Diaspora Exil Migration
Forschungskolloquium: Diaspora, Exil, Migration – Methodische und theoretische Neuansätze III
Das deutschsprachige Exil, dessen Erforschung mittlerweile auf eine langjährige Geschichte zurückblicken kann, gerät in den letzten Jahren vor allem aus einer interdisziplinären Perspektive (kultur-)wissenschaftlicher Theorien über Erinnerungskulturen, kulturelle Identitäten sowie Migrations- und Transferbeziehungen in regionalen, nationalen und transnationalen Räumen (Migrationsbewegungen eingeschlossen) erneut ins Blickfeld wissenschaftlichen Interesses. Aktuelle wissenschaftliche Beiträge formulieren neue Fragen an die Quellen, – im Kontext interkultureller oder interreligiöser Dialoge, der Darstellungen zu jüdischer Kultur und Geschichte, zur Genderforschung, oder zur Kultur, Geschichte, Kunst und Literatur der Nachkriegszeit. Das Kolloquium thematisiert diese unterschiedlichen Ansätze vor dem Hintergrund entstehender MA-Arbeiten und Dissertationen und diskutiert neuere Forschungsliteratur. Es präsentiert Vorträge und Diskussionen mit internationalen Gastwissenschaftlern.
Die Referentinnen und Referenten stellen dazu ggf. Textmaterial zur Verfügung, das der Einstimmung und Vorbereitung dient. Es kann im Moodleverzeichnis unter dieser Veranstaltung eingesehen werden. Möchten Sie sich für das Kolloquium anmelden, so erfragen Sie das Moodle-Kennwort bitte bei Josephine Kujau (kujau@europa-uni.de).
Achtung:Veranstaltung entfällt15. April 201416:15–17:45 Uhr |
Prof. Dr. Carmine Chiellino (Augsburg)„Interkulturelle Literatur: Versuch einer Sozialgeschichte“Vortrag und Diskussion |
![]() © Jana Chiellino Prof. Dr. Carmine Chiellino |
Der Vortrag widmet sich der Frage, welche Aspekte bei einer möglichen Sozialgeschichte der Interkulturellen Literatur in Deutschland berücksichtigt werden müssen. Solch eine Sozialgeschichte muss grundsätzlich transnational ausgerichtet sein. Voraussetzungen für die Entstehung dieser Literatur sind nämlich nicht nur die klassische Einwanderung und das politische Exil in Deutschland, sondern auch die literarischen Hintergründe der Initiatoren dieser Literatur. Ein entscheidendes Moment für die Hervorbringung der Interkulturellen Literatur in Deutschland war die Tendenz zum Sprachwechsel von den jeweiligen Herkunftssprachen ins Deutsche in den 1970er und 1980er Jahren. Ab wann genau man von einer Interkulturellen Literatur in deutscher Sprache reden kann, ist eine weitere Frage, die dabei zu klären wäre. Abschließend wird auf die Besonderheit der Interkulturellen Literatur in deutscher Sprache gegenüber den Interkulturellen Literaturen in anderen westeuropäischen Sprachen eingegangen. |
13. Mai 201416:15–17:45 UhrStephan-Saal,Postgebäude,EUV |
Dr. Claudia Prestel (Leicester/Großbritannien)„Der Zionismus: Doch eine Erotische Revolution?“Vortrag und Diskussion |
![]() Dr. Claudia Prestel |
In seinem 1992 veröffentlichten Artikel “Zionism as an Erotic Revolution” hat David Biale sich kritisch mit den zionistischen Utopien bezüglich Sexualität und der Wirklichkeit im Leben der sog. Pioniere in Palästina auseinandergesetzt und kam letztendlich zur Überzeugung, dass das enthusiastische Lob von Magnus Hirschfeld, der Palästina 1932 besuchte und von einer neuen Einstellung dem (jüdischen) Körper gegenüber sprach, nicht unbedingt der Realität entsprach. Während sich Biale hauptsächlich auf die (männlichen) Hauptakteure der zweiten und dritten Einwanderungswelle (aus Osteuropa) konzentrierte und dabei notwendigerweise die Frauen eher zu kurz kamen, werden in diesem Vortrag vor allem die in der Geschichtsschreibung zum Teil eher unbekannten zionistischen Frauen aus Deutschland und Österreich vorgestellt. Dabei sollen deren Vorstellungen von Ehe, Mutterschaft und Sexualität einer Analyse unterzogen werden und der Frage nachgegangen werden, wie diese Frauen die zionistischen Utopienhinterfragten oder aber versuchten, diese zu praktizieren. Die Diskrepanz zwischen Utopie und Realität wird dabei zur Sprache kommen. Der Vortrag wird auch die These von Gerry Berg, dass die Trennungslinie der Geschlechterkonstruktion zwischen den Zionisten/innen in Palästina und denen außerhalb des Landes verlief, kritisch hinterfragen. |
27. Mai 201416:15–17:45 UhrStephan-Saal,Postgebäude,EUV |
Prof. Dr. Dorothee Gelhard (Regensburg)„Tradition und Moderne im Denken Walter Benjamins“Vortrag und Diskussion |
Im Zentrum der Texte Walter Benjamins steht das Nachdenken über die Folgen der Säkularisation in der Moderne - besonders hinsichtlich der (jüdischen) Identität. Für die Literaturwissenschaft ist vor allem interessant, wie er den Antagonismus Tradition und Moderne anhand des Problems des Schreibens und des Erzählens behandelt. Der Vortrag will diese Entwicklungslinie bei Benjamin von den Paradigmen der Religion zur Geschichte anhand einer ausgewählten Textlektüre nachvollziehen. |
03. Juni 201418:00–20:00 UhrHG 162,EUV |
Prof. Dr. Meike Werner (Nashville/USA)„Mit Jean Paul ins Exil: Eduard Berend (1883-1973) – Philologe, Deutscher, Jude“Vortrag und DiskussionGemeinsam mit dem Kulturgeschichtlichen Kolloquium |
1927 beauftragte die Preußische Akademie der Wissenschaften Eduard Berend mit der Herausgabe der historisch-kritischen Ausgabe von Jean Pauls Sämtlichen Werken. Als Jude wurde er im November 1938 von der Akademie aus seinem Werkvertrag entlassen – und kurz darauf ins Konzentrationslager Sachsenhausen verschleppt. Am 7. Dezember 1938 kam Berend frei mit der Auflage, Deutschland sofort zu verlassen. Er war 55 Jahre alt, sein Leben und Lebenswerk die Jean-Paul-Ausgabe. Zu diesem Zeitpunkt lagen 21 Bände der ca. 35 geplanten Bände vor. Anhand von Berends Korrespondenzen und Tagebüchern vergegenwätigt der Vortrag Berends Weg ins Exil, seine Weiterarbeit an der Jean-Paul-Ausgabe in Genf, wo er seit Dezember 1939 auf die Möglichkeit der Weiterreise in die USA wartete und wegen des Krieges dann blieb, sowie die schwierige Entscheidung der Rückkehr nach Deutschland. |
10. Juni 201414:15–16:45 UhrStephan-Saal,Postgebäude,EUV |
Dr. Petra Boden (Berlin)„Vom ‚Historischen Wörterbuch‘ zu den ‚Ästhetischen Grundbegriffen‘. Zur Geschichte eines Projekts zwischen 1983 und 2000“Vortrag und Diskussion |
![]() Dr. Petra Boden |
Zwischen der ersten Idee, ein Projekt „Historisches Wörterbuch ästhetischer Grundbegriffe“ am Zentralinstitut für Literaturgeschichte (ZIL, AdW der DDR) zu erarbeiten und dem Jahr, in dem der ersten Band der „Ästhetischen Grundbegriffe“ erscheint, liegen die Jahre 1983 bis 2000. Die Ablösung überholter Paradigmen ging einher mit der Auflösung erprobter institutioneller Handlungsräume. Konstellationen, in die wissenschaftliche Praxis eingebunden ist – epis- temologische, personelle, institutionelle und wissenschaftspolitische –, veränderten sich in nur rasant zu nennender Weise, und das Wörterbuchunternehmen steckte mittendrin. Verhandlungen um Konzepte, Träger- und Herausgeberschaften, Ein- oder Anbindungen an bestehende oder erst noch zu schaffende Institutionen überlagerten sich, Interessen überkreuzten sich oder standen einander entgegen und verlangten den Beteiligten einen langen Atem ab. Im Vortrag soll dieser Prozess mit markanten Eckdaten skizziert werden. Dabei ist die Geschichte von vier ‚Wenden’ zu pointieren, die einander überlagern, bedingen, oft parallel verlaufen und auch gegeneinander stehen: Denn es geht um die Geschichte einer konzeptionellen, einer institutionellen und einer (wissenschafts-)politischen Wende, in engster Verbindung damit aber auch um ‚Wenden’ in langjährigen kollegialen, mitunter freundschaftlichen Beziehungen. Dieser Sachverhalt ist vielleicht kein exemplarischer, ganz bestimmt aber ein signifikanter Fall dafür, was geschieht, wenn theoretische Paradigmenwechsel mit politischen Umbrüchen zusammenfallen. |
08. Juli 201416:15–17:45 UhrStephan-Saal,Postgebäude,EUV |
Prof. Dr. Annette Werberger (Frankfurt/Oder)„Von Nachbarschaft erzählen"Vortrag und Diskussion |
![]() Prof. Dr. Annette Werberger |
Anhand eines jiddischen und polnischen Textkorpus wird das Konzept der „Nachbarschaft“ im Vortrag eingesetzt und diskutiert, um jenseits von Begriffen wie „Differenz“, „Identität“ oder „Hybridität“ die Spezifik von multiethnischen Gemeinschaften in Ostmitteleuropa auf der Ebene der kulturellen Erfahrungsakkumulation, Repräsentation oder Kooperation herauszuarbeiten. Dabei wird es um bewusste ethno-narratologische Perspektivierungen in Texten gehen, um spezifische Orte oder Objekte der Übersetzung und um Beispiele für nicht verhandelbare Grenzziehungen. |
15. Juli 201416:15–17:45 UhrAchtung: Verschobener Termin! Stephan-Saal,Postgebäude,EUV |
Dr. Martin Treml (Berlin)„Die Figur des leidenden Gerechten im Chassidismus und seinen Erzählungen“Vortrag und Diskussion |
![]() Dr. Martin Treml |
Dass der Gerechte leidet, ist dem Tanach, der Hebräischen Bibel, nicht unbekannt. Diese Figur findet sich sowohl im Buch Hiob als auch in den Psalmen und den Propheten. Prominent geworden ist sie aber im Christentum durch die Passion Jesu und das in einem Ausmaß, dass das rabbinische Judentum ein solches Narrativ nicht zu kennen scheint, auch wenn es von Verfolgung, Verlust und Tod berichtet. Trotz ihrer christlichen Konturierung ist die Figur des leidenden Gerechten aber auch ein Phänomen der jüdischen Religionskultur, wie an Gestalten des Chassidimus gezeigt werden soll. Vorgestellt werden Geschichten der charismatischen Zaddikim, die ihre Anhänger und Schüler überliefert haben, neben die aber auch seit dem frühen 20. Jahrhundert Überarbeitungen wie von Martin Buber treten, die als „jüdischer Orientalismus“ gelten können. In beiden Fällen wirken, wie Andreas Kilcher jüngst gezeigt hat, neben hagiografischen und medialen auch magische und messianische Interessen und Vorstellungen bis hin zur kabbalistischen der Erlösung (tikkun). In einem letzten Schritt soll untersucht werden, ob und wie sich dieser Befund auch dann bestätigt, wenn in der chassidischen Literatur von der Schoa und den Lagern erzählt wird. |