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Amadeus Janio: "Verteidigungsstrategien des heteronormativen Gesellschaftsdiskurses in Polen"

Die Geschlechts- und Sexualpolitiken Polens sind in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend in den Fokus der europäischen Presse, Politik und Justiz geraten. Thema war hierbei der restriktive sowie teilweise gewalttätige Umgang mit nicht hegemonialen Sexualitäten, insbesondere Homosexualität. Auffallend dabei ist, dass homophob motivierte Diskriminierungspraktiken, Rhetoriken, Politiken und Gewalttaten – vor allem zwischen 2004 und 2007 – entgegengesetzt dem vorherrschenden Klischee nicht ausschließlich am politischen und gesellschaftlichen Rand des Landes wiederzufinden waren: So untersagte beispielsweise der frühere Bürgermeister Warschaus und spätere Präsident Polens, Lech Kaczynski, im Juni 2005 die Durchführung des Warschauer CSDs (Parada Równsci). Ein Jahr später forderte der stellvertretende Bildungsminister Mirosław Orzechwoski ein Gesetz, dass es ermöglichen sollte, offen homosexuell lebende Lehrer_innen zu entlassen.

 Vor dem Hintergrund dieser beiden Beispiele stellt sich die Frage, weshalb ein Land wie  Polen (oder zumindest Teile davon), dessen Bevölkerung nahezu fünf Jahrzehnte der autoritären Führung eines sozialistischen Regimes ausgesetzt war, einen solch offensichtlich, fast selbstverständlich repressiven Umgang mit sogenannten ‚sexuellen Minderheiten’ pflegt. Ein ausschließlicher, wenngleich richtiger Verweis, auf die allgemeine heteronormative Beschaffenheit (‚westlicher’) Gesellschaften, in denen Heterosexualität und ein heterosexuelles Begehren die geschlechtliche und sexuelle Norm repräsentieren, greift dabei zu kurz. Zudem müssen die jeweiligen nationalen, historischen und kulturellen Spezifika berücksichtigt werden, anhand derer ein solch heteronormatives Verständnis von Sexualität und Geschlechtlichkeit konstituiert sowie (re-)produziert wird. Unter Zuhilfenahme verschiedener gendertheoretischer / -kritischer  Theorien u.a. M. Foucaults ‚Sexualdispositiv’ und D. Richardsons ‚Cultural Citizenship’ sowie J. Butlers Ausführungen zur ‚intelligiblen Geschlechtlichkeit’, sollen diese Verbindung im Falle Polens sowohl nachgezeichnet als auch ihre Bedeutung anhand ausgewählter Beispiele analysiert werden.

 

Amadeus Janio (*1985) studierte Kulturwissenschaften und European Studies an der Europa Universität Viadrina, University of Vaasa (Finnland) sowie der University of Wisconsin Milwaukee (USA). Er war unter anderem für den Gen-ethischen Netzwerk e.V., die Friedrich Ebert Stiftung sowie den Lehrstuhl ‚Europastudien’ der Viadrina tätig. Seine Masterarbeit plant er zum Thema „Der Ausschluss des Islams aus Europa“.

Interessengebiete:

 Transformations-, Nationalisierungs- und Europäisierungsprozesse; Identitäts-, Exklusions- und Zugehörigkeitspolitiken; Gedächtniskulturen; Gendertheorien; Gender- und Sexualpolitiken; Polen, Deutschland, Europäische Union.

Text:

Zakaz pedałowania - Verteidigungsstrategien des heteronormativen Gesellschaftssdiskurses in Polen