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Dr. Borys Bigun

Meine bisherigen Forschungs­interessen reichten von der russischen Literatur um die Wende vom 19. zum 20. Jahr­hun­dert bis zur ukrai­nischen Gegenwarts­literatur. Zu den literarischen Er­scheinungen, die ich unter ver­schiedenen Aspekten unter­sucht habe, gehör­ten Theorien und ästhetische Praktiken der Post­moderne, literarische Texte russischer Exil­autoren einschließlich der Dissi­denten sowie die Werke von russischen Schrift­stel­lern jüdischer Her­kunft. Diese For­schungs­schwer­punkte be­dingten auch mein aktuelles Interesse an der Arbeit am Konzept der inter­nationalen Konferenz ‘Blondzhende Stern’: Jüdische Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler aus der Ukraine als Grenzgänger des 20. Jahrhun­derts zwischen den Kulturen in West und Ost, die an der Axel Springer-Stiftungs­professur für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration zur Zeit vor­bereitet wird.  In die­sem Projekt liegt mein Forschungs­fokus auf den kulturellen Praktiken der Grenzüber­schreitung und der Figur des Grenz­gängers. Besondere Berück­sichtigung finden dabei zweier­lei: ein­mal die ost­jüdische Kultur­schaffenden zur Migration an­spornende Be­wegung „von der Peri­pherie zum Zentrum“ zum anderen die politischen Ver­folgungs- und Katastrophen­er­fahrungen, die das Schick­sal des ost­europäischen Juden­tums des 20. Jahr­hunderts geprägt haben. Die von diesen Fak­toren her­vor­gerufenen Grenzüber­schreitungen er­gaben eine breite Palette an Grenz-Kon­struktionen und setzten zahl­reiche For­men der Ver- und Über­lagerung, Durch­dringung und Ver­flechtung heterogener kultureller Elemente voraus, was zugleich wesent­lich zur For­mierung des Ideen­feldes der Post­moderne und zur Etablierung des Schrift­stellers als eines Wanderers zwischen den (Kultur-)Welten bei­getragen hat.

Mir geht es vor allem um einen spezifisch „jüdischen“ Blick auf die Geschichte und Kultur. Ich konzen­triere mich auf die Er­fahrungen der in der Ukraine ge­borenen und vom ukrai­nischen kulturellen Kontext be­einflussten russisch­sprachigen Autoren jüdischer Ab­stam­mung, die ihren Platz in anderen Kulturräumen ein­nahmen und die Grenzen zwischen ver­schiedenen Kulturen er­kundeten. Ein wichtiger Aspekt meiner Forschung ist die Wieder­be­lebung des „ver­sunkenen Atlantis“, d.h. die Rück­kehr des Kultur­erbes der aus den ukrai­nischen Re­gionen stam­menden Literaten jüdischer Herkunft in die gegen­wärtige Ukraine in Form von Publikationen, Über­setzungen, (Re)Inter­pretationen, der Populari­sierung der Werke jüdischer Autoren sowie der In­klusion dieses Erbes in aktuelle öffentliche, wissen­schaft­liche und kulturelle Diskurse.