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Die Krise denken: Kleists Shakespeare

Allerkamp, Andrea
Die Krise denken: Kleists Shakespeare
6 ECTS
Seminar: BA/MA, Literaturwissenschaften-Einführung
Donnerstag, 14.15 - 15.45 Uhr, Ort: GD 06, Beginn: 19.10.17


Shakespeares Hamlet zögert, ist ein träger Grübler, melancholisch, vielleicht sogar fett, auf jeden Fall schwach. Sein Habitus entspricht dem Typus eines Intellektuellen, der zwischen Wort und Tat schwankt. Er gehört zur Reihe der bekanntesten Figuren eines Theaters der permanenten Krise. Hamlet, Don Quijote, Don Juan, Faust – vom Mittelalter bis zur Neuzeit stehen diese nicht mehr tatkräftigen Helden für Zweifel und Schwermut, geplagt von einer Sehnsucht nach Wahrhaftigkeit, was Faust bekanntlich in dem Wunsch ausdrückt: „Daß ich erkenne, was die Welt / Im Innersten zusammenhält“. Die Vorlesung wird Heinrich von Kleists Um- und Fortschreibungen von Shakespeares Werk nachgehen, seinem „Hamletfieber“ (Goethe), aber auch anderen Figuren und Prototypen, sowie den ästhetischen Ideen, der Auffassung von Tragik bzw. Komik, der Machtkritik. Hamlet, Romeo und Julia, König Lear oder King Richard III – Shakespeares’ brüchige Konstellationen zwischen Krieg, Melancholie, Verdacht und Verwechslung tauchen in der Krisenzeit um 1800 verstärkt wieder auf. Bei Kleist aber ist die Welt nicht mehr nur vorübergehend aus den Fugen geraten, sie befindet sich vielmehr in einem andauernden Krisenzustand: „Die Zeit noch kehrt sich, wie ein Handschuh um“. Zusammen mit Shakespeare wollen wir Kleist als zeitgenössischen und nicht nur lokal prominenten Grenzgänger zwischen Literatur und Philosophie, Theater und Politik, Ästhetik und Anthropologie, kurz: als sensiblen Seismograph für Krisen, entdecken.
Literatur: Folgende Theaterstücke Kleists und Shakespeare sind vorbereitend zu lesen (möglich in den Reclam-Ausgaben).
Kleist:
• Die Familie Schroffenstein
• Der zerbrochne Krug
• Prinz Friedrich von Homburg
Shakespeare:
* Hamlet
* King Richard III
Teilnahmevoraussetzungen: aktive Mitarbeit und regelmäße Teilnahme
Hinweise zur Veranstaltung: Bereitschaft zur Lektüre.
Leistungsnachweis: Klausur