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Julian Irlenkäuser "Das türkische Militär und die (Re)Konstruktion hegemonialer Männlichkeit“

Das türkische Militär und die (Re)Konstruktion hegemonialer Männlichkeit

Neben Aserbaidschan ist die Türkei der einzige Mitgliedstaat des Europarats, welcher eine Gesetzgebung zur Kriegsdienstverweigerung vermissen lässt. Trotz mehrer Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte weigert sich die türkische Regierung nach wie vor vehement, eine legale Alternative zur allgemeinen Wehrpflicht für männliche Staatsbürger in die Wege zu leiten. Dieser Vehemenz (scheinbar) zum trotz, geistern in den letzten Jahren in zunehmender Anzahl Berichte über skurrile Ausmusterungspraktiken des türkischen Militärs durch die Medien: wer mittels Photo- oder Videomaterial, welches einen als passiven Part im Sexualakt mit einem gleichgeschlechtlichen Partner zeigt, die Militärärzte von seiner 'wahren Homosexualität' überzeugen kann, wird auf Grundlage einer 'psychosexuellen Störung' (psikoseksuel bozukluk) ausgemustert. Diese, auch aus anderen Ländern bekannte, Praxis, Homosexuelle als 'nicht tauglich' auszumustern, führt uns unumgängliche zu der Frage nach dem warum?

Unter Bezugnahme aktueller Theorien aus den Gender Studies, vornehmlich aus der sogenannten kritischen Männerforschung, wird der Vortrag die zentrale Position des Wehrdienstes für die (Re)Konstuktion hegemonialer Männlichkeit in der Türkei nachzeichnen. Es soll dabei insbesondere Augenmerk auf die Grenzziehung zwischen tauglich/untauglich - im Sinne von 'männlich'/'unmännlich' - gelegt werden. Der Ausmusterungsprozess wird dabei als ein zentraler Ort für die gesellschaftliche (Re)Produktion eines spezifischen militärisch-medizinischen Diskurses über den 'homosexuellen Körper' analysiert.

SKRIPT des Vortrages

Julian Irlenkäuser (*1983) studierte Kulturwissenschaften und Europastudien an der Europa-Universität Frankfurt (Oder), der Universidad Guadalaja (Mexiko) und der Bilgi-Universität Istanbul. Er war unter anderem für den Türkischen Bund Berlin-Brandenburg, für Amnesty International Istanbul und den Europastudien-Lehrstuhl der Viadrina tätig. Derzeit arbeitet er als Studiengangskoordinator des Master of European Studies an der Viadrina und promoviert bei Werner Schiffauer zu Kriegsdienstverweigerung und Antimilitarismus in der Türkei. Forschungsschwerpunkte sind: Klassische und (Post)moderne kritische Theorie sowie Nationalismus, Militarismus und Menschenrechte in der Türkei.

Text:

Das türkische Militär und die (Re-)Konstruktion hegemonialer Männlichkeit