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Matthias Preuss

Das Dissertationsprojekts mit dem provisorischen Titel Anomalien. Zur Zoopoetologie anthropologischer Maschinen ist von der Frage nach der Darstellung des Wissens von menschlichen und nichtmenschlichen Tieren und deren (Un-)Unterscheidbarkeit motiviert. Mein Forschungsinteresse gilt, mit anderen Worten, den poetischen Verfahren zur Produktion anthropologischer Differenz und deren epistemologischen und politischen Effekten. Dieser Einsatz stellt eine Verschiebung (Translation) der anthropozentrischen Frage nach der Natur (dem Wesen) des Menschen dar und vollzieht eine Orientierung auf die „question de l’animal“ (Derrida). Die (metaphysisch maskierte) Praxis der Demarkation des Humanen und des Animalischen (Agamben) wird in dieser Hinsicht als (kultur)poetische Praxis begriffen. Es ist mein Anspruch, dieses Problemfeld sowohl aus theoretisch-systematischer als auch aus historischer Perspektive zu bearbeiten.

Das Projekt lässt sich im Interferenzbereich zwischen den Cultural and Literary Animal Studies und den Border Studies als ausgewiesenem Forschungsschwerpunkt der Europa-Universität Viadrina verorten, da aus einer im emphatischen Sinne kulturwissenschaftlich erweiterten literatur-wissenschaftlichen Perspektive Grenzziehungen zwischen Mensch und Tier, Natur und Kultur (und ihren Wissenschaften) sowie zwischen literarischem und (natur)wissenschaftlichem Schreiben adressiert und problematisiert werden. Eine ausdrückliche Voraussetzung der Arbeit ist die Auffassung, dass Tiere qua Wissensfiguren sich als mobile Marken disziplinärer Überschneidungen verstehen lassen, die sich entlang auffindbarer Bahnen und Schneisen durch diskursive Habitate bewegen. Es scheint daher geboten, sich ihnen in puncto Undiszipliniertheit als ebenbürtig zu erweisen, das heißt „Grenzen […] einzureißen“ und davon auszugehen, dass „Gegenstände nie eindeutig bestimmbar noch abschließend festgelegt sind und dass das Korpus von Texten, die jeweils als ‚Literatur‘ bezeichnet werden, eine historische Variable ist“ (Allerkamp/Raulet). Das hier skizzierte Vorhaben stellt in diesem Sinne – wie vielleicht jede kulturwissenschaftliche Arbeit – selbst einen Grenzfall dar, indem sie Schranken literaturwissenschaftlicher „Zuständigkeit“ überschreitet und einen vermeintlich nicht-literarischen Korpus in den Blick nimmt.

Mit der zwischen Begriff und Metapher oszillierenden Limitrophie und deren „transgressiver Erfahrung“ (Derrida) hat Jacques Derrida die Grenzproblematik für die Animal Studies einschlägig zugespitzt. In diesem Zusammenhang hebt er den abyssalen Charakter der Grenze zwischen denen, die sich als ‚Mensch‘ bezeichnen, und dem (von ihnen) sogenannten ‚Tier‘  hervor, verschreibt sich Teilung und Multiplikation der Grenze und nimmt sich programmatisch vor, zu demonstrieren, nicht, dass sie keine, sondern vielmehr, dass sie nicht eins/eine ist. Darüber hinaus hat sich Derrida mit dem „Gesetz der Gattung“ den Bedingungen der (Un-)Möglichkeit klarer und distinkter Abgrenzungen auch in poetologischer Hinsicht gewidmet.

Auch Giorgio Agamben richtet seine theoretischen Anstrengungen, wie sie sich in den Begriffen der „Zone der Unbestimmtheit" und der „[a]nthropologische[n] Maschine“ verdichten auf die spezifischen Differenz als einem metaphysischen Grenzfall. Ähnliche Überlegungen – wenn auch nicht in explizitem Bezug auf Tiere – stellt Michel Foucault in seinem Denken der „Überschreitung“ an: „Die Grenze und die Überschreitung verdanken einander die Dichte ihres Seins [...]. [E]xistiert die Grenze überhaupt ohne die Geste, die sie stolz durchquert und leugnet?“

Diesen Ansätzen ist eine Auffassung der Grenze als ein räumliches Ordnungsprinzip gemein. Im deutschsprachigen Raum hat Roland Borgards im Rückgriff auf die genannten (Tier-) Theorien der Grenze eine Theriotopologie als „Wissenschaft von der sozialen, politischen, juridischen und psychologischen Lesbarkeit der Tiere und ihrer Orte im Raum der Kultur“proponiert. Die hier vorgestellte Forschungsarbeit greift diesen Vorschlag auf nimmt durch ihre theriotopologische Perspektive auf die Anomalien – dasjenige, was den Operationen der Grenzziehung in zoopoetischen Texten zuwider läuft – auch die diesen inhärenten Politiken in den Blick.