Lauren Hansen
Der vorläufige Titel meines Dissertationsprojekts lautet “Postmemory on the Move: Memory, Travel, and Space in Post-1989 Literature” und beschäftigt sich mit der Rolle des Reisens im Bezug auf Auseinandersetzung mit der Familienvergangenheit in post-1989 deutscher Literatur. Ich forsche nach, wie sich Protagonisten in der neueren deutschen Literatur mit der Familienvergangenheit auseinandersetzen, indem Sie sich außerhalb des deutschen Kontexts bewegen, z.B. in Polen, Mexico, Frankreich. Das Reisen bringt man komischerweise irgendwie näher an der Familiengeschichte, die sich auch, aber unter ganz anderen Umständen, wegen Exil oder Vertreibung, außerhalb Deutschlands abgespielt hat.
Durch eine intensive Lektüre nahe am Text der Romane In Zeiten des abnehmenden Lichts von Eugen Ruge (2011), Pawels Briefe von Monika Maron (1999), Anatolin von Hans Ulrich-Treichel (2008) und Eine Liebe aus Nichts von Barbara Honigmann (1991), forsche ich, wie sich Erinnerung und deren Prozesse über Grenzen und Generationen hinweg verhalten und inwiefern dies eine mnemonische Schichtung erzeugt.
Mit Marianne Hirschs “Postmemory” als theoretischer Ansatz, besteht das Projektargument darin, dass die Reiseerfahrungen der Nachgeborenen, als eine Art räumliche Dislocation (spatial dislocation), die durch den reisenden Körper und die manchmal mitreisenden Erinnerungsartifakte unternommen wird, in unterschiedlichem Ausmaß Kontakt mit traumatischen Vertreibungserfahrungen der ersten Generation während des Krieges, oder aber gleich danach, ermöglicht. Aus den Reiseerfahrungen der Nachgeborenen ergibt sich ein Prozess der Schichtung von intergenerationalen Erinnerungen, die nicht nur versucht, eine Brücke über die posthume Kluft zwischen Generationen zu schlagen, sondern auch neues Terrain eröffnet, auf dem eine Neuorientierung in der post-1989 Gegenwart möglich wird.
Memory Studies und ihre transkulturellen Ansätze mit den vielfältigen historischen Traumata der deutschen Geschichte zu kombinieren, weist darauf hin, wie das Reisen als räumlicher Ortswechsel der Postmemory-Forschung zu Erkenntnissen verhilft sowie diese verhindern kann und reiht die deutsche Nationalerinnerung in einen größeren Kontext ein, und zwar einen, der die durch Krieg und ein gefallenes Regime verursachten Verschiebungen berücksichtigt, die die europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts charakterisieren.