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Sommersemester 2008, Universität Konstanz

Psychoanalyse als Kulturtheorie
Seminar: Mo 16:00 - 18:00 wöchentl., Raum D 432 (Universität Konstanz)

Beschreibung

Von Seiten der Soziologie wird der Psychoanalyse zumeist unterstellt, daß sie die gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen der Subjektbildung weitestgehend vernachlässige und statt dessen die psychologische Entwicklung des Individuums in erster Linie auf irreduzible Triebe und Verdrängungsmechanismen zurückführe. Dieses Vorurteil greift jedoch zu kurz: Abgesehen davon, dass bereits Sigmund Freud eine eigene kulturtheoretische Perspektive entwickelte, gelang es vor allem den Vertretern der zweiten psychoanalytischen Generation sich von den engen theoretischen Parametern ihres Gründungsvaters zu lösen und die kulturelle und historische Bedingtheit des Unbewussten, heraus zu arbeiten. In diesem Sinne vertrat der Strukturalist Jacques Lacan die These, dass das Unbewusste wie eine Sprache strukturiert sei und sich das Begehren aus den Leerstellen des vorherrschenden symbolischen Systems speise. Eine soziologische Adaption von solchen psychoanalytischen Theorieelementen ermöglicht, das Moment der Affektivität sowohl in seiner historischen Kontingenz als auch in seiner subjekt- und gesellschaftskonstitutiven Wirksamkeit soziologisch zu fassen. Im Seminar sollen zunächst die Grundlagen einer psychoanalytischen Kultur- und Subjekttheorie gemeinsam erarbeitet werden. Ein Schwerpunkt bildetet dabei Lacans Theorie kultureller Blickregime. Daran anschließend werden die wichtigsten Rezeptionslinien der Psychoanalyse sowohl im Bereich der Soziologie (Marcuse, Zizek), der feministischen Filmtheorie (Mulvey, de Lauretis, Silverman) als auch den Genderstudies (Butler) diskutiert und wichtige Positionen der poststrukturalistischen Psychoanalysekritk (Foucault, Deleuze) besprochen. Zum Abschluss soll anhand von filmischen oder künstlerischen Arbeiten die Perspektive einer psychoanalytisch inspirierten Kulturwissenschaft beispielhaft erprobt werden.

Literatur

Blümle, Claudia/von der Heiden, Anne (Hg.): Blickzähmung und Augentäuschung. Zu Jacques Lacans Bildtheorie, Zürich/Berlin 2005. Chauthur, Shohini: Feminist Film Theorists, New York (u.a.) 2006. Elliot, Anthony: Social Theory Since Freud, New York 2004. Freud, Sigmund: Das Unbehagen in der Kultur, Frankfurt a.M 1994. Feud, Sigmund: Das Ich und das Es, Frankfurt a.M. 1992. Lacan, Jacques: »Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, wie sie uns in der psychoanalytischen Erfahrung erscheint«, in: Texte zur Literaturtheorie der Gegenwart, hg. v. Dorothee Kimmich u. a., Stuttgart 1996, S. 177-187. Lacan, Jacques: Das Seminar. Buch XI. Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Weinheim/Berlin 1987. Lacan, Jacques: Das Seminar. Buch VII. Die Ethik der Psychoanalyse, Berlin 1996. Marcuse, Herbert: Eros und Kultur. Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud, Stuttgart 1957. | Mulvey, Laura: Visuelle Lust und narratives Kino. In: Liliane Weissberg (Hg.): Weiblichkeit als Maskerade. Frankfurt am Main: Fischer, 1994, S. 48-65. Silverman, Kaja: The Threshold of The Visible World, New York (u.a.) 1996.