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SS 20

Dr. Matthias Schloßberger

Die Idee Europa nach dem Ersten Weltkrieg

MA-Seminar: MAL: Wissenskulturen und Künste // MA KGMOE: Politische Ordnung - Wirtschaft - Gesellschaft // MA MEK: Europäische Kulturgeschichte im globalen Kontext

3/6/9 ECTS

Di, 11:15 - 12:45 Uhr, Ort: GD 206, Veranstaltungsbeginn: 14.04.2020 

Die gegenwärtigen Schwierigkeiten, der Idee „Europa“ einen Sinn zu geben, sind nicht neu. Nach dem Ersten Weltkrieg, dem „ersten Gesamterlebnis der Menschheit“ (Max Scheler), haben Philosophen und Literaten versucht, Europa neu zu denken. Für einige war dabei der Gedanke attraktiv, die nationalen Besonderheiten zwar nicht zu leugnen, sie aber einzubetten in eine gemeinsam geteilte Orientierung an der europäischen Idee der Humanität. Während etwa Max Weber in einem berühmten Bonmot äußerte, man könne nicht zwischen dem Wert der französischen und deutschen Kultur entscheiden, weil da „verschiedene Götter miteinander, und zwar für alle Zeit“ streiten würden, versuchten Ernst Troeltsch und mit ihm einige andere (z. B. Thomas Mann, Hugo von Hofmannsthal) eine Synthese verschiedener europäischer Freiheitsgedanken zu entwickeln: Die abstrakte westeuropäische Idee universaler Gleichheit (negative Freiheit) als auch die deutsche Idee einer aus partikular Gemeinschaft entstehenden individuellen Selbstverwirklichung (positive Freiheit) seien keine sich ausschließenden Konzepte, sondern nur Vereinseitigen einer gemeinsamen europäischen Idee der Humanität, die man sich durch Vergewisserung einer gemeinsamen Geschichte neu zu erarbeiten habe (heute würde man sagen: man entwickelt ein neues Narrativ). Auf der einen Seite scheint diese Idee heute noch vielversprechend, auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass diese Idee schon einmal historisch gescheitert ist. Behandelt wird die Philosophie Europas (in einem weiten Sinne des Begriffs) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sofern sie sich zur Frage einer gemeinsamen europäischen Identität verhält (u. a. Benedetto Croce, Ortega y Gasset, Paul Valery). Außerdem soll es darüber diskutiert werden, wie sich linke und rechte Europaideen in Literatur und Philosophie zueinander verhielten und welche Rolle der Europa-Gedanke dann im Exil spielte.

Literatur:

Hugo von Hofmannsthal: Die Idee Europa [1916], in: Ders. Gesammelte Werke. Reden und Aufsätze II, 1914-1924, Frankfurt am Main 1979, S. 43-54.
Paul Valery: Die Krise des Geistes [frz. Org. 1919], Wiesbaden 1956.
Ernst Troeltsch: Naturrecht und Humanität in der Weltpolitik [1922], in: ders., Schriften zur Politik und Kulturphilosophie (1918-1923), Ernst Troeltsch Gesamtausgabe, Band 15, hrsg. v. Gangolf Hübinger, Berlin 2012, S. 477-512.


Dr. Matthias Schloßberger

Die Natur im Anthropozän

BA-Seminar: Kulturwissenschaften: Vertiefung // Vergleichende Sozialwissenschaften: Vertiefung

6/9 ECTS

Di, 16:15 - 17:45 Uhr, Ort: GD 201, Veranstaltungsbeginn: 14.04.2020 

Die Diagnose, dass wir uns in einem neuen Zeitalter befinden, das ganz wesentlich durch die Spezies Mensch geprägt ist, hat in den Kulturwissenschaften zu der spannenden Forderung geführt, dass die Menschheit ihr Verhältnis zur Natur neu zu denken habe: Natur und Kultur sollen nicht mehr wie bisher unterschieden werden. Kultur soll nicht mehr das Andere der Natur sein, der Dualismus aufgehoben werden. Eine nähere Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Debatte zeigt allerdings eine enorme Verunsicherung hinsichtlich der Frage, was das eigentlich ist: die „Natur“. Ist Natur Inbegriff all dessen, was ist? Und was „gibt“ es alles? Oder ist Natur nichts anderes als eine historische Kategorie, die wir vielleicht auch ganz anders denken können? Der Antiessentialismus und Konstruktivismus der vergangenen Jahrzehnte wird angesichts der behaupteten Objektivität der Naturgefährdung und -zerstörung gegenwärtig neu verhandelt. Im Seminar sollen v. a. die Zusammenhänge von ästhetischen und ontologischen Perspektiven auf die Natur behandelt werden: Was machen wir, wenn wir die Erfahrung der Natur machen? Erfahren wir etwas, das es „wirklich“ gibt oder handelt es sich bei unseren Naturerfahrungen nur um individuelle oder kulturelle Projektionen? Wenn wir in der Naturerfahrung etwas erfahren, das „wirklich“ ist, was ist dann dieses „Wirkliche“? Es wird u. a. um die Konjunktur des „Nature writing“ und die neue Ontologie der Natur gehen, in der alles Lebendige und Nichtlebendige verbunden sein soll (Emanuele Coccia).

Literatur:

Emanuele Coccia: Die Wurzeln der Welt. Eine Philosophie der Pflanzen, 2018.
Eva Horn & Hannes Bergstaller: Anthropozän zur Einführung, 2019.
Gerald Hartung & Thomas Kirchhoff (eds.): Welche Natur brauchen wir? Analyse einer anthropologischen Grundproblematik des 21. Jahrhunderts, 2014.


Dr. Matthias Schloßberger

Friedrich Nietzsche: Werk und Wirkung

MA-Seminar: MAL: Wissenskulturen und Künste // MASS: Kulturelle Praktiken, Wissensordnungen,

ästhetische Formationen // MEK: Wissenskulturen – Wissenschaften, Religionen, Künste

3/6/9 ECTS

Mi, 11:15 - 12:45 Uhr, Ort: AM 203, Veranstaltungsbeginn: 15.04.2020

Nietzsche polarisiert: Es gibt kaum ein großes Thema der modernen Philosophie, das nicht durch Nietzsche geprägt wurde und kaum ein Motiv der Modernekritik, das nicht von Nietzsche ins Spiel gebracht wurde. Nietzsche ist der große Historisierer und zugleich ein scharfer Kritiker des Historismus. Nietzsche polemisiert gegen Autonomie und Subjektivität des modernen Subjekts, hat aber selbst einen sehr starken Subjektbegriff (das souveräne Individuum). Nietzsche will die abendländische Metaphysik überwinden und ist zugleich der große Metaphysiker des Lebens (und des Willens zur Macht). Gegenstand des Seminars sind also die großen Themen Nietzsches: Erkenntnistheorie und Metaphysik, Historismuskritik und Genealogie. Gelesen werden u. a. Ausschnitte aus: „Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben“, die „Fröhliche Wissenschaft“, „Zur Genealogie der Moral“ und Teile aus dem Nachlass, die im Umkreis des Buchprojekts „der Wille zur Macht“ entstanden sind. Es wird auch darum gehen, wer wie auf Nietzsche gewirkt hat und wie unterschiedlich Nietzsche rezipiert wurde: in Literatur, Philosophie, Soziologie und in der Sphäre der Politik (Links- und Rechtsnietzscheanismus).

Literatur:

Friedrich Nietzsche: Kritische Studienausgabe (KSA), München 1980.
Nietzsche-Kommentar. Historischer und Kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken, hrsg. von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 2012 ff (noch nicht alles erschienen).


Dr. Matthias Schloßberger

Links - Mitte - Rechts: Eine historische Einführung in die politische Ontologie der Gegenwart

BA-Seminar: BA Kulturwissenschaften: Vergleichende Sozialwissenschaften: Vertiefung // BA Recht und Politik: Modul III.1.: Recht und Politik im nationalen Kontext // Modul III.2.: Recht und Politik im europäischen Kontext // BA Kulturwissenschaften: Kulturwissenschaften Vertiefung

6/9 ECTS

Do, 14:15 - 15:45 Uhr, Ort: AM 202, Veranstaltungsbeginn: 16.04.2020

Wie ist politische Orientierung möglich? Weil kaum eine Frage nach politischer Ordnung isoliert behandelt werden kann, gibt es politische „Weltanschauungen“: In der Moderne haben sich verschiedene solcher Gesamtansichten entwickelt: Sozialismus, Liberalismus, Konservatismus, Faschismus, Anarchismus. Allen diesen Strömungen ist gemein, dass sie historisch gewachsen sind und sich stets verändern. Scharfe Abgrenzungen scheint es nicht zu geben. Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man sich die beliebteste politische Metapher vornimmt: Die Unterscheidung von links und rechts. Ihr scheinen vielen andere Unterscheidungen zu korrespondieren: Progressiv und regressiv – fortschrittlich und reaktionär, Inklusion und Exklusion, Universalismus und Partikularismus. Viele dieser Unterscheidungen sind jedoch umstritten und gelten als nicht mehr zeitgemäß. So werden gegenwärtig verschiedene „Wenden“ gefordert (Klimawende, Energiewende, Verkehrswende...). Bliebe man in der klassischen politischen Ontologie dann handelte es sich eigentlich um „reaktionäre“ bzw. „regressive“ Forderungen. Daher gibt es (wieder einmal) starke Kritik an den binären Unterscheidungen: Die Probleme der Zukunft seien, so heißt es, nur zu lösen, wenn man sich von dem Schema Links-Mitte-rechts frei machen würde (so z. B. Ulrich Beck und Anthony Giddens vor 20 Jahren oder heute Bruno Latour und Armin Nassehi). Im Seminar soll das Pro und Contra der klassischen Unterscheidung diskutiert werden. Dabei wird es insbesondere auch darum gehen, sogenannte „Querfront“-ideen zu diskutieren, also Versuche, links und rechts zusammenzuführen. Wir werden Texte aus dem 19. Jahrhundert aus der Zwischenkriegszeit und aus der jüngeren und jüngsten Gegenwart lesen.

Literatur:

Norberto Bobbio: Rechts und Links. Gründe und Bedeutungen einer politischen Unterscheidung, Berlin 2006 (ital. Org. 1994).
Armin Nassehi: Die Macht der Unterscheidung, in: Rechte Linke, Kursbuch 173, 2013, S. 9-31.
Philip Manow: Populismus rechts und links, Nord und Süd, Ost und West, 2018, in: Soziopolis (online verfügbar unter: www.soziopolis.de/beobachten/politik/artikel/populismus-rechts-und-links-nord-und-sued-ost-und-west/).