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Jann Amos Blodau

Nach dem Ende der Natur. Liminale Anthropologien bei Hans Blumenberg und W.G. Sebald

Die Verbreitung ökologischen Wissens sowie die Einsicht in die Veränderbarkeit planetarer Lebensgrundlagen führt spätestens seit den 1970er Jahren zu einem sukzessiven Plausibilitätsverlust des tradierten Mensch-Natur-Dualismus. Das neuzeitlich-europäische Weltbild, das den (weißen, maskulinen) Menschen als Subjekt der Geschichte konstruiert, weicht im Zuge der sich intensivierenden Umweltkrise(n) einem neuen Geozentrismus, der die relationale Bedingtheit des menschlichen und nicht-menschlichen Lebens sowie der anorganischen Physis in den Vordergrund rückt. Das geplante Forschungsprojekt folgt der These, dass diese kosmologische Dezentrierung des Menschen den Schriften Hans Blumenbergs und W.G. Sebalds als eine Inszenierung von Schwellenfiguren und Naturzuständen eingeschrieben ist. Indem Blumenbergs Anthropologie und Sebalds postkatastrophische Literatur die Perspektiven eines ersten und eines letzten Menschen entwerfen, besetzen sie die imaginären Ränder der Humangeschichte und rekonzeptualisieren auf je unterschiedliche Weise das mythische Thema menschlicher Naturverfallenheit. In der narrativen Ausgestaltung von Grenzbereichen wird die Auflösung der dualistischen Ordnung und das Eingebundensein der menschlichen Spezies in eine tiefenzeitliche Naturgeschichte verhandelt. Der Mythos bzw. das mythische Denken wird dabei zum Modus einer Bewältigungsstrategie, die den menschlichen Weltbezug anhand von Grenz- und Überlebensbedingungen neu auszurichten versucht – ein Prozess, der in den konkurrierenden Metanarrativen des Anthropozäns (des Kapitalozäns, des Chthuluzäns) eine Fortsetzung findet.

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