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Tschechen und Deutsche

Schlaglichter einer Nachbarschaft

3/6/9 ECTS
Seminar:  MEK Mittel- und Osteuropa als kultureller Raum // KGMOE Räume – Grenzen – Metropolen // MASS Migration, Ethnizität und Ethnozentrismus // MES
Dienstag, 9.15 - 10.45 Uhr, Ort. LH 001, Veranstaltungsbeginn: 12.04.2016

Im tschechischen Präsidentschaftswahlkampf von 2013 waren es wahrscheinlich die Sudetendeutschen, welche über den Wahlausgang entschieden. Während der Kandidat Karel Schwarzenberg in der Stichwahl die Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei nach dem Zweiten Weltkrieg als Menschenrechtsverletzung bezeichnete, konnte sein Gegner Miloš Zeman mit einer gezielten antideutschen Kampagne letztlich den Sieg erringen. Dieses Beispiel zeigt, auf welche historischen Ereignisse sich die heutige Sicht von Deutschen und Tschechen gemeinhin reduziert, nämlich auf die Auflösung der Tschechoslowakei 1938/39 und die Vertreibung der Deutschen nach 1945. Dieser verengte Blickwinkel ist typisch für den Umgang mit einer Nachbarschaft, die seit dem Mittelalter bestand und meistens mehr Kooperation als Konflikt mit sich brachte.
Im Seminar wird die deutsch-tschechische Beziehungsgeschichte anhand verschiedener Schlüsselereignisse analysiert. Beleuchtet werden die deutschsprachige Besiedlung seit dem 12. Jahrhundert, Böhmen als Teil des Heiligen Römischen Reiches und die legendäre Schlacht am Weißen Berg 1620. Von zentraler Bedeutung ist das Jahr 1848, als tschechisch-deutsche Gegensätze verstärkt aufbrachen, die Wien jedoch nur zögerlich mit der Gewährung stärkerer Autonomie beantwortete. Die Gründung eines Staates der Tschechen und Slowaken 1918 erfolgte zwar gegen deutschen Widerstand, trotzdem waren böhmisch-deutsche Parteien bis 1938 an der Regierung beteiligt. Erst deutsche Besatzung und Vertreibung der Deutschen setzten dieser engen Nachbarschaft ein Ende.

Literatur: Begegnung und Konflikt. Schlaglichter auf das Verhältnis von Tschechen, Slowaken und Deutschen, 1815-1989, hrsg. von Jörg K. Hoensch und Hans Lemberg, Essen 2001; Jörg K. Hoensch: Geschichte Böhmens. Von der slavischen Landnahme bis zur Gegenwart, Vierte Auflage München 2013; Jeremy King: Budweisers into Czechs and Germans. A Local History of Bohemian Politics, 1848-1948, Princeton 2002.
Teilnahmevoraussetzungen: Gute englische Lesekenntnisse
Hinweise zur Veranstaltung: Es ist eine Exkursion ins böhmische Berlin (Rixdorf) geplant.
Leistungsnachweis: Essay, Referat und Hausarbeit