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Diaspora Exil Migration

Forschungskolloquium: Diaspora, Exil, Migration – Methodische und theoretische Neuansätze IV

Das deutschsprachige Exil, dessen Erforschung mittlerweile auf eine langjährige Geschichte zurückblicken kann, gerät in den letzten Jahren vor allem aus einer interdisziplinären Pers­pektive (kultur-)wissenschaftlicher Theorien über Erinnerungskulturen, kulturelle Identitäten sowie Migrations- und Transferbeziehungen in regionalen, nationalen und transnatio­nalen Räumen (Migrationsbewegungen eingeschlossen) erneut ins Blickfeld wissenschaftlichen In­teresses. Aktuelle wissenschaftliche Beiträge formulieren neue Fragen an die Quellen, – im Kontext interkultureller oder interreligiöser Dialoge, der Darstellungen zu jüdischer Kultur und Geschichte, zur Genderforschung, oder zur Kultur, Geschichte, Kunst und Lite­ratur der Nachkriegszeit. Das Kolloquium thematisiert diese unterschiedlichen Ansätze vor dem Hintergrund entstehender MA-Arbeiten und Dissertationen und diskutiert neuere Forschungsliteratur. Es präsentiert Vorträge und Diskussionen mit internationalen Gastwissenschaftlern. 

Die Referentinnen und Referenten stellen dazu ggf. Text­ma­te­rial zur Ver­fü­gung, das der Ein­stim­mung und Vor­be­rei­tung dient. Es kann im Moodleverzeichnis unter dieser Veranstaltung eingesehen werden. Möchten Sie sich für das Kolloquium anmelden, so erfragen Sie das Moodle-Kennwort bitte bei Josephine Kujau (kujau@europa-uni.de). 

14. Oktober 2014

16:15–17:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Prof. Dr. Micha Brumlik (Berlin)

„Karl Wolfskehl – Dichter des jüdischen Exils: Exsul poeta“

Vortrag und Diskussion



Karl Wolfskehl, der später vom „Meister“ verstoßene Dichter und Förderer Stefan Georges hat wie kein anderer dem Schicksal der Juden als wanderndes Volk poetischen Ausdruck gegeben und dies auch selbst in Flucht und Exil nachvollzogen. Am anderen Ende der Welt hielt er indes nicht nur dem Judentum, sondern auch seiner südhessischen, seiner deutschen Heimat die Treue. In seinem, heute weithin vergessenen Werk drückt sich aus, was „deutsches Judentum“ auch sein konnte. 

21. Oktober 2014

Achtung:

14:15–15:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Prof. Dr. Jost Hermand (Madison/USA)

„Vom Text zum Bild. Heiner Müllers 'aufgehobene' Utopie“

Vortrag und Diskussion

 


Jost Hermand ©(c) Jost Hermand

Wegen seiner konstruktiven Kritik an den Sozialisierungsmaßnahmen der SED wurde Heiner Müller schon in den frühen sechziger Jahren aus der literarischen Öffentlichkeit der DDR weitgehend ausgeschlossen. Erst in der Honecker-Ära konnte er sich in diesem Staat wieder einen neuen Wirkungskreis verschaffen. Allerdings wich er dabei zumeist in eine allegorische Bildhaftigkeit aus, um nicht abermals verboten zu werden. Dennoch behielt er auch in seinen letzten Werken und Interviews – selbst nach der sogenannten Wende – seine sozialkritische Haltung bei, statt der sich in den neunziger Jahren ausbreitenden Posthistoire-Stimmung anheimzufallen.

11. November 2014

16:15–17:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Prof. Dr. Kristina Schulz

„Literatur, Exil und Geschlecht: Die Schweiz 1933-1945“

Vortrag und Diskussion


Kristina Schulz ©(c) Kristina Schulz

Der Vortrag befasst sich mit dem Aufenthalt literarischer Flüchtlinge in der Schweiz in der Zeit des Nationalsozialismus. Welches Ausmaß nahm das literarische Exil an? Wie wurden literarische Flüchtlinge von den Behörden aufgenommen? Wie positionierten sich die schweizerischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu den ausländischen Kollegen? Waren sie solidarisch oder betrachteten sie die Neuankömmlinge als Konkurrenz? Ausgehend von einer Auswertung von Quellen aus der Schweiz, betrachtet der Vortrag das Exil aus der Sicht des Ankunftslandes. Er versucht, die Reaktionen der schweizerischen Schriftsteller zu kontextualisieren. Er strebt weiterhin an, die Behandlung der Flüchtlinge durch Behörden und den Schweizerischen Schriftstellerverein geschlechtsspezifisch auszuwerten und er zielt schließlich darauf, die Strategien der literarischen Flüchtlinge zu identifizieren, nicht nur als Flüchtling, sondern auch als Schriftstellerin oder Schriftsteller – also vom literarischen Publikum, der Literaturkritik, dem Verlagsbetrieb und der Schriftstellerkollegenschaft – anerkannt zu werden.

Achtung:

DONNERSTAG,

11. Dezember 2014

16:15–17:45 Uhr

Zentrum Jüdische Studien Berlin-Brandenburg,

Sophienstraße 22a Berlin-Mitte

Tamar Lewinsky (Basel/Schweiz)

„Exilanten, Bildungsflüchtlinge, Reisende: Die Rolle der Schweiz auf der Karte jüdischer Transmigration aus Osteuropa“

Vortrag und Diskussion


Tamar Lewinsky ©(c) Tamar Lewinsky

„Im geistigen Leben hat sich die kleine jüdische Gemeinde der Schweiz nie ausgezeichnet“, stellte der Bundist und Genfer Statistikprofessor Liebmann Hersch in einem jiddischen Vortrag fest, „und trotzdem, dank der ausländischen Juden, hinterliess die Schweiz tiefe Spuren in der jüdischen Geschichte.“ In der Tat war die Schweiz in den Jahrzehnten bis zum Ersten Weltkrieg Wegstation zahlreicher Akteure der hebräischen und jiddischen Literatur und moderner jüdischer politischer Bewegungen. Der Vortrag begibt sich auf die Spuren dieser jüdischen Transmigranten, die als Exilanten, Bildungsflüchtlinge und Reisende ein Land kennenlernten, das sich an der Peripherie der Migrationswege aus Osteuropa befand, entfernt von den Zentren jüdischen Lebens, in dem sie aber zugleich einen Mikrokosmos politischer und literarischer Avantgarde vorfanden und mitschufen. Darüber hinaus soll gezeigt werden, inwiefern diese temporären Migranten auf sprachliche, kulturelle und politische Netzwerke einer sich zunehmend transnationalisierenden osteuropäisch-jüdischen Diaspora rekurrierten und diese beeinflussten.

06. Januar 2015

16:15–17:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Prof. Dr. Mark Gelber (Beer Sheva/ Israel)

„Exil - fern oder nah: räumliche und kulturelle Aspekte und ‚mental mapping‘ der Exilliteratur“

Vortrag und Diskussion


Mark_H._Gelber ©(c) Mark Gelber

Exilliteraten suchten während der Nazizeit Zuflucht an den verschiedensten Orten fern und nah ihrer mitteleuropäischen, deutschprachigen Heimat. Es lässt sich fragen, inwiefern räumliche Aspekte, also die Distanz – fern oder nah – von/bei Mitteleuropa eine wesentliche Rolle bei der Weiterproduktion von Literatur im Exil spielten. In diesem Zusammenhang müssen die kulturellen und sprachlichen Unterschiede der Exilländer gegenüber dem deutschen Mitteleuropa auch in Betracht gezogen werden. Manchmal sind sie fremd (bzw. fern), aber manchmal auch bekannt (nah). Das Konzept des ‚mental mapping‘ (Kevin Lynch, Peter Gould, Rodney White) wird produktiv verwendet, um eine Annäherung an dieses komplexe Gefüge zu ermöglichen. Einige Beispiele von „fern“, wie Karl Wolfskehl in Neuseeland, Stefan Zweig in Brasilien, Hilde Domin in der Domikanischen Republik, oder Thomas Mann in den USA sowie Beispiele von „nah“, Exilschriftsteller in der Schweiz und Frankreich, werden in diesem Rahmen kritisch analysiert.

ACHTUNG:

Veranstaltung fällt aus

20. Januar 2015

16:15–17:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Prof. Dr. Michael Nagel (Bremen)

„Zum Kontakt zwischen Juden und Gelehrten im 18. Jahrhundert"

Vortrag und Diskussion

 


nagelPortr2011 ©(c) Michael Nagel

Die im Rahmen eines aktuellen Forschungsprojektes von Frau Dr. Małgorzata Maksymiak erstmals ausgewertete hebräischsprachige Korrespondenz des Rostocker Orientalisten Oluf Gerhard Tychsen (1734-1815) stellt ein bedeutendes Zeugnis der Begegnung zwischen Gelehrten und Juden im Jahrhundert der Aufklärung dar. Seltenerweise kam es seit dem Humanismus zu individuellen Berührungen zwischen der Gelehrtenrepublik und der gesellschaftlichen Randgruppe des Judentums, ab dem Beginn des 18. Jahrhunderts kommt es etwas häufiger – wenngleich immer noch vereinzelt – zu Kontakten. Anhand mehrerer Beispiele geht der Vortrag den Fragen nach, wie sich diese Begegnungen jeweils gestalteten, welche Motive die Beteiligten zusammenbrachten und welche Auswirkungen die Kontakte hatten.

Achtung:

MITTWOCH,

04. Februar 2015

12:15–13:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Prof. Dr. Doerte Bischoff (Hamburg)

„Jesus, ein Bruder? Verwandschaft und Differenz im jüdischen Diskurs über  Christus im 20. Jahrhundert“

Vortrag und Diskussion

 


BischoffDörte ©(c) Dörte Bischoff

Bemerkenswerterweise wird auch im 20. Jahrhundert, in dem antisemitische Ausgrenzung und Verfolgung völlig neue Dimensionen annehmen, die Figur des jüdischen Jesus, die seit der Aufklärung immer wieder als Mittler- und Schwellenfigur in den Blick kommt, gerade von der deutsch-jüdischen Literatur prominent verhandelt. In exemplarischen Analysen von Texten von Jakob Wassermann, Stefan Zweig, Else Lasker-Schüler und Doron Rabinovici wird gezeigt, auf welche Weise hier Gemeinsames und Verbindendes zwischen Juden und Christen gegen alle Abgrenzungsrhetorik aufgewiesen wird, indem Christus als „Bruder“ (Buber, Ben-Chorin) erscheint. Darüber hinaus wird nachgezeichnet, wie der gewaltsame Bruch, den der den traditionell den Juden angelastete Christusmord als Gründungsereignis des Christentums markiert, literarischen Texten über Identität, Gemeinschaft und Religion im 20. Jahrhundert eingeschrieben ist. Dabei wird auch über das Interesse der Psychoanalyse für die Figur des Christusmordes zu sprechen sein.

10. Februar 2015

16:15–17:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Prof. Dr. Wolfgang Müller-Funk (Wien/Österreich)

„Grenzen. Liminalität im Medium der Literatur und Kunst“

Vortrag und Diskussion

 





Der Vortrag setzt sich in einem ersten Teil mit der These auseinander, dass man Grenzen nicht isolieren und zum Ver- schwinden bringen kann. Die Literatur bildet dabei ein besonders geeignetes Medium für deren Markierung. In einem zweiten Schritt wird eine Phänomenologie von Grenzen entworfen. Begriffe wie Brücke, Tor, Schwelle und Membran werden in diesem Zusammenhang erörtert.