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Offener Vernetzungsworkshop: Wie die Transformation unsere Grenzregion verbindet?

Im Rahmen des deutsch-polnischen Projektes „Mare, Pomerania, Confinium“ hat die Europa-Universität Viadrina am 14. September 2021 Vertreter*innen der Bildungs- und Forschungsinstitutionen, Museen, Archive, Bibliotheken sowie freie Historiker*innen und Kulturerbeaktivist*innen zu einem Vernetzungsworkshop ins Collegium Polonicum in Słubice eingeladen. Themenschwerpunkt war die Geschichte von Transformationen. Kulturerbe der Grenzregion an der mittleren Oder im Zeitalter der Moderne.

20210914_162735 ©Dr. Magdalena Abraham-Diefenbach

Was ist Transformation? Was ist die „Grenzregion“?

Im Einführungsblock wurde in drei Auftaktreden der aktuelle thematische und politische Rahmen umrissen. Ellen Kray von der brandenburgischen Landesregierung stellte das aktuelle Konzept der polnisch-brandenburgischen Nachbarschaft vor, ging dabei auf Aspekte der Erinnerungskultur und Geschichte ein. Sie erwähnte auch die umfassende öffentliche Konsultation zu dem Konzept hin, während Teilnehmende auf dessen Unzulänglichkeiten bei der Wahrnehmung des Grenzgebiets innerhalb der Grenzen der Bundesländer hinwiesen. Denn: Brandenburg erstellt auf polnischer Seite ein Konzept für alle an Deutschland angrenzenden Woiwodschaften, während auf deutscher Seite die zentrale Stadt Berlin nicht berücksichtigt wird. Dies ist nur aus Sicht der Landesverwaltung verständlich, aus Sicht eines in der Grenzregion lebenden Bürgers jedoch völlig unverständlich. 

Dr. Susann Worschech (Europa-Universität Viadrina) stellte ein soziologisches Verständnis des Transformationsbegriffs vor, der in jüngster Zeit im Zusammenhang mit den Bestrebungen, in Frankfurt (Oder) eine Bundesanstalt anzusiedeln, die sich mit der großflächigen Transformation der ehemaligen DDR nach ihrer Eingliederung in bundesdeutsche Strukturen befasst, viel diskutiert wurde. Dabei machte sie auf das Gefühl der Unruhe, der Niederlage und der Zukunftsangst in den sogenannten neuen Bundesländern aufmerksam. 

20210914_101609 ©Dr. Magdalena Abraham-Diefenbach

Dr. Magdalena Abraham-Diefenbach führte dann in die Geschichte der Region ein und stellte den Wandel regionaler Begriffe zwischen Ostbrandenburg, der Neumark und Lebuser Land vor, die immer politisch motiviert und an bestimmte Interessengruppen gebunden sind. 

Während der Kaffeepause hatten die Teilnehmenden die Gelegenheit, sich kennen zu lernen und auszutauschen sowie ihr Poster zu präsentieren, auf denen sie ihre Einrichtungen und Projektideen vorstellten.

Block-Diskussionen zu historischen Fragen und aktuellen Schwierigkeiten

Im zweiten Block, der sich regionalen Themen widmete, moderierte Prof. Paul Zalewski die Diskussion rund um drei Beiträge:

Grażyna Kostkiewicz-Górska, Leiterin der regionalen Abteilung der Woiwodschaft-Bibliothek in Gorzów, erläuterte die Neumark als Thema, die Regionale Sammlung und Projekte in der Woiwodschaft-Bibliothek in Gorzów Wielkopolski.
Dr. Anitta Maksymowicz vom Museum des Lebuser Landes in Zielona Góra sprach über Migration im 19. und 20. Jahrhundert.
Anke Grodon und Marzena Wazińska vom Museum Schwedt berichteten von der Rolle der Jüdischen Geschichte der Region in den Städtische Museen Schwedt/Oder und ihr deutsch-polnisches Netzwerk.

20210914_162546 ©Dr. Magdalena Abraham-Diefenbach

Im dritten Block zu verschiedenen Projektformaten, moderiert von Dr. Magdalena Abraham-Diefenbach, wurden Probleme der Arbeit mit Schülern und Jugendlichen sowie die Funktionen und Perspektiven von Regionalmuseen thematisiert:

Stephan Felsberg vom Bildung- und Begegnungszentrum Schloss Trebnitz stellte Schüler- und Jugendaustausch sowie Erwachsenenbildung zu historischen Themen in der Region vor.

Prof. Steffen Schuhmann von der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und dem museum oder spree in Beeskow, thematisierte Gegenwart und Zukunft von Regionalmuseen.

Sektionen auf Erkenntnissuche

Nach der Mittagspause, die auch dem Austausch zwischen den Teilnehmenden diente, arbeiteten drei Arbeitsgruppen zu folgenden Themen:

In der Sektion 1 vermittelte Dr. Tim Müller vom Museum Viadrina in Frankfurt (Oder) zur Entwicklung der Kulturlandschaft der Oderregion und ihre Bedeutung für die regionale Identität heute in Form von Spielen und Workshop-Methoden Narrative von Regionalgeschichte am Beispiel der Lausitzer Region während der Industrialisierung.

In der Sektion 2 beschäftigte sich Stephan Felsberg mit den Teilnehmern mit der Frage „Was lernen wir aus den Brüchen und Kontinuitäten der europäischen Zeitgeschichte an der Oder?“ und der Problematik des Aufbaus einer neuen deutsch-polnischen regionalgeschichtlichen Einrichtung in Frankfurt (Oder), die auf den Sammlungen der Stiftung Brandenburg in Fürstenwalde aufbauen könnte. Dabei kam heraus: 

Es gab eindeutig zu wenig politische Lobbyarbeit seitens der beteiligten Institutionen.
Gleichzeitig besteht ein Bedarf an dieser Art von Einrichtungen, die den deutsch-polnischen Dialog über historische Fragen langfristig und stabil unterstützen und moderieren kann. 

20210914_164231 ©Dr. Magdalena Abraham-Diefenbach

Zum Wandel von Kulturinstitutionen in lokalen und regionalen Kontexten – den Ähnlichkeiten und Unterschieden in Deutschland und Polen tauschte sich in Sektion 3 Prof. Steffen Schuhmann mit seiner Gruppe aus. Sie konzentrierten sich auf den Austausch individueller und institutioneller Erfahrungen zwischen den Teilnehmenden, darunter Vertreter von Radio Słubfurt, der Brandenburg-Stiftung und des Museums des Lebuser Landes in Zielona Góra. 

Neue Generation des Grenzaktivismus braucht Netzwerk-Knotenpunkt

In der folgenden Auswertung kristallisierte sich als wichtigste Schlussfolgerung heraus, dass regelmäßige Treffen dieser Art notwendig sind – nicht sporadisch oder abhängig vom Erhalt von Mitteln aus dem Interreg-Programm. Das aber stellt sich als sehr schwierig zu handhaben heraus. Leider schlägt sich der Verwaltungsaufwand hier nicht in Ergebnissen nieder; es ist unmöglich, die Sitzungen regelmäßig und zyklisch zu gestalten und ihnen eine sinnvolle thematische Abfolge zu geben. Vielmehr beginnt man immer wieder fast bei Null. Allein die Tatsache, dass an dem Vernetzungstreffen viele Menschen teilnahmen, die sich seit Jahrzehnten Jahren kennen und seit Jahren an ähnlichen Veranstaltungen teilnehmen, zeigt, dass es an einer neuen Generation von „Grenzaktivist*innen“ fehlt, die sich für die Geschichte der Grenzregion interessieren.

Die Schaffung einer deutsch-polnischen Bildungseinrichtung in Frankfurt (Oder) oder/und in Słubice könnte beide Probleme lösen – ein dauerhaftes Programm für grenzüberschreitende Netzwerktreffen anbieten und eine neue Generation von Grenzaktivisten an der mittleren Oder ausbilden und unterstützen. 

Dr. Magdalena Abraham-Diefenbach, Oktober 2021

Der Workshop findet im Rahmen des Projektes: "Das Meer – Pommern – die Grenzregion als Orte des deutsch-polnischen Dialogs. Grenzübergreifendes Netzwerk zur wissenschaftlichen Kooperation und historischen Bildung über Ostsee und Odergebiet“ statt. Das Projekt wird durch die Europäische Union aus Mitteln des Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert.