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Barbara Heindl, M.A. (Literaturwissenschaftlerin)

In meiner Forschung, die sich auf der Schwelle zwischen Literatur- und Kultur­wissen­schaften bewegt, habe ich mich bisher vor allem mit Formen auto­fiktiona­len Erzählens über den National­sozialis­mus beschäftigt. Mich interessiert daran u.a. die Ambiguität zwischen indivi­duellem und kollektivem Gedächtnis. In Bruchstücke. Aus einer Kindheit 1939-1948 von Binjamin Wilkomirski habe ich daher gerade solche inner­textlichen Bewegungen untersucht, welche die Glaub­würdig­keit und die Authen­tizi­tät des Textes erzeugen und so dazu geführt haben, dass der Text in den lite­ra­rischen Kanon von Auto­bio­graphien über den Holocaust aufgenommen wurde, obwohl dieser Bezug ein fiktional hergestellter war.

In meinem aktuellen Forschungs­projekt arbeite ich mit Auto­bio­graphien jüdischer Holocaust­über­lebender und stelle anhand dieser Berichte die Frage nach dem wider­ständigen Potential von religiöser Praxis in Situationen existen­tieller Bedrohung. Die von mir unter­suchten Texte zeichnen das Bild von Gefangenen national­sozia­lis­tischer Vernich­tungs­lager, die auf ganz unter­schiedliche Weisen religiös handeln, obwohl die Konzen­tra­tions­lager jeden Begriff Gottes und jedes religiöse Fundament ad absurdum geführt zu haben scheinen. Um nicht nur auf kanoni­sierte litera­rische Werke angewiesen zu sein und um den jüdischen Diskurs in breiterer Form abdecken zu können, lerne ich seit einiger Zeit Jiddisch, was es mir ermöglicht, auch eine Vielzahl bisher unbeachteter Autorinnen und Autoren zu erschließen.