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Profil

Wir verstehen die Bezeichnung ‚Lehrstuhl für Westeuropäische Literaturen‘ als Aufforderung zur Auseinandersetzung mit Darstellungsweisen insbesondere (aber keinesfalls nur) in literarischen Texten. Das macht eine kritische Haltung in Studium, Lehre und Forschung notwendig. „Kritik bezeichnet neben dem Akt des Urteilens eben auch Neuzusammensetzung, Erfindung. Als Kunst (ars critica) geht es Kritik um Rekonstruktion und Rekombination, also um aktive Eingriffe in die Textproduktion.“ (Allerkamp/Valdivia/Witt 2015, 15) Das was gesagt wird ist abhängig davon wie es gesagt wird – diese rhetorische Einsicht ist grundlegend für literaturwissenschaftliches Arbeiten.
Mit der Analyse des komplexen Zusammenspiels rhetorischer, ästhetischer, medialer und materieller Praktiken, Strategien und Verfahren plädieren wir auch für ein Gegen-den-Strich-lesen der Tradition, für die Erforschung der Mechanismen von Kanonisierungen und für die philologisch sorgfältige Arbeit an einem ‚anderen Kanon‘. Das Attribut ‚westeuropäisch‘ definiert weniger einen eng abgesteckten Gegenstandsbereich, benennt eher eine oft unausgesprochen bleibende Perspektive auf Literatur, Ästhetik und Kultur. Das erfordert eine gleichermaßen komparatistische und kulturtheoretische Reflexion. Literaturwissenschaften kulturwissenschaftlich zu betreiben bedeutet für uns „Grenzen […] einzureißen“, insofern „Gegenstände nie eindeutig bestimmbar noch abschließend festgelegt sind und […] das Korpus von Texten, die jeweils als ‚Literatur‘ bezeichnet werden, eine historische Variable ist“ (Allerkamp/Raulet 2010, 8).
Das Frankfurter Modell der Literaturwissenschaften kann sich auf seinen besonderen Standort mit Baumgarten und Kleist als Gründungsfiguren berufen. Als Grenzgänger stehen diese beiden Namen für ein immer wieder aktuelles Moment der Krise, das Wissensordnungen zwischen Philosophie und Literatur, Wissenschaft und Kunst, Denken und Darstellung produktiv in Bewegung setzt.