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"Temporale Grenzen der Gegenwart. Zur zeitgenössischen Praxis der Zukunftsbearbeitung"

Andreas Reckwitz/ Hannes Krämer:
(in Zusammenarbeit mit Prof. Jochen Koch/ Dr. Wasko Rothmann)

Im Forschungsprojekt wird die Temporalität sozialer Grenzziehungsprozesse untersucht, genauer: die Bearbeitung zeitlicher Grenzen zur Zukunft. Der Annahme folgend, dass Grenzen nicht ausschließlich räumlich oder sozial, sondern ebenso temporal konstituiert werden, analysiert das Projekt die Praxis der Bearbeitung, Markierung und Vergegenwärtigung von Zukünften.

Die Grenze zwischen Gegenwart und Zukunft ist zentral für das Leben in zeitgenössischen Gesellschaften, sowohl als Grundlage prospektiven Handeln als auch für die Selbstverortung von Akteuren. Temporale Grenzziehungen sind dabei kein exklusives Problem kommender Zeiten, sondern beziehen ihre Aktualität aus der Präsenz und Praxis des Zukünftigen in der Gegenwart. In der Gegenwartsgesellschaft, so der heuristische Ausgangspunkt, gestaltet sich Zukunft abhängig von sozialen Kontexten. Entsprechend sind Überlagerungen, Kontradiktionen und Parallelitäten unterschiedlicher Zukünfte wahrscheinlich, die etwa Unsicherheiten als Möglichkeitsräume ausdeuten und zugleich Formen der Integration feldspezifischer Risikodiskurse aufzeigen.

Anhand qualitativ orientierter Fallstudien in vier sozialen Feldern („Lebensberatung“, „Verkehrsplanung“, „Unternehmensgründung“, „Strategische Serendipität“) wird die praktische Bearbeitung gesellschaftlicher und organisationeller Zukünfte nachvollzogen. Dabei interessieren diejenigen Bereiche, in denen die Frage nach Zukunft zum expliziten Gegenstand wird, die also eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Kommenden fokussieren. Zugleich wird das konzeptionelle und theoretische Potenzial einer Theorie temporaler Grenzziehungsprozesse ausgelotet. Es ergeben sich u.a. folgende Fragen: Wie wird in den jeweiligen Feldern Zukunft bearbeitet? Wie vollzieht sich diese Grenzziehung? Welche temporale Zäsur wird mit der Zukunft festgeschrieben, welche Phasen werden unterschieden? In welcher Form interagieren Elemente des Alten und des Neuen? In welchem Verhältnis stehen lineare Erschließungsversuche von Zukunft zu der Einsicht, dass Zukunft sich einer grundlegenden Planbarkeit entzieht?

Das Projekt wird gefördert vom Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION.