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Diaspora Exil Migration

Forschungskolloquium: Diaspora, Exil, Migration - Methodische und theoretische Neuansätze

Das deutschsprachige Exil, dessen Erforschung mittlerweile auf eine langjährige Geschichte zurückblicken kann, gerät in den letzten Jahren vor allem aus einer interdisziplinären Perspektive (kultur-)wissenschaftlicher Theorien über Gedächtnis und Erinnerung, kultureller Identitäten sowie von Migrations- und Transferprozessen in regionalen, nationalen und transnationalen Räumen wieder verstärkt ins Blickfeld wissenschaftlichen Interesses. Aktuelle Forschungen formulieren neue Fragen an die Quellen – u.a. aus der Perspektive interkultureller oder interreligiöser Ansätze, erweiterter Darstellungen jüdischer Kultur und Geschichte, der Genderforschung oder einer gegenwartsorientierten Migrationsforschung. Angesichts wachsender sozialer Konflikte und Gewalterfahrungen in Europa und einer dadurch mit begründeten Massenmigration erscheint zudem die wissenschaftliche Auseinandersetzung um das Verhältnis von Politik und Literatur theoretisch wie empirisch von erhöhter Relevanz. Das Kolloquium thematisiert diese unterschiedlichen Forschungsbewegungen vor dem Hintergrund entstehender MA-Arbeiten, von Dissertationen und Habilitationen. Die Diskussion neuerer Forschungsliteratur wird begleitet von einschlägigen Vorträgen internationaler GastwissenschaftlerInnen. Es finden 2 Studentische online-Workshops zur Diskussion der am Lehrstuhl betreuten studentischen Qualifizierungsarbeiten statt und es besteht die Möglichkeit, Themen für Qualifizierungsarbeiten im Laufe des Semesters in persönlicher Betreuung zu entwickeln.
Das Programm zur Veranstaltung finden Sie auch hier.

Eine vorherige Anmeldung für die Zoom-Veranstaltungen ist nicht notwendig. Zu den Veranstaltungen gelangen Sie über folgenden Link.

11. Mai 2021
16:15 - 17:45 Uhr

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DR. RACHEL HEUBERGER (FRANKFURT /MAIN)

Jüdische Mäzene, ein herausragender Bibliothekar und vergebliche NS-Aneignungsversuche. Die wechselreiche Geschichte der Judaica Sammlung der UB Frankfurt am Main von ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert bis heute

Heuberger Photo ©Heuberger Die international renommierte Judaica-Sammlung entstand durch außerordentlich großzügige Spenden Frankfurter Juden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Zu den Mäzenen gehörten auch die bekannten Familien Hallgarten, Rothschild und Speyer. 35 Jahre lang war Prof. Dr. Aron Freimann, ein herausragender Bibliograph und führender Vertreter der Wissenschaft des Judentums, für die Sammlung verantwortlich und baute sie zur bedeutendsten Spezialsammlung des europäischen Kontinents aus. 1933 wurde Freimann aus seinem Amt entfernt und die Pflege der Sammlung eingestellt. Mehrere Aneignungsversuche nationalsozialistischer Politik konnten jedoch erfolgreich abgewehrt werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Bestand als Sammelschwerpunkt weiterentwickelt und vor einigen Jahren komplett digitalisiert. Als Digitale Sammlungen Judaica stehen die historischen Werke nun frei im Internet zu Verfügung.

25. Mai 2021
16:15 - 17:45 Uhr

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PD. DR. ANNETTE VOWINCKEL ( POTSDAM)

Flucht nach und Vertreibung aus Palästina/Israel: Serielle Ikonografien im Kontext ihrer Entstehungsgeschichten (1933-1967)

Vowinckel_sw ©Vowinkel Die Geschichte des Nahen Osten im 20. Jahrhundert war geprägt von wiederkehrenden Wellen der Flucht und Vertreibung, wobei das britische Mandatsgebiet und ab 1948 der Staat Israel sowohl Ziel als auch Ausgangsort solcher Bewegungen waren. Ab 1933 flüchteten Juden und Jüdinnen aus Europa nach Palästina, während große Teile der arabischen Bevölkerung das Gebiet infolge des Unabhängigkeitskriegs von 1948 und noch einmal während des Sechstagekriegs von 1967 verließen bzw. vertrieben wurden. Diese Bewegungen wurden von verschiedenen Protagonisten fotografisch dokumentiert: von den Flüchtenden selbst, von staatlichen Institutionen, Nichtregierungsorganisationen und professionellen Fotojournalist*innen. Gegenstand des Vortrags sind eine serielle Analyse wiederkehrender Bildthemen und -motive auf zeitgenössischen Fotografien sowie eine kritische Auseinandersetzung mit den Bedingungen ihrer Entstehung und Verbreitung. Dabei stehen die Thesen im Zentrum, dass Bilder jenseits ihrer dokumentarischen Qualität einer strengen Quellenkritik zu unterziehen sind und dass visuelle Narrative von Flucht und Vertreibung im Nahen Osten nur multiperspektivisch angelegt werden können.

01. Juni 2021
16:15 - 17:45 Uhr

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PROF. DR. MORITZ SCHRAMM (ODENSE/DÄNEMARK)

Postmigrantische Allianzen: Zur Ausrufung einer jüdisch-muslimischen Leitkultur bei Max Czollek und Sasha Marianna Salzmann

MoritzSchramm_2020 ©Moritz Schramm Postmigrantische Gesellschaften zeichnen sich durch neue Aushandlungsdynamiken aus, in denen nicht zuletzt die Konse- quenzen einer schon vor Jahrzehnten erfolgten, aber politisch lange nicht anerkannten „Globalisierung von unten“ (Mrozek) nachträglich verhandelt werden. Gerade im aktuellen Literatur- und Kulturbetrieb sehen wir in diesem Zusammenhang das Aufkommen neuer Allianzen jenseits von traditionellen ethnischen, religiösen oder genderspezifischen Zuschreibungen: im Umfeld des Maxim Gorki Theaters in Berlin wurde dabei vor einiger Zeit die Vorstellung einer „jüdisch-muslimischen Leitkultur“ eingeführt, die in Kulturtagen und in medialen Interventionen wie dem Film Das beste Abendmahl – aus der Bubble in die Charts (2020) proklamiert und entfaltet wird. Mit Rückgriff auf Schriften von Max Czollek und Sasha Marianna Salzmann will ich in dem Vortrag die dahinter liegenden Konzepte von „Desintegration“ und „radikaler Vielfalt“ diskutieren und auf die Frage nach den Möglichkeiten und Bedingungen postmigrantischer Allianzen jenseits von Abstammung und Herkunft beziehen. Dabei soll in dem Vortrag auch der Bogen geschlagen werden zu methodischen Herausforderungen einer neuen, postmigrantischen Literatur- und Kulturwissenschaft, die sich von migrantologischen Zuschreibungen frei zu machen versucht.

06. Juli 2021
16:15 - 17:45 Uhr

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UNIV.-PROF. DR. DR. H.C. MECHTHILD LEUTNER (BERLIN)

Exil Shanghai: Hoffnung – Zuflucht – Überleben

Mehr als 20 000 Verfolgte des Nazi-Regimes konnten ab 1933 und besonders 1938 bis 1941 nach Shanghai und in andere Orte Chinas flüchten. Chinesische Diplomaten und jüdische Hilfsorganisationen waren an der Rettung deutscher und österreichischer Juden und Antifaschisten beteiligt, stellten Visa aus und etablierten Überlebensnetzwerke vor Ort. Die Flüchtlinge suchten sich einerseits in die chinesische Gesellschaft zu integrieren, andererseits schufen sie ein „kleines Europa“ mit Schulen, Zeitungen und Theater. Nach der japanischen Besetzung auch des Internationalen Konzessionsgebietes wies Japan den Shanghaier Stadtteil Hongkou als geschlossenes kontrolliertes Wohngebiet für die Flüchtlinge aus. Die Lebensbedingungen verschlechterten sich dramatisch, ebenso wie noch einmal nach Kriegsende. Die Mehrzahl der Flüchtlinge emigrierte ab 1947 in die USA, nach Australien oder Südamerika, nur ein kleiner Teil kehrte nach Deutschland zurück.

20. Juli 2021
16:15 - 17:45 Uhr

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REBEKKA DENZ (BAMBERG)

Ambivalent – Handlungsräume jüdisch-weiblicher Lebenswelten

   Denz_Foto ©Denz

Frauenforschung wird gemeinhin als feministische Forschung klassifiziert. Ebenso wie der Untersuchungsgegenstand der historischen Frauenforschung, also weibliche Individuen und Kollektive, häufig auf den Identitätsteil reduziert wird, Frau(en) zu sein. Anhand der Untersuchungsgruppe „Jüdische Frauen im Deutschen Reich um 1900“ soll die Vielfalt der jüdisch-weiblichen Lebenswelt in den Blick genommen werden. Jüdinnen lebten in der Großstadt und im ländlichen Raum, sie waren Teil der öffentlichen und privaten Sphäre, agierten privat und/oder beruflich mit Männern und mit Frauen, sie engagierten sich in der jüdischen Gemeinschaft und in der nichtjüdischen Welt.
Im Vortrag wird über Kategorien wie individuelle und kollektive Lebensentwürfe, Fremd- und Selbstbestimmung bzw. Fremd- und Selbstwahrnehmung reflektiert. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund der (selbstkritischen) Frage nach historischer ‚Realität‘ und zeitgenössischen Forschungspostulaten.