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07: Grenzen überwinden - Pokonać granice

07-01-Bild183-F0407-0021-001 ©Bundesarchiv / Fotograf: Jürgen Bloßfeld

Güterverkehr am Bahnhof Frankfurt (Oder) im Jahr 1967. Hier werden polnische Kohle, sowjetisches Erz und sowjetische Moskwitsch-PKW eingeführt. Der Bahnhof diente als Übergabe- und Übernahmestelle für Reisezüge zwischen der Deutschen Reichsbahn (DR) und der polnischen Staatsbahn (Polskie Koleje Państwowe, PKP). Güterzüge wurden am Bahnhof Oderbrücke übergeben beziehungsweise übernommen.

[Bundesarchiv, Bild 183-F0407-0021-001 / Fotograf: Jürgen Bloßfeld]

07-02--Ubersetzung-Befehle ©Detlef Malzahn

Ein Notizzettel mit der Übersetzung der wichtigsten Redewendungen ins Polnische (Lautschrift), vereinfachte die deutsch-polnische Zusammenarbeit am Umspannbahnhof Oderbrücke. Die Übersetzung der Redewendungen wurde zur Übermittlung der Arbeitsaufträge über Lautsprecher benötigt.

[Fotograf: Delef Malzahn]

07-04-Bibelschmuggel-image-637622-galleryV9-ktri-637622 ©Sammlung Gernot Friedrich

Der Pfarrer Gernot Friedrich schmuggelte zwischen 1968 und 1989 insgesamt 150 Bibeln über Polen in die Sowjetunion. Er stand unter ständiger Beobachtung durch die Stasi, seine Bibeln wurden jedoch nur einmal konfisziert.

[Sammlung Gernot Friedrich]

07-03-Internationale-Reisezugverbindungen-FFO-1981-Schmidt-Wir_Eisenbahner-2 ©Dietrich Schmidt

Das Streckennetz um Frankfurt (Oder) 1981. Als Grenzstadt trug Frankfurt (Oder) eine der Hauptlasten des internationalen Zugverkehrs der DDR.

[Dietrich Schmidt: Wir Eisenbahner am Oderstrom. Aus der Geschichte des Bahnbetriebswerkes und des Dienstortes der Deutschen Reichsbahn in Frankfurt (Oder), Teil 2, Frankfurt (Oder) 1982.]

07-G1-KunowiceStationBuilding-2012-wikipediacommons ©Wikimedia Commons

Die Grenzorte der Volksrepublik Polen im Westen (hier Kunowice/Kunersdorf) und im Osten (Terespol) erhielten Mitte der 1960er Jahre nahezu baugleiche repräsentative Bahnhöfe zur Personenabfertigung.

[Wikimedia Commons]

07-Bahnhof-Oderbrucke-1988-Frank_Lammers ©Frank Lammers

Gleisplan des Bahnhofs Oderbrücke von 1988. Die deutschen Reichsbahner waren auch für den Unterhalt des Vorsignals auf polnischem Staatsgebiet zuständig (ganz rechts im Bild), was mitunter zu Problemen beim Grenzübertritt führte.

[Sammlung Frank Lammers]

Der Bahnverkehr zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Frankfurt (Oder) Grenzstadt. Durch die neue Grenzziehung kam es zunächst zu erheblichen Schwierigkeiten im Bahnbetrieb. Die neuen Grenzbahnhöfe waren auf den Richtungswechsel nicht eingestellt und hatten nicht die nötigen Kapazitäten, um die neue Aufgabe zu bewerkstelligen. Güter- und Personenbahnhof in Frankfurt (Oder) mussten nun plötzlich eine der Hauptlasten des Grenzverkehrs tragen. Über die Stadt verlief nämlich nicht nur ein Großteil des grenzüberschreitenden Güterverkehrs, sondern auch eine Hauptroute des internationalen Reiseverkehrs. Darüber hinaus wurden in Frankfurt die sowjetischen Militärtransporte abgewickelt.

Um den Grenzverkehr besser bewältigen zu können, wurde im Jahr 1950 der Bau eines dritten Bahnhofes, des Bahnhofs Oderbrücke, begonnen. Dieser diente ab 1954 als Übergabe- und Übernahmestelle für Güterzüge zwischen der Deutschen Reichsbahn (DR) und den polnischen Polskie Koleje Państwowe (PKP). Reisezüge wurden von der PKP beziehungsweise DR am Personenbahnhof übergeben oder übernommen.

Die Zusammenarbeit zwischen den deutschen und polnischen Eisenbahnern an der Grenze stellte zu Beginn eine Herausforderung dar. Der Zweite Weltkrieg hatte seine Spuren hinterlassen und wirkte sich auch auf das Arbeitsklima zwischen den Eisenbahnern aus.

Mit der Grenzöffnung im Jahr 1972 verbesserte sich das Verhältnis zwischen deutschen und polnischen Eisenbahnern. Während der Kontakt zuvor jahrelang auf das Telefon beschränkt war, konnten sich die Eisenbahner nun auch persönlich kennenlernen. Dabei entstanden über die Arbeit hinaus freundschaftliche Kontakte zwischen ihnen. Die Kommunikation unter den Eisenbahnern fand meist auf Deutsch statt. Während nämlich viele der polnischen Eisenbahner Deutsch sprachen, war es um die Polnisch-Sprachkenntnisse der deutschen Eisenbahner nicht so gut bestellt.

Die Grenzöffnung 1972 hatte jedoch nicht nur Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen den Eisenbahnern. Die Einführung des visafreien Reiseverkehrs zwischen der DDR und der Volksrepublik Polen, führte auch zu einem Anstieg der Nachfrage nach grenzüberschreitenden Zugfahrten. Es mussten daher mehr Reisezüge zwischen den beiden Ländern eingesetzt werden. Dies hatte zur Folge, dass der Bahnbetrieb in Frankfurt (Oder)  nun ein noch größeres Pensum bewältigen musste.

Die Kooperation zwischen der DR und der PKP wurde 1973 weiter vertieft. Die Strecke von Posen bis nach Berlin und zurück wurde seither ohne Lokwechsel durchgehend von deutschem oder polnischem Personal befahren. Ein Lotse diente dabei als Führer und Betreuer im Nachbarland. Diese grenzüberschreitende Bespannung der Züge wurde jedoch 1980 wieder aufgeben und der visafreie Reiseverkehr zwischen beiden Ländern ausgesetzt. Grund dafür war, dass die polnische Demokratiebewegung Solidarność von der politischen Führung der DDR als Bedrohung für das eigene Land gesehen wurde.

Der grenzüberschreitende Zugverkehrt bot für viele Passagiere neue wirtschaftliche Möglichkeiten. Viele Passagiere nutzten die Züge für geschäftliche Zwecke. Die Bahnstrecke von Berlin nach Warschau und zurück wurde im Laufe der Jahre eine regelrechte Handelsroute. Viele Reisende waren Schmugglerinnen und Schmuggler, die zwischen den Ländern pendelten.

Zu Beginn waren es vor allem polnische Arbeiterinnen und Arbeiter, die am Wochenende zurück nach Polen fuhren und Waren mitnahmen, um sie dort zum doppelten Preis zu verkaufen. Von dem Geld kauften sie wiederum polnische Waren, die sie dann wieder zu einem höheren Preis in der DDR verkauften. Auf diese Weise konnten sie ihren Monatslohn um ein vielfaches aufstocken. Die Waren mussten auf einer Karte, die szmuglerka (Schmugglerin) genannt wurde, angegeben werden. Die Arbeiterinnen und Arbeiter durften Waren in Höhe eines Monatslohnes zum Eigenbedarf ausführen. Da die Züge meist überfüllt waren, wurden die Karten jedoch nur selten kontrolliert. Weitere, auf der Karte nicht angegebene Güter, wurden geschmuggelt. Das Schmuggelgut wurde entweder von den Reisenden in den Decken der Züge, den Bänken, den Mülleimern und in den Toiletten versteckt, oder man tauschte die Waren vorübergehend untereinander. Nachdem der Zug die polnische Grenze überquert hatte, tauschte man die Waren wieder zurück. Die Zugstrecke von Berlin nach Warschau wurde für den Schmuggel bekannt. Der Zug wurde in Polen daher auch przemytnik, Schmugglerzug, genannt.

Bis zur Einführung der Reisefreiheit zwischen Polen und dem wiedervereinigten Deutschland war die Gruppe der Schmugglerinnen und Schmuggler auf einen kleinen Kreis von Personen beschränkt, da nicht alle Menschen nach Westberlin reisen konnten. Neben Gelegenheitsschmugglerinnen und -schmugglern, Schwarzarbeiterinnen und-arbeitern, unregelmäßig Reisenden waren dies auch Profis, die im Besitz eines Konsularpasses waren. Die Besitzerinnen und Besitzer eines solchen Passes machten das Schmuggeln meist zu ihrem Beruf und pendelten regelmäßig auf der Strecke Berlin – Warschau. Aus Polen brachten sie Waren wie Zigaretten, Wodka, Bernstein, Silber, Textilien, Lederwaren und Pelze mit. Da der Schmugglerzug für den DDR-Binnenverkehr gesperrt war, fuhren nur selten Reichsbahn-Schaffnerinnen und Schaffner auf der Strecke, die die Reisenden kontrollierten. Die polnischen Schaffnerinnen und Schaffner kümmerten sich nicht um die Schmugglerinnen und Schmuggler. Während die Ausfuhr von Waren aus Polen verboten war, galt die Einfuhr als patriotisch. Durch die relativ geringe Zahl der Schmugglerinnen und Schmuggler zu dieser Zeit und die seltenen Kontrollen war das Geschäft sehr lukrativ.

Dies änderte sich mit der Einführung der Reisefreiheit nach 1989. Berlin war nun visumfrei erreichbar. Immer mehr Leute stiegen in das Schmuggelgeschäft ein. Durch die wachsende Konkurrenz sanken die Preise für die Waren. Der Gewinn war aber immer noch so hoch, dass sich die Reise lohnte. Die Schaffnerinnen und Schaffner griffen bei den Kontrollen nun zwar härter durch, eine missglückte Reise war jedoch noch kein Ruin. Man konnte die Reise nun ja beliebig oft wiederholen, um zum finanziellen Erfolg zu gelangen. Während die Reisenden ihre Waren zuvor über Netzwerke und Läden verkauften, wurden die Güter nun auf Polenmärkten zum Verkauf angeboten. Die Züge waren aufgrund der großen Anzahl von Schmugglerinnen und Schmugglern nun so überfüllt, dass sich die Reisenden in Gruppen von vier bis acht Personen zusammenfanden, um einen Platz für sich und ihre Waren zu ergattern. Zwei Leute passten auf die Güter auf, die anderen versuchten einen Platz zu besetzen.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands verschwanden die alteingesessenen Schmugglerinnen und Schmuggler aus dem Zug. Die Reise lohnte sich für viele Waren nicht mehr, da die Waren nun von Firmen legal über die Grenzen gebracht werden konnten.

 

Literatur:

Irek, Małgorzata: Der Schmugglerzug. Warschau – Berlin – Warschau. Materialien einer Feldforschung. Berlin: Das Arabische Buch, 1998.

Kuhlmann, Bernd: Eisenbahnen über die Oder-Neiße-Grenze. Pürgen: Ritzau KG - Verlag Zeit und Eisenbahn, 2004.

Politische Abteilung des Reichsbahnamtes Frankfurt (Oder) (Hrsg.): Wir Eisenbahner am Oderstrom. Aus der Geschichte des Bahnbetriebswerkes und des Dienstortes der Deutschen Reichsbahn Frankfurt (Oder). Teil 2. Frankfurt (Oder): Druckerei „Neuer Tag“, 1982.

Detlef Malzahn (Frankfurt/Oder), vormals Betriebsbezirksleiter Deutsche Bahn Netz, zur Veränderung des Verhältnisses zwischen deutschen und polnischen Eisenbahnern, 1960er-1970er Jahre

Zbigniew Miler (Gorzów Wlkp.), vormals Lehrer, zu einer Zugfahrt während des Kriegszustandes Anfang der 1980er Jahre

Schmuggel zwischen DDR und Polen, späte 1970er (Anonym)

Grażyna Kostkiewicz-Górska, Ethnologin, Wojewodschafts- und Städtische Bibliothek in Gorzów Wlkp., zur Lebensmittelversorgung per Bahn während der Studienzeit, 1980er Jahre