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04: Neue Grenzen, neuer Bahnhof - Nowe granice, nowy dworzec

04-02-Ostmarkbauten-Kie├ƒling ©Martin Kießling

Die „Ostmarkbauten“ für die Beamten der Reichsbahndirektion Osten wurden in Rekordzeit gebaut. Architekt Martin Kießling achtete trotzdem besonders auf moderne Wohn- und Sanitärstandards. Gleichzeitig blieben die Bauten mit ihrer „Heimatschutzarchitektur“ der Vergangenheit verhaftet: In der Siedlung Paulinenhof trugen die Straßen die Namen der aus deutscher Sicht „verlorenen“ Städte – wie die hier abgebildeten Häuser am Posener Ring.

[Martin Kießling: Ostmarkbauten. Städtebau in einer Mittelstadt, Stuttgart 1925, Tafel 4]

04-03-Eisenbahnerdenkmal-P1080397 ©Aufnahme: Jan Musekamp

1932 wurde auf dem Kiliansberg feierlich das Eisenbahnerdenkmal eingeweiht. Angestoßen und finanziert hatten es die Mitarbeiter der Reichsbahndirektion Osten. Sie gedachten damit der im 1. Weltkrieg gefallenen Eisenbahner der ehemaligen Eisenbahndirektionen Bromberg (Bydgoszcz), Posen (Poznań) und Danzig (Gdańsk). Für diese Direktionen, aus deren Resten die Reichsbahndirektion Osten entstand, stehen die drei Säulen, die von einem geflügelten Bronzerad gekrönt werden.

[Aufnahme: Jan Musekamp]

04-G2-Neu_Bentschen-NEU ©Sammlung Jan Musekamp

Nach 1918 verlief die deutsch-polnische Grenze nur noch etwa 100 Kilometer östlich von Frankfurt. In Neu Bentschen (Zbąszynek) errichtete die Reichsbahn einen repräsentativen neuen Grenzbahnhof zur Abfertigung von Waren und Passagieren.

[Sammlung Jan Musekamp]

04-01-Polnischer_Korridor ©Pommernjahrbuch 4 (1929)

Durch die Schaffung des „Polnischen Korridors“ musste die Verbindung ins deutsch verbliebene Ostpreußen im Transitverkehr durchgeführt werden. Auch über Frankfurt fuhren einige dieser Transitzüge, die auf polnischem Gebiet verschlossen blieben. Anders als die deutsche Propaganda behauptete, funktionierte die deutsch-polnische Zusammenarbeit relativ gut. Zoll- oder Passkontrollen entfielen und die Reisezeit zwischen Berlin und Königsberg reduzierte sich stetig auf gute sieben Stunden, so schnell wie nie zuvor oder danach.

[Pommernjahrbuch 4 (1929), Einlage]

04-G1-alternativ-Bahnhofsgebaude-FFO-1928 ©Sammlung Jan Musekamp

Nach der Jahrhundertwende wurde der Bahnhof erneut zu klein und wieder musste ein neues Gebäude errichtet werden. 1924 wurde das heutige Bahnhofsgebäude eingeweiht – hier auf einer Postkarte der späten 1920er Jahre.

[Sammlung Jan Musekamp]

Bauten für die Zukunft - Die Zwischenkriegszeit

Die Jahre zwischen 1918 und 1939 brachten für die Eisenbahn in Frankfurt (Oder) eine Welle an Veränderungen: Die Stadt wurde Sitz der Reichsbahndirektion Osten und rege Bautätigkeit machte aus dem Bahnhof das, was wir heute kennen.

Infolge des Versailler Vertrages kamen 1919 die ehemaligen preußischen Provinzen Westpreußen und Posen mehrheitlich zu Polen. Es sollte dadurch für das wiedererrichtete Polen ein direkter Zugang zur Ostsee geschaffen werden: der „Polnische Korridor“. Für das Deutsche Reich hatte dies jedoch noch einen weiteren Nebeneffekt, denn nun fand sich die Provinz Ostpreußen mit seiner Hauptstadt Königsberg (heute Kaliningrad) in einer isolierten Insellage wieder. Die direkte Landverbindung zwischen Ostpreußen und dem Rest Deutschlands führte nun durch Polen. Zwar wurde 1921 der erste zivile deutsche Flughafen bei Königsberg eröffnet und ein Jahr später der Seedienst Ostpreußen eingerichtet, um den ostpreußischen Hafen Pillau (Baltijsk) mit Swinemünde (Świnoujście) in Pommern zu verbinden, jedoch blieb die Eisenbahn der wichtigste und schnellste Verkehrsträger auf der Strecke. Für die Fahrten durch Polen musste folglich eine praktikable Lösung gefunden werden.

Im April 1921 unterzeichneten Deutschland und Polen daher ein Transitabkommen für den Eisenbahnverkehr durch den „Polnischen Korridor“, das die Durchfahrt für alle Beteiligten vereinfachte. Für die Streckenabschnitte auf polnischem Gebiet wurden die Züge durch polnisches Personal bedient und von polnischen Lokomotiven gezogen, während die Waggons verschlossen und verplombt wurden. Zoll- und Passkontrollen konnten so entfallen. Anders als die deutsche Propaganda behauptete, funktionierte die deutsch-polnische Zusammenarbeit relativ gut. Die Reisezeit zwischen Berlin und Königsberg reduzierte sich im Laufe der Zwischenkriegszeit auf gute sieben Stunden, so schnell wie nie zuvor oder danach. Auch über Frankfurt fuhren einige dieser Transitzüge, auch wenn der Großteil der Züge über die preußische Ostbahn geführt wurde, wo die im Transit zurückgelegte Strecke deutlich kürzer war.[i]

Die Bestimmungen des Versailler Vertrags hatten jedoch noch andere, direktere Auswirkungen auf die Eisenbahn in Frankfurt (Oder). Durch die neuen Verhältnisse mussten die deutschen Eisenbahnen die nun in Polen liegenden Teile ihres Netzes an die polnische Bahn übergeben. Dies betraf insbesondere die Strecken der Eisenbahndirektionen Bromberg (Bydgoszcz), Posen (Poznań) und Danzig (Gdańsk). Aus den bei Deutschland verbliebenen Strecken entstand 1919 die Eisenbahndirektion Osten, die zunächst provisorisch in Berlin-Charlottenburg beheimatet war und 1922 ihren Namen in Reichsbahndirektion (RBD) Osten änderte. Ein Jahr später zog die RBD Osten nach Frankfurt (Oder) in eine ehemalige Kaserne in der Logenstraße, sodass von hier aus nun große Teile der Eisenbahnstrecken östlich von Berlin verwaltet wurden. Noch heute lassen sich in Frankfurt Spuren der RBD Osten finden: Die drei Säulen des Eisenbahnerdenkmals auf dem Kiliansberg, die das geflügelte Bronzerad tragen, stehen für die im 1. Weltkrieg gefallenen Eisenbahner der drei ehemaligen Direktionen.

Mit der RBD Osten kamen auch über 700 Beamte mit ihren Familien nach Frankfurt. Da der Wohnraum in der Stadt knapp war, initiierte die Reichsbahn ein ambitioniertes Wohnungsbauprojekt für ihre Mitarbeiter. Unter der Leitung von Architekt Martin Kießling wurden bis 1923 die sogenannten „Ostmarkbauten“ errichtet. Die Zielsetzungen des Projekts waren dabei durchaus fortschrittlich: Es wurde besonders auf die Wünsche der zukünftigen Bewohner, aber auch auf moderne Wohn- und Sanitärstandards geachtet. In der Planungsphase durften die Mitarbeiter selbst entscheiden, ob sie lieber in ländlich geprägten Reihenhäusern mit eigenem Garten oder in eher städtischen Wohnungen in Mehrfamilienhäusern leben wollten. Beide Optionen boten in jeder Wohneinheit ein eigenes Bad mit Wanne – zum damaligen Zeitpunkt keine Selbstverständlichkeit.

Bekanntestes Beispiel für die Ostmarkbauten ist die Wohnsiedlung Paulinenhof in der Nuhnenvorstadt, die als Ensemble in ihrer Gesamtheit auf Kießling zurückgeht. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts lebten hier noch vorwiegend Eisenbahner. An der Siedlung Paulinenhof lässt sich jedoch auch ablesen, dass die in ihrer Ausstattung so fortschrittlichen Ostmarkbauten in ihrer Architektur sehr traditionsbezogen – gar heimattümelnd – blieben: Ganz im Sinne des Gartenstadtideals sollte die Siedlung einen dörflichen Charakter behalten. Besonders deutlich wird der Traditionsbezug in den Straßennamen. Die heute nach Komponisten benannten Straßen trugen ursprünglich die Namen von den aus deutscher Sicht seit 1919 „verlorenen“ Städten. So hieß der Peter-Tschaikowski-Ring bis 1953 Posener Ring. Neben der Siedlung Paulinenhof gibt es jedoch noch heute eine Vielzahl von verstreuten Einzelbauten Kießlings zu finden, beispielsweise das repräsentative Gebäude am Nordende des Angers, das dem Leiter der Reichsbahndirektion als Herberge diente.[ii]

Auch für die Reisenden von und nach Frankfurt brachte die Zwischenkriegszeit Neuerungen. Anfang der 1920er Jahre wurde deutlich, dass die Anlagen des damaligen Frankfurter Bahnhofs dem Verkehr nicht mehr gewachsen waren. Zwischen 1922 und 1924 entstand daher das heutige Bahnhofsgebäude. Das alte Empfangsgebäude, das in etwa zwischen dem neuen Bahnhof und der Bahnsteighalle lag, wurde abgerissen und musste neuen Gleisanlagen weichen. Hier liegen heute Gleis 1 bis 4, die nicht durch einen Bahnsteig erschlossen sind.

Parallel zum Umbau des Bahnhofsgebäudes wurde die Gelegenheit für eine großflächige Umgestaltung der Umgebung genutzt. Vorwiegend in Handarbeit wurde das Geländeniveau des Bahnhofsplatzes, der sich ursprünglich auf gleicher Höhe wie die Gleisanlagen befand, um einige Meter abgesenkt. Daraus ergaben sich mehrere Vorteile. Zum einen wurde der Höhenunterschied zwischen Stadtzentrum und Bahnhof gemindert und die Erreichbarkeit des Bahnhofs vereinfacht. Wichtiger noch war jedoch, dass nun erstmals ein Straßentunnel unter den Gleisanlagen gebaut werden konnte. Zuvor verband nur ein Fußgängertunnel das Stadtzentrum und den Bahnhofsvorplatz mit Beresinchen. Noch heute lässt sich im Verlauf der Bahnhofstraße und besonders am Bahnhofshotel gut das ursprüngliche Geländeniveau erkennen: Die Hauseingänge, die sich noch auf der früheren Höhe befinden, sind nur über Treppen zu erreichen.

Anfang der 1930er Jahre setzte die Eisenbahn in Deutschland den Modernisierungskurs auch im technischen Bereich fort. Die Reichsbahn schuf ein Netz von Schnellverbindungen zwischen Großstädten, das von modernen Dieseltriebzügen befahren wurde. Pioniercharakter hatte der noch heute unter Eisenbahnenthusiasten als legendär bezeichnete „Fliegende Hamburger“, der Hamburg und Berlin in einer Zeit verband, die erst am Anfang des 21. Jahrhunderts unterboten wurde. Auf der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn fuhr zwischen 1936 und 1939 der sogenannte "Fliegende Schlesier" zwischen Berlin und Breslau mit bis zu 160km/h. Frankfurt (Oder) wurde dabei jedoch ohne Halt durchfahren.[iii]



[i]     Zum Transitverkehr durch den „Polnischen Korridor“ siehe: Marcin Przegiętka, „Der Transitverkehr durch Polen nach Ostpreußen in der Zwischenkriegszeit: Anlass für eine verstärkte Zusammenarbeit oder Ursache für den Zweiten Weltkrieg?“, in Die Ostbahn im Spiegel der Zeit: Eine Reise von Berlin nach Königsberg, Ausstellungskatalog (Frankfurt (Oder): Institut für Angewandte Geschichte, 2010).
[ii]    Für eine umfassende und reich bebilderte Darstellung der Ostmarkbauten siehe: Martin Kießling, Ostmarkbauten: Städtebau in einer Mittelstadt (Stuttgart: Julius Hoffmann, 1925).
[iii]   Vgl. DB Museum (Hg.), Im Dienst von Demokratie und Diktatur: Die Reichsbahn 1920-1945 (DB Museum, 2004), 83-88.