Lesereihe Zwischen()Welten

Die deutschsprachige Gegenwartsliteratur ist nicht erst seit dem durchschlagenden Erfolg von Autorinnen und Autoren wie Olga Grjasnowa (Der Russe ist einer der Birken liebt), Wladimir Kaminer (Russendisko) oder Yoko Tawada (Etüden im Schnee) ein europäisches Phänomen geworden. Die Erfahrungswelten der Migration, der Flucht und der Interkulturalität haben sich ihr so fest eingeschrieben, dass sie ohne gar nicht mehr denkbar wäre. Doch gerade durch die Internationalisierung, durch das ständige Überschreiten und Beschreiten von sprachlichen, nationalen und gefühlten Grenzen, ist diese Literatur so spannend. Denn ihr gelingt es, nicht nur gut und unterhaltend zu erzählen, sondern zugleich zentrale Problemfelder unserer Gegenwartsgesellschaft anzugehen und in der literarischen Texten eigenen, oft hochdifferenzierten Art und Weise analytisch zu durchdringen. So sind die Texte von Grjasnowa, Kaminer, Tawada, aber auch von Abbas Khider (Der falsche Inder), Irena Brežná (Die undankbare Fremde) oder Doron Rabinovici (Andernorts) immer auch Arbeit an der Gegenwart, Kunst und Politik zugleich. Sie verdeutlichen, was so viele Menschen heute erfahren müssen, nämlich zwischen den Welten und Kulturen zu leben.
Seit 2013 veranstaltet die Axel Springer-Stiftungsprofessur für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration an der Europa-Universität Viadrina daher regelmäßig öffentliche Lesungen, zu denen bereits viele der genannten Autorinnen und Autoren eingeladen werden konnten. Dabei hat sich die Spannbreite der ausgewählten Themen und somit auch der eingeladenen Autorinnen und Autoren der Lesereihe unter der Überschrift „Zwischen()Welten – Deutschsprachige Literatur der Gegenwart“ vergrößert. Fokussierte sich die Lesereihe in ihren Anfängen zunächst auf die sogenannte „Migrationsliteratur“, also Literatur, die nicht in der eigentlichen Muttersprache verfasst wird, haben wir das thematische Spektrum mittlerweile markant erweitert. Aspekte wie Vertreibung, Flucht und andere mitteleuropäische Schicksale des 20. Jahrhunderts sind hinzugekommen, denn sie lassen sich nicht minder als Erfahrungen des Dazwischen und der Grenze lesen und verstehen.
Koordination: Elke Lange
Aktuelle Lesungen:
Zur Zeit stehen keine aktuelle Lesungen an.
Vergangene Lesungen:
11. November 201918:30 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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NATASCHA WODIN (Berlin)"Sie kam aus Mariupol"(Rowohlt 2017)Lesung und Diskussion |
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"Wenn du gesehen hättest, was ich gesehen habe" - Natascha Wodins Mutter sagte diesen Satz immer wieder und nahm doch, was sie meinte, mit ins Grab. Da war die Tochter zehn und wusste nicht viel mehr, als dass sie zu einer Art Menschenunrat gehörte, zu irgendeinem Kehricht, der vom Krieg übriggeblieben war. Wieso lebten sie in einem der Lager für "Displaced Persons", woher kam die Mutter, und was hatte sie erlebt? Erst Jahrzehnte später öffnet sich die Blackbox ihrer Herkunft, erst ein bisschen, dann immer mehr. "Sie kam aus Mariupol" ist das außergewöhnliche Buch einer Spurensuche. Natascha Wodin geht dem Leben ihrer ukrainischen Mutter nach, die aus der Hafenstadt Mariupol stammte und mit ihrem Mann 1943 als "Ostarbeiterin" nach Deutschland verschleppt wurde. Sie erzählt be- klemmend, ja bestürzend intensiv vom Anhängsel des Holocaust, einer Fußnote der Geschichte: der Zwangsarbeit im Dritten Reich. Ihre Mutter, die als junges Mädchen den Untergang ihrer Adelsfamilie im stalinistischen Terror miterlebte, bevor sie mit ungewissem Ziel ein deutsches Schiff bestieg, tritt wie durch ein spätes Wunder aus der Anonymität heraus, bekommt ein Gesicht, das unvergesslich ist. "Meine arme, kleine, verrückt gewordene Mutter", kann Natascha Wodin nun zärtlich sagen, und auch für uns Leser wird begreifbar, was verlorenging. Dass es dieses bewegende, dunkel-leuchtende Zeugnis eines Schicksals gibt, das für Millionen anderer steht, ist ein literarisches Ereignis. |
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Das literarische Werk Gino Chiellinos ist reich an Facetten. Sein aktueller Lyrikband "Die Sehnsucht der Seerose nach der Libelle" (Thelem, 2018) umfasst eine Sammlung seiner Gedichte aus den vergangenen vierzig Jahren. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit einem Leben in der Fremde verfolgt der Band den Werdegang des Autors vom Zeitpunkt seiner Einreise in die Bundesrepublik bis heute. Neben seinem lyrischen Werk wird der Autor außerdem aus seinem Roman "Der Engelfotograph" (Folio Verlag, 2016) lesen. Dieser erzählt von Rusco, der in den 1950er Jahren in Kalabrien (Italien) aufwächst. Seine Kindheit endet, als er von seinen Eltern in ein katholisches Internat im Norden Italiens gebracht wird. Schon sieht er sich als Missionar in Afrika wirken. Doch sein Gott, auf den er voll Zuversicht setzt, schützt ihn nicht vor traumatischen Erfahrungen. So sagt er sich von Gott ebenso los wie von seinen Eltern. In betörenden Bildern erzählt Gino Chiellino wie Rusco still den Kampf aufnimmt, um zwischen der Sprache der Kindheit und dem Verstummen im Kloster eine neue Sprache für sich und sein Leben zu finden. Langsam schlägt Rusco seinen eigenen Weg ein in ein selbstbestimmtes Leben jenseits von Elternhaus und Klosterschule und befreit sich damit aus kargen Verhältnissen und traumatisierenden Erfahrungen. Carmine Gino Chiellino, Adelbert-von-Chamisso-Preisträger (1987) und apl. |
7. Mai 201818:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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SENTHURAN VARATHARAJA (Berlin)
"Vor der Zunahme der Zeichen"(S. Fischer 2016)Lesung und Diskussion |
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Durch Zufall beginnen Senthil Vasuthevan und Valmira Surroi ein Gespräch auf Facebook. Er lebt als Doktorand der Philosophie in Berlin, sie studiert Kunstgeschichte in Marburg. Sieben Tage lang erzählen sie sich von ihrem Leben, ohne sich zu begegnen. Ihre Nachrichten handeln von ihren Familien und ihrer Flucht aus Bürgerkriegsgebieten, von ihrer Kindheit im Asylbewerberheim und ihrer Schul- und Studienzeit. Hochreflektiert schreibt Senthuran Varatharajah in seinem vielfach ausgezeichneten Debütroman über Herkunft und Ankunft, über Erinnern und Vergessen und über die Brüche in Biographien, die erst nach einiger Zeit sichtbar werden. Senthuran Varatharajah, geboren 1984, studierte Philosophie, ev. Theologie und Kulturwissenschaft in Marburg, Berlin und London. Er lebt in Berlin. |
17. Juli 201718:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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KATHRIN SCHMIDT (Berlin)
"Kapoks Schwestern"(Kiepenheuer & Witsch 2016)Lesung und Diskussion |
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Die Siedlung Eintracht im einstigen Ostteil Berlins: Jahre nach der Wende leben die Schwestern Barbara und Claudia Schaechter gemeinsam in jenem Haus, in dem sie einst ihre Kindheit verbrachten. Nebenan wohnt neuerdings der frühere Nachbarssohn Werner. Während alle drei Protagonisten sich den Erinnerungen an ihre Vergangenheit hingeben, legen Barbara und Claudia nach und nach auch die Lebens- und Leidenswege ihrer jüdischen Familiengeschichte frei, welche im 19. Jahrhundert ihren Anfang nahm und bis über die Grenzen der DDR hinaus verlief. Kathrin Schmidt, die 2009 für ihren Roman "Du stirbst nicht" mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet wurde, unternimmt mit "Kapoks Schwestern" eine Reise in die europäische Vergangenheit, erzählt aus der Perspektive einer Berliner Gegenwart. |
17. Januar 201718:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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MICHAEL GÖRING (Hamburg)
"Spiegelberg - Roman einer Generation"(Osburg Verlag 2016)Lesung und Diskussion |
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07. November 201618:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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HANS-ULRICH TREICHEL (Berlin)
"Tagesanbruch" (Suhrkamp Verlag 2016)Lesung und Diskussion |
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23. Mai 201618:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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JENNY ERPENBECK (Berlin)
"Gehen, Ging, Gegangen" (Knaus 2015)Lesung und Diskussion |
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Am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg campieren afrikanische Flüchtlinge. Es ist ein Protest gegen das europäische Asylsystem: der Versuch, etwas zu bewegen. Der emeritierte Altphilologe und Ostberliner Richard zeigt Interesse, befragt, begleitet. Aus dem zunächst wissbegierigen Protokollanten der Schicksale wird schließlich – zaghaft, aber sicher – ein Freund. Dabei erweist sich das Kaleidoskop der fremden Erfahrungen als Reflexionsfläche für das eigene Leben. Die Frage „Wer bin ich?“ stellt sich im Kontext der Beziehungen zu den Asylsuchenden vollkommen neu und Richards bisheriges Leben in ein anderes Licht. Jenny Erpenbeck: geboren 1967 in Berlin, 1999 Debüt mit der Novelle „Geschichte vom alten Kind“, es folgten Romane, Erzählungen und Theaterstücke. Ihr Roman „Aller Tage Abend“ wurde von Lesern und Kritik gleichsam gefeiert und vielfach ausgezeichnet. Mit „Gehen, ging, gegangen“ war Jenny Erpenbeck für den Deutschen Buchpreis 2015 nominiert (Shortlist). |
11. Januar 201618:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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KATJA PETROWSKAJA (Berlin)
"Vielleicht Esther" (Suhrkamp 2014)Lesung und Diskussion |
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Hieß sie wirklich Esther, die Großmutter des Vaters, die 1941 im besetzten Kiew allein in der Wohnung der geflohenen Familie zurückblieb? Die jiddischen Worte, die sie vertrauensvoll an die deutschen Soldaten auf der Straße richtete – wer hat sie gehört? Und als die Soldaten die Babuschka erschossen, „mit nachlässiger Routine“ – wer hat am Fenster gestanden und zugeschaut? Die unabgeschlossene Familiengeschichte, die Katja Petrowskaja in kurzen Kapiteln erzählt, hätte ein tragischer Epochenroman werden können: der Student Judas Stern, ein Großonkel, verübte 1932 ein Attentat auf den deutschen Botschaftsrat in Moskau. Sterns Bruder, ein Revolutionär aus Odessa, gab sich den Untergrundnamen Petrowski. Ein Urgroßvater gründete in Warschau ein Waisenhaus für taubstumme jüdische Kinder. Wenn aber der Name schon nicht mehr gewiss ist, was kann man dann überhaupt wissen? Statt ihren gewaltigen Stoff episch auszubreiten, schreibt die Autorin von ihren Reisen zu den Schauplätzen, reflektiert über ein zersplittertes, traumatisiertes Jahrhundert und rückt Figuren ins Bild, deren Gesichter nicht mehr erkennbar sind. Ungläubigkeit, Skrupel und ein Sinn für Komik wirken in jedem Satz dieses eindringlichen Buches. Katja Petrowskaja: Autorin und Journalistin, 1970 in Kiew geboren, studierte Literaturwissenschaften in Tartu (Estland) und promovierte 1998 in Moskau. Seit 1999 lebt sie in Berlin. 2014 erschien ihr Debütroman „Vielleicht Esther“, für den sie u.a. mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis (2013) und dem „aspekte“-Literaturpreis (2014) ausgezeichnet wurde. Mit freundlicher Unterstützung des Fördervereins Europa-Universität Viadrina e.V. |
26. Oktober 201518:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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MICHAL HVORECKÝ (Bratislava)
"Tod auf der Donau" (Tropen 2012)Lesung und Diskussion |
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Martin Roy ist eigentlich literarischer Übersetzer, ein Feingeist. Doch im Bratislava der Nachwendezeit lässt sich mit diesem Beruf leider kein gutes Geld verdienen. So heuert der junge Mann als Reiseleiter auf der Kreuzfahrtlinie American Danube Cruises an und begleitet fortan die weiße US-amerikanische Oberschicht im besten Rentenalter auf ihrer luxuriösen Fahrt über den größten Schicksalsfluss Europas, von Regensburg bis ins Donaudelta. Hierbei sieht er sich nicht nur mit der penetranten Arroganz seiner Gäste konfrontiert, sondern muss nebenbei auch noch zwei Leichen entsorgen und sich seiner wieder aufgetauchten großen Liebe stellen. Zwischen realistischer Erzählung und satirischer Zuspitzung oszillierend, ist Horvecký mit „Tod auf der Donau“ nicht nur ein tragikomischer Krimi gelungen, sondern ein ebenso lehrreicher kulturhistorischer Donau-Essay. Michal Hvorecký (geb. 1976) lebt in Bratislava. Der Schriftsteller und Journalist wurde mit mehreren slowakischen Literaturpreisen ausgezeichnet und war Stipendiat des Literarischen Colloquiums Berlin. Die Veranstaltung wird aus Mitteln des Grenzgänger-Programms der Robert Bosch Stiftung unterstützt. |
02. Februar 201518:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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PER LEO (Berlin)"Flut und Boden"Lesung und Diskussion |
![]() © Alexa Geisthoevel |
Per Leo hat in seinem Debüt „Flut und Boden“, der für den Preis der Leipziger Buchmesse 2014 nominiert war, die eigene Familiengeschichte zum Roman geformt. Der Enkel fragt nach dem Großvater, der Karriere im Rasse- und Siedlungshauptamt der SS gemacht hat. „Familienwappen, Humanismus, Schiffbau, Villa, Heide, Scholle, Bücher, Blitzkrieg, Sturmbannführer. Da komme ich also her.“ Was genau das für ihn und für die Familie bedeutet, danach fragt der von der Kritik hoch gelobte Roman, den Per Leo in der Reihe "Zwischen()Welten - Deutschsprachige Literatur der Gegenwart" vorstellen wird. Per Leo, geboren 1972 in Erlangen, studierte Geschichte, Philosophie sowie Russische Philologie in Freiburg und Berlin und wurde 2009 mit einer Arbeit über Ludwig Klages und die Tradition des charakterologischen Denkens promoviert. 2011 erhielt er für seine Dissertation den Humboldtpreis (Sonderpreis »Judentum und Antisemitismus«). Per Leo lebt als freier Autor in Berlin. |
19. Januar 201518:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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DORON RABINOVICI (Wien)"Andernorts"Lesung und Diskussion |
![]() © Susanne Schleyer |
Die Romane des israelisch-österreichischen Schriftstellers und Historikers Doron Rabinovici handeln von jüdischem Leben und Überleben in Europa und Israel, von Schuld und Erinnerung und ihren (politischen) Folgen, von der Suche nach Zugehörigkeiten. Was kann in der Darstellung dieser Themen der Roman, was die Geschichtsschreibung nicht kann? Darüber berichtet Doron Rabinovici bei Lesung und Gespräch. Doron Rabinovici, 1961 in Tel Aviv geboren, lebt seit 1964 in Wien. Er ist Schriftsteller, Essayist und Historiker. An der Universität Wien studierte er Medizin, Psychologie, Ethnologie und Geschichte und promovierte mit einer historischen Arbeit unter dem Titel „Instanzen der Ohnmacht: Wien 1938-1945. Der Weg zum Judenrat“. Für sein Werk erhielt Doron Rabinovici zahlreiche Auszeichnungen und Preise u.a. den Clemens-Brentano-Preis der Stadt Heidelberg und den Jean-Améry-Preis (beide 2002). Im Jahr 2014 war er gemeinsam mit Matthias Hartmann mit dem Projekt „Die letzten Zeugen“ (Burgtheater) zum Theatertreffen Berlin eingeladen. |
01. Dezember 201418:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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ULRIKE DRAESNER (Berlin)"Sieben Sprünge vom Rand der Welt"Lesung und Diskussion |
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Die Schriftstellerin Ulrike Draesner stellt in ihrem neuesten Roman „Sieben Sprünge vom Rand der Welt“ virtuos die Frage nach der Wahrheit in einer (historischen) Erzählung. Die Lebenswege der schlesischen Familie Grolmann werden mit dem Schicksal einer aus Ostpolen nach Wrocław vertriebenen Familie gekreuzt. Vier Generationen kommen zu Wort. Die Erinnerungen der Familien zeigen, wie die durch Flucht und Vertreibung ausgelösten Traumata weiterwirken und wie sich seelische Landschaften von einer Generation in die nächste weitervererben. Der Roman wird seit seinem Erscheinen von der Website www.der-siebte-sprung.de begleitet, auf der die Autorin Einblicke in die Entstehung des Romans sowie dessen Quellen gewährt. In einem kontinuierlichen Fortschreibungsprozess von Quellen, Stimmen und Gedanken sind auch die Leser aufgefordert ihre Geschichten einzuweben. Ulrike Draesner, geboren 1962 in München, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie in München und Oxford. 1992 promovierte sie mit einer Arbeit über Wolframs von Eschenbach „Parzival“. Seit 1996 lebt Ulrike Draesner als Dichterin, Essayistin und Prosaautorin in Berlin. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Mit klarem Blick untersucht es heutige Lebens- und Arbeitsverhältnisse. Die Texte nehmen sowohl die geschichtlichen Dimensionen Deutschlands als auch mediale und biotechnische Entwicklungen in den Blick. Die Veranstaltung wird aus Mitteln des Grenzgänger-Programms der Robert Bosch Stiftung unterstützt. |
30. Juni 201418:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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ANNETT GRÖSCHNER (Berlin)"Walpurgistag"Lesung und DiskussionModeration: Josephine Kujau
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![]() © Phillipp von Recklingshausen |
Annett Gröschners Werk ist das einer Spurensucherin: Vor dem Roman „Walpurgistag“ (2011), den die Autorin am 30. Juni in der Stadt-und Regionalbibliothek präsentieren wird, stand ein Radioaufruf, in dem sie zahlreiche Hörer veranlasste, die Begebenheiten ihres 30. April zu erzählen. Der Roman ist das Ergebnis dieses präzisen öffentlichen Nachfragens und Zuhörens. Er berichtet von einem einzigen Berliner Tag, der ein Mosaik an Figuren vorstellt, die ihren Platz in der Gesellschaft noch suchen, bereits verloren haben oder gar nicht darauf aus sind, ihn zu finden. Die Autorin entwirft ein dichtes erzählerisches Netz von der Stadt und gewährt Einblicke in die schmuck-sanierten Fassaden eines heutigen Berlin. Annett Gröschner, 1964 in Magdeburg geboren, lebt als Schriftstellerin und Journalistin seit mehr als zwei Jahrzehnten in Berlin. Im Jahr 2000 erschien ihr Roman "Moskauer Eis". Ihr Band "Mit der Linie 4 um die Welt" (2012) versammelt literarische Reportagen von 34 Orten der Welt. In gemeinsamen literarisch-fotografischen Projekten mit Arwed Messmer (u.a. Ausstellung und Buch "Aus anderer Sicht. Die frühe Berliner Mauer", 2011) dokumentiert Annett Gröschner Berliner und Brandenburger Zeitgeschichte. Über ihren 2011 erschienen Roman „Walpurgistag“ schrieb die Autorin Christa Wolf: „Lebensfülle, Wirklichkeitsfülle. Eine schier unendliche Fülle der verschiedensten Figuren, jeder Herkunft, jeden Alters. Unverkennbar Berlin. War es bei Döblin die Gegend um den Alexanderplatz in den zwanziger Jahren - bei der Gröschner ist es der Kollwitzplatz um die Jahrtausendwende. Ein unverwechselbares Milieu, ein unerschöpfliches Kaleidoskop von Zeitgenossen und Geschehnissen - faszinierend mit oft absurdem Blick gesehen, erzählt mit dem trockenen Humor dieser Autorin. Als Leser möchte man die Fesselung durch diese Welt nicht mehr missen. Ein Dokument, authentisch, poetisch. Ein großer Wurf." |
14. April 201418:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek, Frankfurt (Oder)Veranstaltung entfällt! |
GINO CHIELLINO (Berlin)"Landschaft aus Menschen und Tagen"Lesung und DiskussionModeration: Wiebke Sievers
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![]() © Jana Chiellino |
"Als Erich Fried 1987 Gino Chiellino den Adelbert-von-Chamisso-Preis überreicht, zeigt er sich erstaunt: „Eigentlich hätte ich gar nicht geglaubt, dass es Dichter wie Gino Chiellino überhaupt geben kann. Dichter, die gültige Verse in einer Sprache schreiben, die nicht ihre Muttersprache ist, sind ungemein selten.“ Die Lese- und Gesprächsreihe „Zwischen()Welten – Deutschsprachige Literatur der Gegenwart" tritt in der nunmehr siebten Lesung den Gegenbeweis an. Am 14. April 2014 ist der Lyriker, Essayist, Übersetzer und Literaturwissenschaftler Gino Chiellino in der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt (Oder) zu Gast. Er liest aus seinem literarischen Werk und berichtet im Gespräch mit der Literaturwissenschaftlerin Wiebke Sievers vom Über-Setzen der einen in die andere Sprache. Carmine Gino Chiellino, geboren 1946 in Carlopoli, Kalabrien, lebt seit den 1970er Jahren in Deutschland. Seine Werke verfasst er auf Italienisch und Deutsch. Für seine kreativen Sprachwechsel wurde er u. a. mit dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet. Zuletzt erschien in der Edition Lyrik Kabinett des Carl Hanser Verlags der Gedichtband „Landschaft aus Menschen und Tagen““. |
30. Januar 201419:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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LOTHAR QUINKENSTEIN (Berlin)"Tellurium" und "Gegenort"Lesung und DiskussionModeration: Bożena Chołuj (EUV)
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![]() © Wojciech Gajtkowski |
Lothar Quinkenstein ist ein Spurensucher. In Landschaften und Lektüren findet er die Zeichen einer nicht vergangenen Geschichte. Im Mittelpunkt seiner Erkundungen steht Polen, das Nachbarland der eigentümlichen Ferne. Hier, in der polnischen Gegenwart, öffnen sich die Perspektiven, entlarvt sich Vertrautes als Illusion. Lothar Quinkenstein wurde 1967 in Bayreuth geboren und wuchs im Saarland auf. Er studierte Germanistik und Ethnologie in Freiburg im Breisgau, lebte von 1994 bis 2011 in Polen und ist seit 2011 wohnhaft in Berlin. Lothar Quinkenstein war Stipendiat der Villa Decius (Krakau), des Künstlerhauses Schloss Wiepersdorf sowie der Denkmalschmiede Höfgen. Er hat zahlreiche Texte in deutschsprachigen und polnischen Literaturzeitschriften veröffentlicht. Zuletzt erschienen sein Roman Tellurium (Neisse Verlag 2013) sowie der Gedichtband gegenort (Allitera Verlag 2013).
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16. Januar 201419:00 UhrStadt- und Regionalbibliothek,
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ROBERT SCHINDEL (Wien)"Der Kalte" und andere WerkeLesung und DiskussionModeration: Andree Michaelis (Literaturwissenschaftler, EUV)
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![]() © Aleksandra Pawloff |
Eigentlich ist Robert Schindel ein Lyriker. Nun aber hat der österreichisch-jüdische Autor nach den beiden Lyrikbänden „Wundwurzel“ (2005) und „Mein mausklickendes Saeculum“ (2008) seinen zweiten großen Roman „Der Kalte“ (Suhrkamp 2013) vorgelegt. Sprachgewandt und experimentierfreudig zeichnet er darin ein Österreichbild aus den Jahren der Waldheim-Affäre. Das Ringen um die Erinnerung an KZ und NS bleibt dabei Schindels zentrales Thema. Doch das Buch ist mehr als eine Charakterstudie des „kalten“ Protagonisten Edmund Fraul, es ist zugleich ein vielschichtiges Bild der Gesellschaft dieser Jahre. Robert Schindel, geboren 1944 in Bad Hall bei Linz, überlebte als Kind jüdischer Kommunisten den Nationalsozialismus in Wien. Von 1961 bis 1967 war Schindel selbst auch aktives Parteimitglied der KPÖ. 1967 holte er sein Abitur nach, studierte Philosophie und engagierte sich in maoistischen Kreisen. Daneben entstanden Arbeiten für Film, Fernsehen und Rundfunk. Ab 1986 arbeitet er als freier Schriftsteller in Wien. Er erhielt zahlreiche Preise, darunter den Erich-Fried-Preis 1993, den Eduard-Mörike-Preis 2000 sowie 2007 den Jakob-Wassermann-Literaturpreis. |
20. Juni 201320:00 UhrEUVFrankfurt (Oder) |
IRENA BREŽNÁ (Basel)"Die undankbare Fremde"Lesung und Diskussion im Rahmen der interdisziplinären Konferenz Gedächtnis und Gewalt – Nationale und transnationale Erinnerungsräume im östlichen EuropaModeration: Dr. Dirk Wissen (Direktor SRB Frankfurt/Oder)
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![]() © Marian Strauch |
Die Entscheidung für das Exil geht immer mit einem Verlust einher. Für Irena Brežnás rotznasige Ich-Erzählerin ist dies vor allem der Verlust der eigenen Sprache, der einer körperlichen Verstümmelung gleichkommt. Die neue Heimat Schweiz erweist sich für die junge Tschechoslowakin als ein sperriges Land, in dem sie nicht nur mit einer latenten Fremdenfeindlichkeit zu kämpfen hat, sondern auch mit den Höhen und Tiefen auf dem Weg persönlicher Selbstfindung. Wie brüchig ist in Europa das Verhältnis zwischen denen, die Schutz suchen, und denen, die Schutz bieten? Mit poetischer Sprachgewalt erzählt Irena Brežná von einem Versuch des Ankommens und verleiht dabei den Sprachlosen, Verfolgten und Ratlosen eine eigene Stimme. Irena Brežná liest am 20. Juni im Senatssaal (Hauptgebäude, EUV) aus ihrem nicht nur in der Schweiz heftig diskutierten Roman Die undankbare Fremde (Verlag Galiani Berlin, 2012). „In diesem Buch können wir natürlich vieles von unseren westlichen Neurosen wiedererkennen – was sie hier zeigt, ist, dass es keine EU genormten Mentalitäten gibt, sie zeigt wie Mentalitäten in Europa aufeinander stoßen, wie schmerzhaft das ist und dass Anpassung nicht nur etwas ist, was die leisten müssen, die in das Land kommen, sondern etwas ist, was natürlich auch die Gastgeber leisten müssen, dass dieser Anpassungsdruck […] nicht alles sein kann, das kann man in diesem Buch sehr schön lernen. […] Es ist ein sehr mutiges Buch." Iris Radisch (Literaturclub) Mit freundlicher Unterstützung der Herbert und Elsbeth-Weichmann-Stiftung. |
![]() © Jakob Steden |
„Sie ist eben nur eine mesopotamische Geschichte“, heißt es über die Reise eines Briefes durch die arabischen Staaten vor dem revolutionären Frühling. Was dem Exilanten in Libyen bleibt, um seiner großen Liebe im zurückgelassenem Irak ein Zeichen zu schicken, ist eine heutzutage fast anachronistisch anmutende Form der Kommunikation: der Brief. Ein Netzwerk von illegalen Briefboten schleust die zärtlichen Worte durch mehrere Länder und vermeintlich auch durch die Zensur. Dabei entsteht ein schicksalhaftes Panorama des möglichen Umgangs mit dem Leben in einer Diktatur: vom Dissidenten zum Mitläufer, von Bengasi bis nach Bagdad. Am 04. Juli stellt der Chamisso-Förderpreisträger und gebürtige Iraker Abbas Khider in der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt (Oder) seinen neuesten Roman Brief in die Auberginenrepublik (Edition Nautilus Verlag, 2013) vor. „All das ist einfach und unprätentiös geschrieben, dabei aber tiefenscharf in der Bildhaftigkeit, gewürzt mit einer Prise trockenen Witzes. Klar, sein Lebensweg ist eine fast unglaubliche Abenteuergeschichte. Aber Abbas Khider kann mehr, als einfach nur daraus zu schöpfen: Die Schreibweisen, die Perspektiven, die Themen – unter den jüngeren deutschen Autoren ist er einer der interessantesten." Ulrich Noller (WDR Funkhaus Europa) Mit freundlicher Unterstützung der Sparkasse Oder-Spree und der Kulturbetriebe Frankfurt (Oder). |
![]() © Kurt Kaindl/Deuticke Verlag |
Ein namenloser, russisch-jüdischer Autor mittleren Alters begibt sich auf eine Lesereise durch das heutige Israel, das Land, von dem seine Eltern einst träumten. Das autobiographisch gefärbte Romanmanuskript, das er dabei vorstellt, katapultiert ihn und den Leser in das von der Waldheim-Affäre geprägte Österreich der achtziger Jahre – nicht nur die Zeit seines Studiums und der ersten großen Liebe, sondern auch die der Ernüchterung angesichts einer nicht zu realisierenden Integration. So verwebt sich in der Konfrontation mit der israelischen Realität die persönliche Odyssee des Erzählers mit der immer wieder aufgeworfenen Frage nach einer eigenen Identität. Vladimir Vertlib entwirft mit bissigem Humor und narrativem Feingespür eine emotionale Selbstsuche zwischen Heimat und Fremde. Am 14. Mai liest er in der Stadt- und Regionalbibliothek Frankfurt (Oder) aus seinem Roman Schimons Schweigen (Deuticke Verlag 2012). „In seinem neuen, vielleicht bisher besten Buch macht Vladimir Vertlib die oft tragikomischen Zerreißproben im Leben eines Kosmopoliten wider Willen nacherlebbar und führt uns auf beschämende Weise die Absurdität jener Identitäts- und Herkunftsdebatten vor Augen, die heute zuweilen wieder bedrohliche Formen annehmen." Sabine Berking (Frankfurter Allgemeine Zeitung) Mit freundlicher Unterstützung der Kulturbetriebe Frankfurt (Oder). |
![]() © Peter-Andreas Hassiepen |
Lebhaft kündigt sich der Tag an und sie will am liebsten liegenbleiben - Mascha Kogan, Mittzwanzigerin, Studentin, jüdischer Kontingentflüchtling aus Aserbaidschan, und vor allem eins: traumatisiert. Als ihr Freund Elias stirbt, platzen kaum verheilte Wunden wieder auf und die Suche nach Trost und Sinn in Zeiten von Wurzellosigkeit, Vertreibung und Verlust lässt sie bis in den Nahen Osten reisen. Was dabei herauskommt, ist der vorsichtige Entwurf einer neuen Identität als Weltbürgerin. Und die wahrscheinlich stärkste und eigensinnigste Erzählfigur der jüngsten deutschen Literatur. Mit Scharfsinn und Ironie porträtiert Olga Grjasnowa eine Generation, für die Worte wie „postmigrantisch“ oder „Integrationsverweigerung“ nicht mehr als überkommene Floskeln sind. Für ihr faszinierendes Prosadebüt erhielt die 1984 in Baku geborene Grjasnowa zuletzt den Klaus-Michael Kühne-Preis und den Anna Seghers-Preis. „Olga Grjasnowa trifft aus dem Stand den Nerv ihrer Generation. Zeitgeschichtlich wacher und eigensinniger als dieser Roman war lange kein deutsches Debüt." Ursula März (Die Zeit) „Hier kommt die Welt zu Ihnen, wie sie noch nie zu Ihnen gekommen ist in einem Roman. Mit Macht, mit Witz, mit Weisheit, mit Scharfsicht und Scharfsinn, mit Tempo und Trauer." Elmar Krekeler (Die Welt) Mit freundlicher Unterstützung der Kulturbetriebe Frankfurt (Oder). |