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Diaspora Exil Migration

Forschungskolloquium: Diaspora, Exil, Migration – Methodische und theoretische Neuansätze VII

Das deutschsprachige Exil, dessen Erforschung mittlerweile auf eine langjährige Geschichte zurückblicken kann, gerät in den letzten Jahren vor allem aus einer interdisziplinären Pers­pektive (kultur-)wissenschaftlicher Theorien über Erinnerungskulturen, kulturelle Identitäten sowie Migrations- und Transferbeziehungen in regionalen, nationalen und transnatio­nalen Räumen (Migrationsbewegungen eingeschlossen) erneut ins Blickfeld wissenschaftlichen In­teresses. Aktuelle wissenschaftliche Beiträge formulieren neue Fragen an die Quellen, – im Kontext interkultureller oder interreligiöser Dialoge, der Darstellungen zu jüdischer Kultur und Geschichte, zur Genderforschung, oder zur Kultur, Geschichte, Kunst und Lite­ratur der Nachkriegszeit. Das Kolloquium thematisiert diese unterschiedlichen Ansätze vor dem Hintergrund entstehender MA-Arbeiten und Dissertationen und diskutiert neuere Forschungsliteratur. Es präsentiert Vorträge und Diskussionen mit internationalen Gastwissenschaftlern. 

Die Referentinnen und Referenten stellen dazu ggf. Text­ma­te­rial zur Ver­fü­gung, das der Ein­stim­mung und Vor­be­rei­tung dient. Es kann im Moodleverzeichnis unter dieser Veranstaltung eingesehen werden. Möchten Sie sich für das Kolloquium anmelden, so erfragen Sie das Moodle-Kennwort bitte bei Kathrin Stopp (stopp@europa-uni.de). 


29. November 2016

16:15–17:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Prof. Dr. Daniel Weidner (Berlin)

„Dante und Giotto wandern durch die Konzentrationslager“. Peter Weiss‘ Divina-commedia-Projekt und die Poetik des Äußersten“

Vortrag und Diskussion

AmelieLosier-Weidner-3 ©Amelie Losier

In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre beschäftigt sich Peter Weiss einige Jahre mit dem Projekt, im Anschluss an Dantes Divina Commedia ein mehrteiliges Epos der Gegenwart zu schreiben – ein Projekt, aus dem schließlich „Die Er- mittlung“ (1965) und „Die Ästhetik des Widerstands“ (1975-81) hervorgehen. Weiss versucht in diesen Texten die Erfah- rung des Zivilisationsbruchs mit der negativen Ästhetik der Moderne zu bearbeiten, wobei das ‚Unsagbare‘ verschiedene und geradezu konträre Bedeutungen annimmt: als Schreckliches, aber auch Erhabenes; als Verstummen, aber auch als Moment der ‚Rettung‘. Weiss‘ Poetik des Äußersten nimmt dabei Charakteristika späterer dokumentarischer Literatur vorweg, geht aber nicht nur mit dem Verhältnis von Fakten und Fiktionen höchst eigenwillig um, sondern diskutiert auch – vermittelt über die Referenz an das Dantesche Weltgebäude – Fragen nach der ‚Bedeutung‘, der ‚Einzigkeit‘ oder der ‚Sakralisierung‘ des Holocaust, die auch aktuell nicht an Bedeutung verloren haben.

20. Dezember 2016

16:15–17:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Dr. Orit Rozin (Tel Aviv)

„Women and Mass Immigration in 1950s Israel: The relationship between veteran Israeli women and immigrant women“

Vortrag in englischer Sprache 


Rovit ©Orit Rozin

Between the first Israeli census, in November 1948 and the second, in May 1961, Israel‘s Jewish population grew rapidly. Of the 1.932.357 Jewish citizens counted in the 1961 census, nearly half had immigrated since the state was found. Taking in almost as many immigrants per year as the United States, Canada and Australia each, Israel soon became the principal destination for jews who left other countries. As a result, the ethnic composition of Israel‘s Jewish population changed radically during this period, with the enormous growth of the number of new residents setting a significant challenge to the young country. Throughout this massive immigration wave, woman from the veteran Israeli population worked with immigrant woman in transit camps and in newly established villages and towns. The role of veteran woman in the absorption of the immigrant woman into Israeli society is the focus of this presentation. In my talk, I will portray the nature of their work and discuss the relationships formed between veteran and immigrant woman. I will argue that despite obvious power gaps, these relationships were not necessarily hierarchical. Immigrant woman also had agency, and power was often shared or negotiated. In daily interactions and while attempting to change the newcomer, the veteran Israeli woman was often transformed herself.

10. Januar 2017

16:15–17:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Dr. Ruth Steinberg (Oldenburg)

„Literatur und Migration – Perspektiven der Feldanalyse “

Vortrag und Diskussion

Eine literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit literarischen Texten, die im Kontext unterschiedlicher Migrations- erfahrungen entstanden sind, hat sich nach wie vor einer Reihe von grundsätzlichen Forschungsproblemen zu stellen. Zu den prominentesten gehören wohl der Umgang mit Korrelationen von zeitgeschichtlichem Kontext, Autorperson und literarischem Text, die potentielle Überbetonung biographischer Bezüge gegenüber textästhetischen Kategorien in der Rezeption und die tendenzielle Marginalisierung literarischer Werke im Literaturbetrieb und in der Literaturwissenschaft aufgrund bestimmter Zuschreibungen und Begriffsprägungen. In diesem Vortrag gehe ich der Frage nach, welche Perspektiven Feldanalysen im Anschluss an die Arbeiten Pierre Bourdieus und an neuere soziologische Studien bei der praktischen Analyse dieser Texte in ihren gesellschaftlichen Kontexten eröffnen.

24. Januar 2017

16:15–17:45 Uhr

Stephan-Saal,

Postgebäude, EUV

Prof. Dr. Hans Otto Horch (Aachen)

„Was heißt und zu welchem Ende studiert man Deutsch-jüdische Literatur?“

Vortrag und Diskussion

Handbuch_Horch ©Hans Otto Horch

Das an Schiller angelehnte Thema befasst sich mit der Darstellung und historischen Bewertung der Leistungen von Autoren und Autorinnen jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft im Rahmen deutschsprachiger Literatur bis zur Gegenwart. Für die Bestimmung des ‚Judentums‘ eines Autors oder einer Autorin seit dem 18. Jahrhundert ist wichtig, welche Spuren jüdischer Tradition und Existenz sich im Werk auffinden lassen; es geht also nicht um eine essentialistische Definition des ‚Jüdischen‘ oder ‚Deutschen‘, sondern viel eher um Diskurse über diese Zuschreibungen im Sinn der Selbst- und Fremdwahrnehmung.