nutzten viele BerlinerInnen die günstige Verbindung zu den Wäldern und Seen um Erkner zur Naherholung. Aber auch immer mehr EinwohnerInnen und Zugezogene in den Nachbarorten fanden z.B. durch die 1876 gegründete „Rüdersdorfer Dampfschifffahrts-Aktien-Gesellschaft“ die Möglichkeit für Fahrten nach Berlin.

[Sammlung des Historischen Stadtarchivs Erkner]

Anzahl der jährlich beförderten Personen im gesamten Bereich des Berliner Stadt-, Ring- und Vororttarifs (ab 1890 inklusive Vorortverkehr):

1882 10,6 Mio.
1885 20,1 Mio.
1887 30,7 Mio.
1890 63,5 Mio.
1892 87,7 Mio.
1893 103,7 Mio.
1895 135,6 Mio.
1896 157,0 Mio.
1898 169,7 Mio.
1900 184,7 Mio.
1903 198,0 Mio.
1905 225,2 Mio.
1907 268,1 Mio.
1910 309,1 Mio.
1913 340,7 Mio.

[Erich Giese: Das zukünftige Schnellbahnnetz für Groß-Berlin, Berlin 1919, S. 237 ff.]

03-G1-Erkner - Bahnhof, vor 1900 ©Sammlung des Historischen Stadtarchivs Erkner

Der alte Bahnhof Erkner vor 1900. Er gehörte seit der Eröffnung der Berlin-Frankfurter Eisenbahn 1842 zu den „Stationen“ mit fahrplanmäßigem Halt. Erkner fand den größten Zuspruch im Vergleich zu anderen Ausflugszielen, so dass das Stationsgebäude schon 1843 erheblich erweitert werden musste.

[Sammlung des Historischen Stadtarchivs Erkner]

03-G2-Erkner - Bahnhof, nach 1902 ©Sammlung des Historischen Stadtarchivs Erkner

Der neue Bahnhof Erkner von 1902 mit Biergarten auf dem Vorplatz. Die Anlage des zusätzlichen Doppelgleises für die Vorortbahn nördlich der bisherigen Gleise erforderte auch die Errichtung neuer Bahnhöfe zwischen Berlin und Erkner, wo die Strecke in diesem Kopfbahnhof endete.

[Sammlung des Historischen Stadtarchivs Erkner]

Die Anfänge des Nah- und Pendelverkehrs

Am 28. Mai 1843 begann mit der Berlin-Frankfurter Eisenbahn die Erschließung des Berliner Ostens für die Naherholung. Aber bis zur Massentauglichkeit für das tägliche Berufspendeln dauerte es noch gut 50 Jahre!

Bereits ein gutes halbes Jahr nach ihrer Eröffnung setzte auf der Berlin-Frankfurter Eisenbahn ein Prozess ein, der für deren Begründer noch außerhalb jeder Planung lag. Während die Entwicklung des Güterverkehrs auf der Gesamtstrecke enttäuschte — bis Ende 1843 konnte nur etwa ein Viertel der erwarteten Transportmenge von der Straße auf die Schiene gelockt werden — gestaltete sich der Personenverkehr deutlich besser. Statt der erhofften 61.000 Passagiere wurden 1843 fast 495.000, also gut achtmal so viele, befördert. Natürlich gab es zwischen Berlin und Frankfurt die meisten Fahrgäste, aber mit knapp 106.000 waren dies nur gut 21 %. Speziell in Berlinnähe gab es erstaunliche Effekte. Allein nach Köpenick und zurück wurde mit 61.137 die ursprünglich insgesamt erwartete Passagierzahl erreicht. Hier begann also eine Art Nahverkehr zwischen den ca. 11 km entfernten Orten. Statt mit den bisherigen zwei Postkutschen pro Woche in rund zwei Stunden konnte man das Städtchen jetzt dreimal täglich in gut 20 Minuten erreichen — und kam am selben Tag sogar zurück!

Selbst das 25 km entfernte winzige Erkner mit damals vielleicht 300 Einwohnern profitierte von dieser Nähe zu Berlin. Mit 23.000 Fahrgästen nutzten diese Station fast so viele wie die in Fürstenwalde (26.000). Gerade in Erkner wirkte sich dabei eine besondere Einrichtung aus, mit deren so großen Erfolg wohl niemand gerechnet hatte:

Ende Mai 1843 warb die Eisenbahngesellschaft mit Aushängen und in Zeitungen für Sonderzüge ab dem 28. Mai. Diese sollten an jedem Sonntag (zunächst auch mittwochs) für „Vergnügungsfahrten“ bis nach Erkner dienen. Zu ermäßigten Preisen verließen sie ca. um 14 Uhr Berlin und fuhren um 21 Uhr zurück ab Erkner. In Friedrichshagen und Erkner wurden Kähne und Gondeln zu günstigen Preisen bereitgestellt, die die Gäste in die Natur bringen konnten. Dies muss so erfolgreich gewesen sein, dass gleich für das folgende Pfingstwochenende auch am Montag diese Fahrt angeboten wurde. Schnell ergriff der Wirt der „Bahnhaus-Restauration zu Erkner“ die Gelegenheit und annoncierte für diese Fahrten mit besonderer Beköstigung und Konzerten. Da der Bahnhof nur wenige Meter vom Wasser entfernt liegt, entstanden dort entlang des Flakenfließes bald weitere Lokale und Unterkünfte. In der bisherigen Schiffersiedlung mit nur wenigen Bauern hielt der „Fremdenverkehr“ Einzug und wurde zur neuen Erwerbsquelle. Viele Berliner entdeckten das östliche Umland als Sommerfrische. Aus der Enge und Hitze der Industriestadt kommend fanden sie hier in 50 Minuten Entfernung Nah-Erholung. Zwar konnte man auch nach Köpenick und Friedrichshagen diesen Sonderzug nutzen, aber Erkner fand mit über 7.000 Gästen schon 1843 den größten Zuspruch, so dass im Jahresbericht der Eisenbahn von Anfang 1844 vermerkt wurde: „Zu Erkner hat der Besuch des Publikums bei Gelegenheit der Vergnügungsfahrten im Sommer … einen Anbau am Hauptgebäude nothwendig gemacht“, der gleich noch durch eine Wartehalle ergänzt werden musste. In den folgenden Jahren wurden diese Fahrten fester Bestandteil der Sommerfahrpläne.

Trotz des Anfangserfolges nahm in den kommenden Jahren der Zuspruch der Fahrgäste auf der Gesamtstrecke zunächst etwas ab oder stagnierte, die anfängliche Neugierde reichte nicht für ein stetiges Wachstum aus. Lediglich zu den Messezeiten in Frankfurt waren die Kapazitäten der Bahn ausgeschöpft, sodass für diese drei Wochen sogar die Sonderzüge nach Erkner ausfielen.

Für häufige oder gar tägliche Nutzung war das System Bahn noch nicht ausgereift. Die Zugfolge war zu gering, die Fahrzeiten zu lang und die Preise zu hoch. Es fehlte noch jede Vernetzung, nicht nur in Frankfurt, auch in Berlin gab es keine Verbindungen zwischen den zunächst vier Kopfbahnhöfen, die gleichzeitig Zollstationen waren — also zumindest Zeit kosteten. Die Fahrpläne der Bahnen waren nicht abgestimmt und fehlende Nachtfahrten unterbrachen auf langen Strecken das Fortkommen.

Erst nach der Übernahme der Berlin-Frankfurter durch die Niederschlesisch-Märkische Eisenbahngesellschaft 1845 und der Inbetriebnahme der Strecke Frankfurt-Breslau 1846, wodurch ab 1846/47 sogar Wien erreicht werden konnte, verschwanden einige der letztgenannten Hindernisse.

In den 1850er Jahre wurden die Fahrzeiten deutlich kürzer. Während anfangs die schnellsten Züge 2:45 Std. zwischen Berlin und Frankfurt brauchten, waren es 1854 nur 1:30 Std. Dieser Schnellzug machte jedoch auch nur in Fürstenwalde einen Zwischenstopp. Nach der Eröffnung des zweiten Gleises 1857 konnte allmählich die Zahl der Züge erhöht werden. Erste Vorortzüge fuhren zwischen Berlin und Erkner, manche dann auch bis Fürstenwalde. Etwa seit Anfang der 1870er Jahre ließen sich vermehrt Berliner in den Vororten mit Bahnanschluss nieder, speziell die „Sommerfrischler“, die nicht täglich zur Arbeit nach Berlin mussten, wie z.B. der Klavierfabrikant Carl Bechstein mit seiner Sommerresidenz am Dämeritzsee in Erkner oder ab 1885 Gerhart Hauptmann.

Der wirkliche Durchbruch des Berufspendelns zwischen Wohn- und Arbeitsort als tägliches Massenphänomen trat aber erst Anfang der 1890er Jahre ein. Die Millionenmetropole musste entlastet werden. Mit der Einführung des Berliner Vororttarifs 1891 wurden die Fahrpreise bis 20 km in drei Entfernungszonen neu festgelegt, so dass sie etwa halbiert waren. Erst darüber galt ein ermäßigter Kilometerpreis. Wochen- oder Schülerkarten führten zu weiteren Ermäßigungen. Dieser Tarif galt z.B. im Osten Berlins bis Strausberg, Rüdersdorf und Fürstenwalde. Die Vororte wuchsen kräftig, neue Orte entstanden, was auch die neu angelegten Bahnhöfe, wie Karlshorst oder Wilhelmshagen an unserer Linie, zeigen. Auch die Industrie folgte diesen Strecken, mit der „Randwanderung“ erschloss sie neue Standorte im Berliner Umland.

Der jetzige Zustrom an Pendlern konnte jedoch nur durch eine starke Erhöhung der Zugfrequenz bewältigt werden, was den Ausbau der bisher zweigleisigen Linien erforderte. Bis 1902 wurde zwischen Berlin und Erkner ein zweites, separates Gleispaar nur für die Vorortzüge verlegt, was mindestens den 10-Minuten-Takt ermöglichte — die Anfänge der heutigen S-Bahn.

Berlin dehnte sich immer deutlicher sternförmig entlang der Bahnlinien ins Umland aus. Das massenhafte Berufspendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort wurde Alltag.

 03-02-Vergnu╠êgungsfahrten 1843 ©Vossische Zeitung

Ankündigung von Vergnügungsfahrten, Vossische Zeitung vom 25.05.1843.

Quellen und Literatur

Bericht der Berlin-Frankfurter Eisenbahn-Gesellschaft erstattet zur Generalversammlung der Actionäre am 15. April 1844, Berlin 1844.

Berlin und seine Eisenbahnen 1846-1896, Bd. 1, Berlin 1896.

Bley, Peter: 150 Jahre Eisenbahn Berlin - Frankfurt/Oder, Düsseldorf 1992.

Demps, Laurenz: Der Schlesische Bahnhof in Berlin, Berlin 1991.

Krause, Falko: Die Stadtbahn in Berlin: Planung, Bau, Auswirkungen, Hamburg 2014.

Retzlaff, Frank: Ein Bahnhof für 300 Einwohner? Aus 175 Jahren Eisenbahn Berlin - Erkner - Frankfurt. In: Kreiskalender Oder-Spree 2018, Beeskow 2017 (Fortsetzung erscheint Ende 2018).