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Master of Arts
in European Studies

Exkursionsbericht Feldheim

Exkursionsbericht Feldheim:

Am 17.02.2023 sind wir im Rahmen des Forschungsseminars “Wie nachhaltig ist die Europäische Union lokal? Projekte der 'Nachhaltigkeitstransformation' in Brandenburg“ zu einer Exkursion in das energieautarke Dorf Feldheim gefahren. Das Dorf liegt in Fläming, 90km von Berlin entfernt an der Grenze zu Sachsen-Anhalt, in einer ländlichen Region mit dem wirtschaftlichen Schwerpunkt landwirtschaftlicher Produktion. Die Region ist höher gelegen, wodurch viel Wind herrscht und es handelt sich um die trockenste Region in Brandenburg.

Der Verein 'Neue Energien Forum Feldheim' gab uns die Möglichkeit eines Besuchs, bestehend aus einem Vortrag und einem anschließenden Rundgang durch das Dorf. Der Vortrag führte in die Geschichte des ersten energieautarken Dorfes in Deutschland ein und gab Fakten über die bestehenden Anlagen, die wir im Anschluss besichtigten. Den Vortrag hielt Siegfried Kappert, ein geborener Feldheimer, der von Beginn an in das Projekt involviert war. Seine Ehefrau, die damalige Bürgermeisterin, unterstützte die Idee von Anfang an und trug maßgeblich zur Umsetzung bei. Siegfried Kappert begleitet nun Gruppen im Besucherzentrum und erzählt aus seinen persönlichen Erfahrungen über die Entwicklung des Dorfes in den letzten 30 Jahren.

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Wir haben erfahren, dass es sich um ein weltweites Vorzeigeprojekt handelt, zu dem regelmäßig Delegationen aus der ganzen Welt zu Besuch kommen, um sich über die Möglichkeiten autarker Energiedörfer zu informieren. Jährlich kommen rund 3000 Tourist*innen nach Feldheim, um sich vor Ort von dem Projekt zu überzeugen. Der Ort erhielt für seine Transformation verschiedene Auszeichnungen, u. a. 2009 den Innovationspreis Erneuerbare Energien und 2014 den Deutschen Solarpreis. Uns interessierte, mehr zu erfahren über die Umsetzung der europäischen Strategien für Nachhaltigkeit und Erneuerbare Energien in Brandenburg sowie ihre Auswirkungen auf lokaler Ebene. Außerdem wollten wir erfahren, ob ein derartiges Projekt einzigartig ist oder auch in anderen Kommunen umgesetzt werden könnte.

Das Projekt wurde 1993 gestartet. Heute betont der Verein die positiven Entwicklungen nach der Wende, die das Dorf durch die Entscheidung für den Ausbau erneuerbarer Energien durchlief. Das Besucherzentrum befindet sich heute im ehemaligen Gasthof 'Zur Linde'. Weitere ehemalige LPG-Gebäude wurden umgebaut und ebenfalls genutzt. Ein wesentlicher Bestandteil der ehemaligen LPG wurde 1991 in die Agrargenossenschaft Fläming umgewandelt, die Ackerfrüchte anbaut und Tierzucht betreibt. Die eigenen Netze wurden 2010 in Betrieb genommen und sind in Bürgerhand. Die angeschlossenen Haushalte sind Gesellschafter der Feldheim Energie GmbH & Co KG, die durch einen gewählten Beirat vertreten werden.  Feldheim Energie GmbH & Co KG entstand aus der Initiative der Einwohner*innen zusammen mit dem Unternehmen Energiequelle. Die Kommanditisten haben das Sonderrecht, den direkt erzeugten Strom zum Preis von 12 Cent pro KW/Std. zu beziehen, ohne dass dieser zuvor in die öffentlichen Stromnetze eingespeist wird.

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Laut Verein gibt es im Ort 55 Windkraftanlagen, 9844 Photovoltaikmodule auf 248 Movern im Solarpark und eine Biogasanlage sowie den größten Batteriespeicher Brandenburgs. 10.000 kW Leistung stellt das Regionale Regelkraftwerk für den Netzbetreiber 50 Hertz zur Verfügung. 259.000 Liter Heizöl sparen die 130 Einwohner*innen von Feldheim durch die autarke Energieversorgung.

Besonders spannend an der Exkursion war, zu erfahren, wie in Feldheim die Erzeugung von Strom und Wärme aus verschiedenen erneuerbaren Energiequellen kombiniert wird und wie deren Speicherung und Verteilung erfolgt. An Feldheim angrenzend befindet sich ein Windpark, der jährlich rund 250 Mio. kWh generiert, was für die Stromversorgung von rund 55.000 Haushalten reicht (vgl. Präsentation Kappert, Feldheim). „Nur eine geringe Menge des hier erzeugten sauberen Stroms fließt über ein ortseigenes Verteilnetz direkt zu den Feldheimer Verbrauchern; der weitaus größte Teil wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist“ (Informationstafel „Windenergie“, Feldheim). Bei Erzeugungsspitzen kann der Strom auch im örtlichen Speicherkraftwerk gespeichert werden.

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Neben den Windparks steht in Feldheim auch eine Biogasanlage. Als Biomasse wird die Gülle der örtlichen Agrargenossenschaft verwendet, die mit Maissilage und Getreideschrot aufbereitet wird. „Aus dem Biogas (Methan und Kohlendioxid) werden in einem Blockheizkraftwerk jährlich ca. 4 Millionen kWh Strom erzeugt, der in das öffentliche Netz eingespeist wird. Mit der bei der Stromerzeugung anfallenden Wärme wird Wasser auf rund 80 Grad erhitzt und in das ortseigene Fernwärmenetz eingespeist, welches wiederum die Haushalte, die Einrichtungen der Agrargenossenschaft und die Gewerbeeinheiten mit Wärme und Warmwasser versorgt.“ (Informationstafel „Biomasseheizwerk“, Feldheim). Bei einer Temperatur von -5°C oder kälter dauert die Wärmerzeugung in der Biogasanlage länger, weshalb dann die Holzschnitzelheizung temporär und ergänzend zur Wärmeproduktion genutzt wird. Darüber hinaus wird Solarstrom durch Photovoltaikanlagen auf Dächern und Movern im Dorf und im nahegelegenen Solarpark „Selterhof“ erzeugt. Die eigene Produktion von Wasserstoff für die eigenen Fahrzeuge ist bereits in Planung.

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Was uns als Exkursionsteilnehmer:innen überrascht hat, ist, dass die örtlichen Windparks nicht im Besitz des Dorfes sondern des Unternehmens „Energiequelle“ sind, welches die Flächen zur Winderzeugung gepachtet hat. Seit 1997 ist das Unternehmen Energiequelle GmbH in Feldheim tätig. Es betreibt den Windpark  sowie das Regionale Regelkraftwerk zusammen mit EnerCon GmbH. Die Dorfbewohner:innen erhalten den Strom vergünstigt, sind aber nur Konsument:innen und nicht Anteilshaber:innen am Windpark, mit Ausnahme einer einzigen Winderzeugungsanlage. Auch die Biogasanlage ist in Besitz des Unternehmens „Energiequelle“ sowie der örtlichen Agrargenossenschaft. Gegeben der starken Anteilshabe des Unternehmens „Energiequelle“ an der Energieerzeugung in Feldheim, haben wir Exkursionsteilnehmer:innen uns gefragt, ob Feldheim tatsächlich als energie-„autark“ bezeichnet werden kann.

Gemeinsamer Bericht der Exkursionsgruppe