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Sommersemester 2000

 

Chołuj/Buchowski: Auf der Suche nach neuen Identitäten - Aufbruch in Polen

In einer sog. Transformationsgesellschaft zu leben, heißt für Individuen und Gruppen oft, auf Identitätssuche zu sein. Viele Polen erleben den Alltag als permanenten Verwandlungsprozeß ihrer kulturellen Umwelt; einerseits die Konfrontation mit westlichen Diskursen, Kulturerscheinungen und Werten, andererseits die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit im Sozialismus Verdrängtem. Manche reagieren auf die neue Zeit mit dem Versuch größtmöglicher Anpassung, andere wiederum mit der Rückbesinnung auf alte Traditionen. In der Vortragsreihe sollen Einblicke in die sozialen Veränderungsprozesse aus historischer, anthropologischer, theologischer und soziologischer Perspektive gegeben werden.

 

Chołuj: Kultur und Geschichte Mitteleuropas in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts

Im Zentrum des Seminars steht Mitteleuropa, so wie es ausgewählte Schriftsteller in Texten über Polen charakterisieren. Indem sie zu den wichtigsten historischen und politischen Phänomenen in diesem Lande Stellung beziehen, verarbeiten sie nicht nur ihre Begegnung mit diesem Land, sondern situieren es in einem bestimmten mitteleuropäischen Kontext. Entweder sehen sie Polen in permanenter Gefahr seitens Rußland, wie es Horst Bienek macht, oder erzählen über diesen Staat als einen Bestandteil der europäischen Ränder, wie es Hans Magnus Enzensberger tut. Sehr interessant erscheinen ein Polen-Buch des Dänen Georg Brandes oder Döblins "Reise in Polen", wo Polen als kulturelles Gelenkstück zwischen dem Westen und Osten dargestellt wird. Das Ziel des seminars ist die Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Polen und Mitteleuropa in bezug auf den Integrations- bzw. Reintegrationsprozeß, an dem sich die Schriftsteller mit ihren Texten beteiligen, in welchen sie die imaginative Welt der künstlerischen Phantasie verlassen und sich auf das unsichere historisch-politische Terrain begeben. Begleitend zu der Primärliteratur werden wir uns auch mit demzeitgenössischen Mitteleuropa-Diskurs aus dem Bereich der Politik, Geschichte und Sozilogogie bekannt machen

 

Chołuj/Hübinger: Führer- und Personenkult in Politik und Literatur des 20. Jahrhunderts

Das 20. Jahrhundert begann einerseits als Zeitalter des Rechts, der Bürokratie und der anonymen "Versachlichung" aller sozialen Beziehungen. Im Gegenzug wurden politische Persönlichkeiten "charismatisiert", es wurden ihnen außergewöhnliche Macht von religiöser Qualität zugesprochen, um politische Krisen zu bewältigen. In der Folge des Ersten Weltkrieges sind Lenin, Mussolini, Hitler, Pilsudski oder Stalin solche Qualitäten zugesprochen worden. Untersucht werden sollen die politischen Funktionen und die literarischen Ausdrucksformen des Führerkults und der Heldenverehrung, die sie erfahren haben. Dazu sollen historisch - politische und literaturwissenschaftliche Methoden miteinander verbunden werden.

 

Räther: Die Außenpolitik Polens nach 1989 - Grundlagen, Akteure, Strategien

Die geopolitische Lage Polens hat sich während des letzten Jahrzehnts grundlegend gewandelt. Das Land avancierte von einem Mitglied des Warschauer Pakts zum NATO-Mitglied und ist heute Anwärter auf den EU-Beitritt. Doch neben dieser gegenwaertigen eindeutigen Westorientierung gibt es weiter zurückreichende historische Bestimmungsfaktoren von Aussenpolitik, welche die Diskussion um Polens Rolle im zukünftigen Europa durchaus beeinflussen. Neben den historischen Einftüssen werden wir uns mit den institutionellen Rahmenbedingungen polnischer Aussenpolitik befassen, d.h. wie die Kompetenzen zwischen Präsident, Regierung und Parlament in diesem Politikfeld verteilt und welche Personen federführend beteiligt sind. Dies führt schließlich zu der Frage, welche - eventuell divergierende - aussenpolitischen Strategien es gibt, und zwar sowohl im Hinblick auf Polens Mitarbeit in internationalen Organisationen als auch den wichtigsten Bilateralismen.