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Jüdische Friedhöfe in Westpolen

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Im November 2019 startete am Lehrstuhl für Denkmalkunde der Europa-Universität Viadrina ein von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gefördertes Forschungsprojekt, das die jüdischen Friedhöfe des historischen Ostbrandenburgs wissenschaftlich erschließen, dokumentieren und online präsentieren möchte. Die zu untersuchenden Begräbnisplätze befinden sich allesamt in der Woiwodschaft Lebus und Westpommern in Polen. Sie sind mehr oder weniger durch Verwahrlosung betroffen, so dass die rasche Dokumentation der Grabsteine und Friedhofbauten dringend geworden ist. Mit diesem Projekt soll eine Lücke in der Erforschung der Geschichte Mittelosteuropas und der dort einst ansässigen Juden geschlossen werden.

Link zu Publikationen und Dokumentationsvideos des Projektteams Viadrina

Zum tieferen Verständnis der Geschichte Mittelosteuropas ist die Kenntnis der Geschichte der Juden in den Grenzregionen eine wesentliche Voraussetzung. Denn sie übernahmen wichtige Vermittlerfunktionen im internationalen Kultur-, Wirtschafts-, Handels- und Wissenstransfer. Dies gilt insbesondere für die Region östlich von Oder und Lausitzer Neiße, die seit 1945 die deutsch-polnische Staatsgrenze markiert und sich über die Wojewodschaften Westpommern (Zachodniopomorskie) und Lebus (Lubuskie) erstreckt.

Einen ersten Überblick über Lage und Zustand der jüdischen Friedhöfe in Wetspolen
vermittelt diese interaktive Online-Karte:
WebKarteScreenshot ©Peggy Lohse

Diese Grenzregion erlebte zunächst fließende, dann erstarrende nationalstaatliche Grenzziehungen, die in den in den letzten 250 Jahren konfliktbehaftete Veränderungen erlebte. Vor diesem Hintergrund stellen sich verschiedene Fragen zur kulturellen Selbstbestimmung der Juden im ethnisch heterogenen Sozialgefüge des Grenzlandes. Zu den wenigen Quellen für eine derartige Forschung gehören die spärlichen materiellen Hinterlassenschaften, wie z. B. die Friedhofbestände. Das hier vorgestellte Projekt bezieht sich auf die Friedhöfe jener Landkreise östlich der Oder und der Lausitzer Neiße, die bis 1945 zum Regierungsbezirk Frankfurt (Oder) gehörten (Neumark, Sternberger Land und Teil der Lausitz).

3 ©sek Durch politische Entwicklungen und Migrationsbewegungen unterschiedlicher Art entstanden in den hiesigen Städten und sogar in einigen Dörfern zahlreiche jüdische Gemeinden, die bis zu ihrer Auslöschung in der NS-Zeit existierten. Die dazugehörigen Begräbnisplätze sind heute zumeist das einzige authentische Zeugnis der hier einst bestehenden jüdischen Gemeinschaften. In der heute zu Westpolen gehörenden Region existieren noch ca. 30 jüdische Friedhöfe unterschiedlichster Größe, die zum Teil beräumt sind, zum Teil aber aus einzelnen Fragmenten bis hin zu geschlossenen Grabsteinfeldern bestehen. Diese Zeugnisse der Erinnerungskultur der Juden zählen seit 1945 zum weitestgehend marginalisierten und nicht angeeigneten kulturellen Bestand, dessen Inhalte noch viel weniger bekannt sind als die Zeugnisse der Erinnerungskultur der nichtjüdischen Bewohner. Dadurch und aufgrund von Vernachlässigung und Vandalismus ist die materielle Substanz der jüdischen Friedhöfe stark bedroht. Es besteht die Gefahr, dass sie im Laufe der kommenden Jahre unwiederbringlich verloren geht.Die jüdischen Friedhöfe stellen eine einzigartige und oft ungenutzte Quelle zur Erschließung der jüdischen Geschichte dar. An ihrer Anlage und vor allem an den Grabsteinen und ihren Inschriften lassen sich wesentliche Aspekte der Entwicklung der Gemeinden und der Stellung ihrer Mitglieder ablesen.

Sie geben Auskunft über die religiösen Strömungen der Gemeinden, den Grad der Akkulturation an die christliche Mehrheitsgesellschaft, über Berufe und soziale Zugehörigkeiten.Das Ziel des deutsch-polnischen Projektes besteht nun darin, diese Friedhöfe und ihren materiellen Bestand aus Grabsteinen und Friedhofsbauten erstmalig vollständig zu dokumentieren, um sie als Quelle für die historische Forschung zu erhalten und zu erschließen. Ein weiteres Ziel ist, diese Dokumente bekannt zu machen und wissenschaftliche sowie lokale Initiativen bei ihrer Erinnerungsarbeit zu unterstützen. Mit der Einbindung von Nachwuchswissenschaftlern werden außerdem Werkzeuge vermittelt, wie spezielle historische Felddaten generiert und für die Forschung nutzbar gemacht werden können. Die Dokumentationsergebnisse fließen ein in die Online-Datenbank „Jüdische Friedhöfe in Brandenburg“ , die am Institut für jüdische Studien und Religionswissenschaft der Universität Potsdam verankert ist. Unterstützt wird das Projekt durch das Institut für Judaistik der Jagiellonen Universität in Krakau sowie das Museum des Meseritzes Landes in Międzyrzecz.

Internationaler Workshop für Nachwuchswissenschaftler 
vom 5. bis 10. September 2021 in Międzyrzecz (wersja polska)

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Die Projektbeteiligten beim ersten Arbeitstreffen im November 2019 im Collegium Polonicum: Dr. Magdalena Abraham-Diefenbach, Dr. habil. Leszek Hońdo (Jagiellonen-Universität Krakau), Anke Geißler-Grünberg M.A., Prof. Paul Zalewski (v.l.n.r.)

Projektleitung: Dr. Magdalena Abraham-Diefenbach

Wissenschaftliche Mitarbeiterin: Anke Geißler-Grünberg M.A.

Kontakt: Geissler-Gruenberg@europa-uni.de 

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Kooperationspartner:

Prof. Thomas Brechenmacher, Historisches Institut der Universität Potsdam

Dr. hab. Leszek Hońdo, Institut für Judaistik der Jagiellonen-Universität Krakau

Andrzej Kirmiel, Museum des Meseritzes Landes (Muzeum Ziemi Międzyrzeckiej), Międzyrzecz


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Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)

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Pressespiegel: