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Melancholie


Das Seminar beschäftigt sich mit der Thematisierung von Melancholie in Medizin, Philosophie, Religion und Literatur von der Antike bis zur Neuzeit, und es fragt nach den Repräsentationen dieses Wissens in der bildenden Kunst. Der Melancholie wurden in verschiedenen historischen und kulturellen Kontexten je unterschiedliche Bedeutungen zugeschrieben. Sie war in der Antike zunächst ein Begriff der Humoralpathologie: ein Temperament im Zeichen des Saturn, bevor sie in Mittelalter und nachreformatorischer Zeit auch spezifisch religiöse Dimensionen erhielt. Die sich anschließende Pathologisierung, Psychologisierung und Moralisierung der Melancholie in der Aufklärung sowie ihre besondere Ästhetisierung in der Literatur der Empfindsamkeit wird uns im Seminar ebenso beschäftigen wie Umformulierungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert: die Assoziation von Melancholie und Zeit unter dem Vorzeichen von Vergeblichkeit, Vergänglichkeit und dem Schrecken der Gleichförmigkeit, die Verzweiflung an der modernen Geschichtsphilosophie sowie die noch heute einflussreiche psychoanalytische Interpretation Sigmund Freuds. Der Kurs verfolgt die Frage, wie Melancholie definiert und erklärt, wozu und in welchen Wissensgebieten sie thematisiert und wie sie in diesen Zusammenhängen jeweils bewertet wurde. Das Spektrum der Bewertungen reicht von der Verdammung der Melancholie als Todsünde bis hin zu ihrem Genuss als "joy of grief" und ihrer Glorifizierung als Signum von Genialität und tiefergehender Erkenntnis des unglücklichen Bewusstseins. Was sagen diese unterschiedlichen Erklärungen und Bewertungen über die Wirklichkeitsvorstellungen und Selbstbilder aus, in denen Personen, Gesellschaften und Kulturen sich konstituieren?