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Wintersemester 2000/01

 

Chołuj: Lebende Geschichte Polens

In diesem Semester wende ich mich der Geschichte der polnischen Linken zu und versuche nach Gründen zu fragen, warum die Auseinandersetzung mit der kommunistischen Vergangenheit in Polen auf so viele Hindernisse trifft. "Schlußstrich", politische Lustration, Gründung des Institutes für Nationales Gedächtnis, das wären nur einige Stolpersteine auf dem Wege dieser Auseinandersetzung. Die polnische Linke war vor dem Zweiten Krieg sehr interessant. Es gab PPS (Polnische Sozialistische Partei), den jüdischen "Bund", Kontakte der polnischen Sozialisten mit den deutschen Anarchisten u.a.m.. Diese ganze Palette ist nach 1945 verlorengegangen. Die zentralistische Regierung konnte mit dieser Vielfalt nichts anfangen. Wieweit hat der Kommunismus der Nachkriegsjahre die polnische Linke, etwa die PPS verändert? Wodurch hat sich die polnische Linke von der linken Bewegung im Westen und im Osten unterschieden? Warum konnte die Idee vom polnischen Weg des Sozialismus im Programm des Parteisekretärs Edward Gierek als eine politische Lösung in den 70er Jahren verstanden werden? Inwiefern können wir von sozialistischen Affinitäten der polnischen Opposition der 80er Jahre sprechen? Diese und andere Fragen bilden den Leitfaden der Vorlesung.

 

Chołuj/Ebert/Trebisz: Nationale Identität und Geschlechteridentität in der Literatur

Nation und Geschlecht als Identitätskonzepte sind miteinander so sehr verbunden, daß man nicht mehr sagen kann, welches von ihnen primär ist. Männern und Frauen werden im Kontext der homogenen Nation geschlechtsspezifische Rollen zugeschrieben, die gleichzeitig eine politische Bedeutung haben. Der männliche Held, der Kämpfer, die Mutter Polin, die Soldatenmutter sind nur wenige Beispiele für Verflechtungen dieser Art. An literarischen Texten wird der Umgang mit diesen beiden Identitäten und ihr Verhältnis der genannten Identitätskonzepte zueinander untersucht. Wir werden verfolgen, wie die Literatur zur Reproduktion beiträgt und welche Freiräume sie für Aktivitäten beider Geschlechter in Anlehnung an den jeweils aktuellen nationalen Diskurs imaginiert. Da wir neben den noch auszuwählenden polnischen, russischen und deutschen Texten auch amerikanische Werke berücksichtigen, werden wir ebenfalls auf die Konstituierung der Geschlechtsidentität in bezug auf die Ethnie analysieren können.

 

Räther: Europastrategien mitteleuropäischer Staaten im Vergleich

Der Prozess der Erweiterung der Europäischen Union (EU) um die Länder Ostmitteleuropas geht nach einer Zeit eher unverbindlicher Absichtserklärungen nun in seine entscheidende Phase. Die Diskussionen zwischen den Beitrittskandidaten und der EU werden sehr kontrovers geführt und auf beiden Seiten wächst das Bewusstsein für die Tragweite der Auswirkungen dieser angestrebten Beitritte. Die Regierungen der Beitrittskandidaten stehen vor der doppelten Aufgabe, zum einen die EU von der Beitrittsfähigkeit ihres Landes zu überzeugen und zum anderen der immer skeptischer werdenden Bevölkerung die Notwendigkeit der entstehenden sozialen Kosten zu vermitteln. Wie dies auf sehr verschiedene Arten und mit unterschiedlichem Erfolg in den einzelnen Ländern wie Polen, Tschechien, Ungarn oder Estland geschieht, soll im Seminar untersucht werden. Dabei sollen sowohl historische Bestimmungsfaktoren der heutigen politischen Kulturen dieser Länder als auch die aktuellen europapolitischen Diskurse analysiert werden.