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Abstracts


Harald Weydt (Frankfurt Oder) Sprachkonflikte in mehrsprachigen Gesellschaften.

Abstract:

 

Fast überall, wo zwei Sprachen am gleichen Ort zu gleicher Zeit gesprochen werden, führt diese Koexistenz zu Spannungen, oft zu Konflikten, häufig zu schweren Kämpfen. Wie kommt es dazu? Konflikte, zumindest Spannungen bei Diglossie entstehen durch Auseinandersetzungen, bei denen es darum geht, die extreme Ungerechtigkeit auszugleichen bzw. aufrecht zu erhalten, der die Nicht-Muttersprachler bei Kommunikation in der dominierenden Sprache ausgesetzt sind. Dies wird zunächst ganz praktisch vorgeführt und dann auf theoretischer Ebene im Anschluss an Esser allgemein erfasst und erklärt. Sprachkonflikte sind nicht dadurch entstanden, dass die Sprecher in irrationale Barbarei zurück fielen, niemand hat sie „aufgehetzt” oder „instrumentalisiert”. Die Parteien sind vielmehr auf ihre Weise rational kalkulierende und vorgehende Individuen. – Was bleibt zu tun? Man kann versuchen, brisante Konfliktsituationen so abzumildern, sodass sie für alle erträglich werden.


Wiltrud Mihatsch (Bochum) / Carolin Patzelt (Bochum) Die Entstehung pragmatischer Marker in mehrsprachigen Räumen: ein Resultat kontaktbedingter Grammatikalisierung?

 

Abstract:

Klassische Arbeiten zu Sprachwandelprozessen erklären diese entweder mit sprachinternen oder -externen Prozessen (Grammatikalisierung vs. Sprachkontakt), allerdings wirft spätestens die Monographie von Heine / Kuteva 2005 die Frage auf, welchen Einfluss intensiver Sprachkontakt auf der Mikroebene von Grammatikalisierungsprozessen ausübt. Welche grammatischen Bereiche sind in besonderem Maße von Sprachkontakt betroffen? Löst Sprachkontakt Grammatikalisierungsprozesse aus, die sich in ihrem Ablauf nicht von Prozessen in monolingualer Umgebung unterscheiden, oder handelt es sich um reine calques, d.h. um die Kopie von polysemen Mustern, die auch Schritte der Grammatikalisierung überspringen können? Handelt es sich bei den betroffenen Prozessen um eher frühe Etappen der Grammatikalisierung oder können auch spätere Stufen betroffen sein? Werden in einer Sprache bereits angelegte Innovationen durch intensiven Sprachkontakt lediglich verstärkt? Im Vortrag sollen erste Ergebnisse eines laufenden Projekts präsentiert werden, das diese Fragen am Beispiel englischer Einflüsse auf Varietäten des Französischen in Kanada sowie des Spanischen in den USA untersucht. Die Analysen basieren auf einem Korpus gesprochener Sprache, das im Rahmen des Projekts anhand von Radio- und Fernsehmitschnitten erstellt wird. Nach den bisherigen Analysen scheint Sprachkontakt tatsächlich Grammatikalisierungsprozesse im Sinne Heine / Kutevas 2005 auszulösen, d.h. in den betreffenden Varietäten bereits angelegte (semantische) Funktionen werden unter Sprachkontakt verstärkt, ausgebaut und konventionalisiert. Dieser Ausbauprozess scheint den üblichen Schritten von Grammatikalisierung zu folgen. Auf semantischer Ebene bringen die von den romanischen Sprachen aus dem Englischen aufgenommenen Entlehnungen offenbar eine Neustrukturierung der Funktionen vorhandener pragmatischer Marker mit sich, wie etwa am Beispiel der Funktionen von well / so / ben / eh ben des kanadischen Französisch aufgezeigt werden kann.


Jérôme Jaminet (Luxemburg) Understanding plurilingual interlocutors as human chameleons

 

Abstract:

Luxembourg is characterized by the high linguistic and cultural diversity of its population - a diversity that contrasts sharply with a national school system striving for homogeneity (Portante et al. 2008). This paper is based on a micro-ethnographic study of linguistic hybridity within "classroom language events" (Bloome et al. 2005) in a Luxembourgish grammar school. Findings from triangulation of a student questionnaire, a teacher interview and an audio taped SL lesson, involving a plurilingual group of twenty-two students aged 17-19 and their German teacher, highlight contradictions between traditional ideological representations of language (use) and the situated properties, functions and effects of linguistic hybridity. These insights call for a resolutely plurilingual perspective on "language" learning and support deconstructions of SLA concepts such as "interlanguage" and "native speaker" (e.g. Firth & Wagner 1997, 2007). It is then suggested, that a renewed chameleon metaphor, distinct from its previous use in cognitive psychology(Chartrand & Bargh 1999), can account for linguistic hybridity in the talk of plurilingual students as situated and co-constructed in social interaction.


Alexander Kartosia (Tibilisi/ Frankfurt Oder) Mehrsprachigkeit als Interpretationsansatz eines monolingualen literarischen Textes

 

Abstract:

Der Vortrag stellt einen deutschsprachigen Autor Giwi Margwelaschwili vor, der als Sohn eines georgischen Emigranten vor dem zweiten Weltkrieg in Berlin aufgewachsen ist und nach dem Krieg von dem sowjetischen Geheimdienst zuerst in die sowjetische Besatzungszone verschleppt und dann, nach der zweijährigen Inhaftierung in Sachsenhausen, in die Sowjetunion überführt wurde. Die postmoderne Prosa von Giwi Margwelaschwili bietet Metaphern und Neologismen, die sich aus der "Verschmelzung" mehrerer Sprachen ergeben.


Beata Grzeszczakowska-Pawlikowska (Lodz) Phonetische Interferenz aus dem Englischen (L2) ins Deutsche (L3) bei Lernern mit Muttersprache Polnisch (L1)

 

 Abstract:

Die Lerner einer L3-Sprache haben einerseits einen leichteren Weg zu gehen, da sie über bestimmte im Erwerbsprozess von L2 ausgearbeitete Lernstrategien verfügen. Andererseits stoßen sie ebenfalls auf Schwierigkeiten, die aus dem Transfer nicht nur ihrer Muttersprache in die Fremdsprache, sondern auch der ersten Fremdsprache in die zweite Fremdsprache resultieren. So haben die L3-Lerner den negativen Einfluss sowohl der Ausgangssprache als auch der anderen zur selben Zeit gelernten bzw. schon auf einem ziemlich hohen Niveau beherrschten Fremdsprache(n) zu bekämpfen. Welche Sprache sich dabei stärker auf die weitere auswirkt, kann es auch unterschiedlich sein - u. a. je nach dem Grad von Ähnlichkeit der Sprachen zueinander oder ihrer Verwendungshäufigkeit. Neben den interferenzbedingten Fehlern auf der Ebene der Lexik und Grammatik (Morphologie, Syntax) sind die phonetischen Abweichungen, die sich in dem sog. fremden Akzent niederschlagen, unter vielen Aspekten viel komplexer. Sie tragen zur verminderten Verständlichkeit von mündlichen Aussagen und somit auch zu Kommunikationsstörungen bei. Auf Grund der Flüchtigkeit gesprochener Sprache sind sie darüber hinaus weniger leicht zu verfolgen als die o. g., die ebenfalls in der Schriftlichkeit immer wieder auftauchen und dadurch auch in der Mündlichkeit effektiver zu beseitigen sind. Dabei erscheinen die phonetischen Interferenzen in der mündlichen Kommunikation wie Stolpersteine und verursachen bei Lernern, die sich ihrer oft gar nicht bewusst sind, auch Unsicherheitsgefühle. In Anbetracht dessen wird zum Ziel gesetzt, am Beispiel des Erwerbs von zwei Fremdsprachen Englisch als L2 und Deutsch als L3 mit Ausgangssprache Polnisch mögliche Interferenzquellen im Bereich der Aussprache aufzuzeigen. Anschließend wird der Versuch unternommen, didaktische Implikationen für den Unterrichtsalltag auszuarbeiten. beata.pawlikowska@wp.pl A newspaper for inmigrants: Spanish-Italian interferences in Expreso Latino


Elena Gómez (Madrid): A newspaper for inmigrants: Spanish-Italian interferences in Expreso Latino

Abstract:

this contribution studies the Spanish-Italian interferences appearing in Expreso Latino, a newspaper for Latino immigrants broadly distributed in Italy. Due to its characteristics, this paper offers interesting examples of two close languages in contact, and constitutes a field for the study of more general aspects related to intercultural communication.


Valéria Severina Gomes (Recife) / Mari Noeli Kiehl Lapechino (Recife) Discourse elements of Brazilian editorials from the 19th until the 21st century: European discourse traditions transferred into another tradition of discourse . [Elementos constitutivow do editorial do século XIX ao XXI: tradições discursivas inscritas em outra tradição discorsiva]

Abstract:

This contribution forms part of a larger context of discussion on the historical roots and development of discourse traditions. There are a lot of studies on genres in a synchronical perspective. Text linguists have focused on the construction of texts in formal and functional aspects, but they do neither considerate the historical based compositionality of the texts nor their social practice of use. The aim of our contribution is to show how the compositional parts of the discourse tradition editorial as emblematic parts of newspapers have been inserted, changed, excluded or maintained during the time when this discourse tradition has been practiced, e.g. since the 19th century until today. The study takes into consideration at one hand he theory of genres developed by Bakhtin, 2000; Miller, 1984; Bazerman, 2005 and others and on the other hand the theory of discourse traditions established by German linguists as for ex. Schlieben-Lange, 1993; Jungbluth, 2005; Kabatek, 2001, 2005 and Oesterreicher, 2002. There will be discourse-pragmatic aspects, as for ex. the continuity and the terminology used intertwined with the analyse of the concept of discourse tradition and the historicity of genres en general without leaving out of consideration the historicity of language itself. Key-words: discourse tradition, historicity of genres and historicity of language.


Konstanze Jungbluth (Frankfurt Oder) Aus zwei mach eins: switching, mixing, getting different.

 

Welche Äußerungen der Sprecherinnen und Sprecher des deutsch-spanischen alemañol und des deutsch-polnischen Viadrinisch lassen sich durch eine Verknüpfung der Regeln der jeweils beteiligten beiden Standardsprachen erklären und inwiefern lassen sich Aspekte eines eigenständigen, kreativ neu geschaffenen Regelwerks erkennen?


Christoph Schroeder (Potsdam) Schrifterwerb in Migrantensprachen (Türkisch in Deutschland) und Minderheitensprachen (Kurdisch in der Türkei)

Abstract

In einer Teilerhebung des LAS-Projekts („Schriftspracherwerb in der Organisation Schule unter den Bedingungen von Migration und Mehrsprachigkeit“, Universität Osnabrück, Potsdam und Bilgi Universität Istanbul, gefördert von der Volkswagen-Stiftung) wurden Schüler/innen mit türkischer Familiensprache in Deutschland und Schüler/innen mit kurdischer Familiensprache in der Türkei (jeweils 1. und 7. Klasse) gebeten, einen zuvor auf Türkisch (in Deutschland) bzw. auf Kurdisch (in der Türkei) erzählte Narration in dieser Sprache auch zu verschriftlichen. Bei den beiden Sprachen handelt es sich um Minderheitensprachen im jeweiligen Land (Türkisch in Deutschland, Kurdisch in der Türkei), Sprachen jedoch, die stark unterschiedlich soziolinguistisch und sprachenpolitisch situiert sind. In dem Vortrag sollen zunächst die unterschiedlichen orthographischen Lösungswege dargestellt werden, die die Siebtklässler in der Verschriftlichung ihrer Familiensprachen gehen. Anschließend wird versucht, diese Lösungswege auf der Folie der unterschiedlichen soziolinguistischen und sprachenpolitischen Situierungen der beteiligten Sprachen zu interpretieren.


Inke Du Bois (Vechta) Ey Digger, isch hab grad voll Beef mit meiner Perle. Die saugt richtig, Lan. Grammatische, Lexikalische und pragmatische Aspekte von Kanak Sprak.

 

Abstract:

 In the early eighties, controversial studies on the educational success of different minority groups (Ogbu, 1983) showed that African American minority students exhibited lower academic performances than White Americans and other minorities such as Hispanics or Chinese. Ogbu (1999) claims that institutionalised patterns of behavior are interdependent with features of the environment, which interact with the minorities' response to those treatments and schooling. In a study on third language acquisition among German migrant children, Elsner (2007) achieved similar results: the already bilingual minority students could not integrate their bilingual competencies towards a higher performance in their third language English, but they performed lower in their English classes than the German students. This presentation is concerned, first, with a brief demographic and linguistic description of the minority varieties and its speakers. Second, an outlook on how a positive bicultural identity can be fostered and eventually lead to greater minority student success. Often bilingual migrant children and youth speak Kiez Sprache or Kanak Sprak, a multiethnic variety in their social networks. Kanak Sprak has the status of a youth language and a contact language in multiethnic contexts. (Wiese, 2006). African American children speak African American Vernacular of Black English a variety of English spoken at home and with friends. Its speakers can be characterized as an "involuntary minority" as a result of historic subjugation. (Ogbu, 1983) Both Kiez Sprache and African American Vernacular share five characteristics: a) They are influenced by other languages and incorporate the introduction of different lexical material, phonetic and phonological changes (Wiese, 2006; McWhorter, 2004) b) To some extent both varieties have grammatical reduction on morphological and syntactic levels. c) Both varieties and its speakers are stigmatised, the varieties are (falsely) considered to be substandard. d) They confirm ethnic minority identity as an opposition to standard speakers and mainstream society. e) Both varieties additionally have the status of youth language spoken by other speakers, as well. A short teaching example will show how the standard language can be taught through specific teaching techniques. At the same time the students' ethnic identity and language can be strengthened and confirmed.


Stavros Skopeteas (Athen) / Elisabeth Verhoeven (Bremen) Zur turkischsprachigen griechischen Minderheit auf dem kleinen Kaukasus

 

 Abstract

Urum ist das Ethnonym einer griechischen Minderheit auf dem kleinen Kaukasus (Georgien). Die meisten Sprecher dieser Minderheit sprechen drei Sprachen von drei verschiedenen Sprachfamilien: Urum (eine Turksprache, die vom anatolischen Türkischen stammt), Russisch (Indogermanisch) und Georgisch (Kartvelisch). Darüber hinaus haben sie immer Sprachkontakt zum pontischen Griechischen, einem Dialekt des Griechischen, der am Schwarzen Meer gesprochen wird. In diesem Vortrag werden wir berichten, wie sich die Mehrsprachigkeit im phonologischen, syntaktischen und lexikalischen Inventar des Urum manifestiert.


Yazgül Simsek (Potsdam) Formen des Sprachgebrauchs türkisch-deutscher Jugendlicher aus Berlin

 

Abstract:

Die neuere soziolinguistische Forschung hat gezeigt, dass Migrantengruppen eigene Ausdrucksformen (Ethnolekte) entwickelt haben, die die sprachlichen und ethnischen Grenzen innerhalb der Migrantengemeinschaft in den Großstädten überbrücken können und es ihren Mitgliedern ermöglichen, eine eigene Identität für Außenstehende erkennbar auszudrücken. Für meine Untersuchung der sprachlichen Ausprägung im Berliner Raum habe ich die Bezeichnung "Türkendeutsch" gewählt, die auf die Herkunft der größten Migrantengruppe dieser Stadt referiert, einem 'Sprechstil', der sich aus den sprachlichen Ressourcen unterschiedlicher Varietäten der Ausgangssprachen Deutsch und Türkeitürkisch zusammensetzt. In meinem Beitrag werde ich anhand von Beispielen aus einem Korpus natürlicher Gesprächsdaten darstellen, welche sprachlichen Merkmale als "charakteristisch für das Türkendeutsche" angesehen werden können. Die sprachliche Gliederung von Informationen, Relevanzmarkierung von Redebeiträgen und die Darstellung von Ereignissen oder Sachverhalten mit einer gesteigerten Dramatik geschehen häufig durch den Einsatz dieser charakteristischen Mittel, die auch bestimmte syntaktische, morphologische und prosodische Eigenschaften des Türkischen als Gestaltungsressourcen nutzen. Die detaillierte Beschreibung linguistischer Strukturen in den Alltagsgesprächen von Migrantenjugendlichen soll zeigen, dass es sich beim Türkendeutschen um eine höchst kreative und situativ angepasste Art des Sprachgebrauchs handelt. Die Kreativität der Sprecher bei der Lösung kommunikativer Aufgaben ist ein Aspekt, der meist vernachlässigt wird, da das Türkendeutsche in der öffentlichen Diskussion häufig mit einer verminderten Sprachkompetenz assoziiert wird.


Sarah Dessì Schmid (Tübingen) / Jochen Hafner (München) Das Katalanische in Sprachkontaktsituationen: Versuch einer Bestandsaufnahme in Theorie und Praxis


Natasa Tolimir-Hölzl (Berlin) Mine, yours, ours? On language attitudes in Republika Srpska

 

Abstract:

Linguistically, the past two decades in Bosnia and Herzegovina were characterized by the implementation of three official languages, "Bosnian", "Croatian" and "Serbian", which replaced the formerly used "Serbo-Croatian". What initially looked like a merely terminological change for ideological reasons has developed into a gradually growing language change along ethnic lines, which was also largely influenced by the neighbouring countries Croatia and Serbia, thus turning language planning in Bosnia and Herzegowina into a transnational issue. In our first project, slight changes in the language use of the first post-war school generation were measured. However, it turned out that there is a great difference between the standardization, acceptance and actual use of the three languages in question. It has become evident that these linguistic changes are not spreading out equally, but are only affecting the language use and speech of the majority members in certain regions. As a consequence, members of linguistic minoritiestend to move or adapt, which leads to the establishment of separate linguistic regions rather than to the state planned equal trilingualism that was intended to support ‚multilingual' encounters by allowing everyone to learn and use his/ her recently defined and prescribed language anywhere within Bosnia. We are now focusing on the linguistic situation of Bosnian Serbs in depth. In the Republika Srpska (one of the two constituencies of Bosnia and Herzegovina), the Serb group's regional composition is almost 'mono-ethnical', the other is a combination of predominantly Bosniacs and Croats, which stimulates further divergence from their direct neighbours. The study reveals language attitudes by using a variation of the matched guise technique and follow-up interviews. The results mirror the profound meaning of language, the social impact of language planning and use and confirm the reciprocity of language and politics, which enables us to gain information on possible political developments.


Veronika Ries (Bielefeld) Sprachkontaktphänomene in Gesprächen Russlanddeutscher

 

Abstract:

und::, denn (.) hab=ich ein=paar TAPočki1 gestrickt

Im Rahmen meiner Promotion zu Sprachgebrauch und Spracheinstellung Russlanddeutscher begegnen mir in der Analyse meiner Korpusdaten nahezu regelmäßig derartige Sprachkontaktphänomene. Während diese Äußerung noch recht einfach zu analysieren ist - Sprachgrenzen entsprechen Wortgrenzen, ein russisches Lexem wird in einen deutschen Satz eingefügt, höchstwahrscheinlich wird dadurch eine Lücke im deutschen Lexikon gefüllt, denn TAPočki meint hier eine bestimmte Hausschuhart - so treten in meinem Korpus auch Formen der "Sprachmischung" auf, die weit komplexer sind. An Hand der detaillierten Analyse ausgewählter Korpusbeispiele sollen verschiedene Formen von Sprachkontakt vorgestellt werden. Ansatz und Fragestellung orientieren sich insbesondere an Theorien Carol Myers-Scottons, Michael Clynes, Pieter Muyskens und Peter Auers für die Sprachkontaktforschung. Darüber hinaus stehen für mich die einzelnen Sprecherbiografien im Mittelpunkt der Untersuchung. Von besonderem Interesse sind für mich folgende Datentypen: - Daten, in denen Code-Switching und Transfer (Transfer wird nicht auf den Fremdspracherwerb beschränkt) gemeinsam auftreten - Daten, die eine Problematik der Sprachgrenzen im bilingualen Diskurs anzeigen Im Hinblick auf Aspekte wie zum Beispiel die sprachliche Integration, die Sprachkompetenzen und die Definition von ‚Muttersprache' Russlanddeutscher ziehe ich unter anderem Arbeiten von Nina Berend, Katharina Meng und Alena Petrova heran. Basis der qualitativen Untersuchung sind morphosyntaktische, semantische und interaktionslinguistische Analysen natürlicher Sprachdaten, die aus einem von mir selbst erhobenen und aufgearbeiteten Korpus stammen. Meine Zugehörigkeit zur untersuchten Sprechergruppe - den Russlanddeutschen - ermöglichte die Erstellung eines authentischen Untersuchungskorpus'. Sowohl einzelne Äußerungen als auch kurze Gesprächssequenzen der Alltagsgespräche werden im Hinblick auf Form und Art der erscheinenden Sprachkontaktphänomene und auf mögliche Funktionen der auftretenden Sprachwechsel hin analysiert. Bei der Analyse werden folgende Leitfragen gestellt: - Wie verwenden Sprecher die ihnen zur Verfügung stehenden Sprachen Deutsch und Russisch? - Um welche Kontaktphänomene handelt es sich dabei? Als Ergebnis werden strukturelle Charakteristika wie Code-Switching und ergänzend diskursive Motive für diese Phänomene vor dem soziokulturellen Hintergrund der Sprecher beleuchtet. Des Weiteren kann gezeigt werden, dass es sich dabei nicht immer um individuelle Sprecherphänomene handelt, sondern dass auch Konventionalisierungsprozesse (z.B. auf der Ebene morphologischer Integrationsverfahren) beobachtbar werden.


Natallia Sender (Frankfurt Oder) Trasjankasprecher in Belarus. Wer sind sie und wie werden sie wahrgenommen?

 

Abstract:

Auch nach der Auflösung der Sowjetunion 1991 spielt die russische Sprache in Belarus wie zuvor eine bedeutende Rolle - neben Weißrussisch übt das Russische die Funktion einer Staatssprache aus. In der parallelen Existenz von zwei genetisch verwandten Staatssprachen neigt ein Teil der Einwohner Weißrusslands zusätzlich dazu, eine Mischsprache zu sprechen: Trasjanka. Trasjanka stellt eine Sprachmischung aus dem Weißrussischen und dem Russischen dar und hat sich bei vielen Belarussen zu einer verbreiteten Kommunikationssprache entwickelt. Die alltägliche Überzeugung vieler Weißrussen besagt, dass Trasjanka vorwiegend von wenig gebildeten Leuten auf dem Lande gebraucht wird. Ob es sich dabei nur um ein Klischee oder doch um die gerechte Einschätzung der nachzuweisenden Eigenschaften der Trasjankasprecher handelt, gilt es zu klären.


Natia Gogoladze-Hermani (Essen) Sprachliche Integration in Georgien - Chancen und Widersprüche

 

 Abstract:

Die Integrationsbemühungen eines Staates gegenüber Minderheiten, insbesondere die Frage von sprachlicher Integration, ist nicht selten konfliktbeladen. In Augen der Minderheiten haftet an der Integration oft der Verdacht von Assimilation und gerade das macht sie zu einer heiklen Herausforderung. Die klassische Minderheitenforschung befasst sich vorrangig mit sprachlichen und kulturellen Rechten der Minderheiten. Dabei steht das Recht auf muttersprachlichen Unterricht als ein universales Menschenrecht oft im Mittelpunkt. Das Recht auf eigene Muttersprache schließt jedoch die Kenntnisse der jeweiligen Landessprache/Amtssprache nicht aus. Vielmehr ist letzteres eine unentbehrliche Voraussetzung, eine Notwendigkeit und Pflicht eines jeden Bürgers für die erfolgreiche Integration. Der geplante Vortrag konzentriert sich auf die sprachliche Problematik im Spannungsfeld widersprüchlicher Bedürfnisse, Interessen Erfahrungen, Forderungen und Verpflichtungen.


Gëzim Xhaferri (Tetovo): Die Erlernung der Landessprachen im mehrsprachigen Mazedonien als politisches Problem. Kann die Schweizer Sprachpolitik als Modell für Mazedonien dienen?

 

Abstract:

In meinem Beitrag möchte ich die Probleme bezüglich der Erlernung der Landessprachen in den  öffentlichen mazedonischen Schulen und Universitäten, insbesondere die des Mazedonischen und des Albanischen behandeln. "Je mehr Sprachen du sprichst, desto mehr bist du Mensch", sagt eine Redewendung. Getreu diesem Sprichwort sollten die Bürger der Republik Mazedonien zum Multilingualismus bzw. zum Erlernen ihrer Landessprachen ermutigt werden. Das Erlernen der Landesprachen in einem multilingualen, multiethnischen und multikulturellen Land, wie Mazedonien ist m. E. eine Notwendigkeit für die Realisierung der reibungslosen Kommunikation zwischen den beiden größten Volksgruppen (Mazedonier und Albaner) und damit auch eine Voraussetzung für die erfolgreiche Integration jedes Bürgers in die Gesellschaft seines Staates.

Der Beitrag konzentriert sich ebenso auf die multilinguale und multikulturelle Schweiz, die als erfolgreiches und positives Modell für den Umgang mit der Mehrsprachigkeit und für die Integration der Bürger in die Schweizer Gesellschaft gilt. In diesem Sinne stellt sich hier die Frage, ob das Modell der Schweizer Sprachpolitik im Unterricht ihrer Landessprachen nicht auch für die Republik Mazedonien als Vorbild dienen könnte.


Martin Luginbühl (Zürich) "Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, uf Widerluege" Dialekt und Standard in Schweizer Medien

 

Abstract:

In meinem Beitrag möchte ich in einem ersten Teil einen Überblick über die Verteilung von Dialekt und Standard in Schweizer Medien (Zeitungen, Hörfunk, Fernsehen, Neue Medien) geben. Ich werde mich dabei auf redaktionelle Texte konzentrieren, am Rande aber auch auf Texte der Werbung und auf fiktionale Texte (Fernsehserien, Hörspiele etc.) eingehen. Dabei sollen aktuelle Trends aufgezeigt werden, wobei sich zeigen wird, dass es keinen durchgängigen Trend (z. B. hin zu einer "vernacularization") gibt. In einem zweiten Teil werde ich anhand ausgewählter Beispiele der Frage nach der Funktionalisierung einzelner sprachlicher Varianten nachgehen. Linguistische Formen können - allenfalls im Verbund mit anderen semiotischen Systemen - lokale Herkunft signalisieren. Darüber hinaus können aber Dialekte auch als Ressource genutzt werden, um ganz andere Funktionen zu erfüllen bzw. andere Bedeutungen zu etablieren; so kann Dialekt zur Inszenierung von Nähe und Authentizität für verkaufsfördernde Zwecke (auch von Programmen, nicht nur von Konsumgütern) genutzt werden; aber Dialekt kann auch dazu funktionalisiert werden, um ländliche Traditionen und/oder niedrigen Status zu markieren. Dialektale Varianten erhalten so ein grosses Bedeutungspotenzial, wobei es jeweils vom spezifischen Kontext abhängt, welche Aspekte dieses Potenzials aktiviert werden. Damit wird Dialekt- und Standardgebrauch eine Frage der Performanz und das jeweils vorliegende Verhältnis zu geografischem Raum muss im Kontext untersucht werden.


Jens Philipp Lanwer (Münster) Sprachvariation in familiären Tischgesprächen. Interaktionale Untersuchungen zur Dialekt-Standard-Variation in norddeutschen Familien

 

Abstract:

AMMON nimmt für das deutsche Sprachgebiet verschiedene Dialekt-Standard-Konstellationen an. Für Norddeutschland konstatiert er das Szenario des Dialektschwundes (vgl AMMON 2003:163). Auch wenn für den norddeutschen Raum ein enormer Rückgang dialektalen Sprechens zu verzeichnen ist, zeigen sich gegenwärtig dennoch einige Regionen als (eingeschränkt) abbauresistent (vgl. u.a. STELLMACHER 2000:107). So finden sich bspw. im Münsterland oder auch in Ostfriesland noch bivarietäre1 SprecherInnen, die in der alltäglichen Kommunikation sowohl von standardnahen als auch von dialektalen Sprechweisen Gebrauch machen. Erste Beobachtungen an im Rahmen des Forschungsprojektes ‚Sprachvariation in Norddeutschland' erhobenen Gesprächsdaten2 zeigen, dass Verschiebungen zwischen standardnahen und dialektalen Sprachlagen bzw. vice versa zum Teil funktionalen Teleologien folgen (vgl. auch bereits DENKLER 2007) und Sprachvariation einerseits sicherlich als rezipientengesteuert zu interpretieren ist (vgl. hierzu grundlegend BELL 1984), dass sie aber andererseits auch zur Modellierung des Gesprächskontextes oder zur Strukturierung von Äußerungen oder Sequenzen beiträgt. Dass Dialekt-Standard-Variation im gesprächsfunktionalen Kontext analysierbar ist, wurde bereits in verschiedenen empirischen Studien aufgezeigt (für eine rezente Zusammenschau vgl. SCHWITALLA 2006:49ff.). Im Hinblick auf die Fragestellung, welche Rolle Sprachvariation in der familiären Alltagskommunikation spielt, verspricht die Integration interaktionaler Analyseverfahren daher einen fruchtbaren Ansatz zu liefern. 1 Zur Unterscheidung monovarietärer und bivarietärer SprecherInnen vgl. SCHMIDT (2005:70). 2 Zur Anlage des Forschungsprojektes vgl. ELMENTALER et al. (2006).


Kathleen Ziemann (Frankfurt Oder): Code-switching zwischen Dialekt und Standardsprache - am Beispiel des Niederdeutschen

 

In Norddeutschland können laut einer aktuellen Studie des Instituts für Niederdeutsche Sprache (2007) rund 2,5 Millionen Menschen sehr gut oder gut Niederdeutsch sprechen. Auch wenn diese Zahlen den fortschreitenden Rückgang der niederdeutschen Sprachkenntnisse belegen, wird dennoch in Bezug auf den Sprachgebrauch der aktiv Niederdeutsch sprechenden Personengruppen (in Verbindung mit dem Gebrauch des Hochdeutschen) von einer verborgenen Zweisprachigkeit (Dieter Stellmacher) gesprochen. In diesem Zusammenhang ist eine Analyse des Sprachkontaktphänomens Code-switching zwischen Standardsprache (Hochdeutsch) und Dialekt anzusiedeln. Das DFG Projekt Sprachvariationen in Norddeutschland (SiN) ermöglicht durch die umfassende Dokumentation des Sprachgebrauchs von Niederdeutschsprecherinnen eine Analyse zu der Frage in welchen (kommunikativen) Zusammenhängen wird von der Standardsprache Hochdeutsch in das Niederdeutsche gewechselt? (und umgekehrt). Der Vortrag (und die dazugehörige Hausarbeit) versucht unter Verwendung bereits erhobener SiN-Daten Gesetzmäßigkeiten und Kategorien für diese Form des Code-switching zu finden bzw. anzubieten. Dabei wird auch auf die Problematik der Definition Code-switching zwischen Dialekt und Standardsprache eingegangen.


Klaas-Hinrich Ehlers (Frankfurt Oder) Schlesische und sudetendeutsche Plattsnacker - zur sprachlichen Integration der Heimatvertriebenen in Mecklenburg-Vorpommern

 

Abstract:

In den Jahren um 1945 strömten knapp 13 Millionen deutsche Flüchtlinge und Heimatvertriebene aus den ostdeutschen Sprachgebieten in westlicheren Regionen. Die Durchmischung der ansässigen Bevölkerung mit einer derart hohen Zahl von ortsfremden Menschen wird gemeinhin als ein wichtiger Grund dafür angesehen, dass auf dem Gebiet der DDR und der BRD in der Nachkriegszeit die lokalen Dialekte stark geschwächt wurden. Aktuelle Feldforschungen in Mecklenburg zeigen aber, dass viele der Heimatvertrieben nach ihrer Ankunft noch im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter Plattdeutsch gelernt haben. Auch Personen, die aus den mittel- und oberdeutschen Dialektgebieten nach Mecklenburg kamen, haben sich in bemerkenswertem Ausmaß sprachlich an ihre neue niederdeutsche Umgebung anzupassen versucht. Das Niederdeutsche hat also nach 1945 zunächst sogar neue Sprecher gewonnen. In einer geplanten Ortsstudie zu einer mecklenburgischen Kleinstadt soll herausgearbeitet werden, unter welchen Umständen und mit welchen Verlaufsformen diese sprachliche Integration über den Ortsdialekt vonstatten ging. Im Vortrag werden Ergebnisse aus ersten qualitativen Fallstudien vorgestellt.


Elke Montanari (Koblenz) Kindliche Mehrsprachigkeit: Determination und Genus.

 

Abstract:

Fehler am Artikel werden von pädagogischen Fachkräften sehr häufig bei Kindern mit deutscher Zweitsprache angemerkt. Am Artikel wird jedoch eine Vielzahl von Merkmalen markiert - sind sie alle gleichermaßen problematisch? In der Analyse von über 100 Erzählungen mehrsprachiger Vorschulkinder (5-6 Jahre) in sozialen Brennpunkten wird deutlich, dass einige sprachliche Kategorien am Artikel höchst problematisch, andere jedoch effizient und angemessen von den Kindern eingesetzt werden. Dieser Gegensatz lässt sich an dem kindlichen Umgang mit Determination und Genus in Narrativa zeigen. Auf diesem Hintergrund wird reflektiert, wie Bewertungen, die auf Kategorien fokussieren, die in spezifischen Erwerbsverläufen strukturell Erwerbsschwierigkeiten darstellen, und dabei übersehen, welche Aneignungserfolge zu beobachten sind, den Erwerbserfolgen der Kinder nicht gerecht werden.


Tanja Anstatt (Bochum) / Oxana Rubcov (Tübingen): Russisch-deutsche Familiensprache und bilingualer kindlicher Spracherwerb

 

Abstract:

 Die Familie ist in der Regel der hauptsächliche Ort, an dem ein kleines Kind in Kontakt mit Sprache kommt, sie spielt darum für die ersten Jahre des Spracherwerbs eine zentrale Rolle. Im Vortrag wird beleuchtet, mit welcher spezifischen Situation Kinder aus mehrsprachigen Familien konfrontiert sind, dabei geht es speziell um Familien, in denen Russisch und Deutsch gesprochen wird. Wir werden der Frage nachgehen, in welcher Weise sich unterschiedliche sprachliche Verhaltensweisen und Einstellungen der Eltern und weiterer Familienmitglieder auf den Spracherwerb des kleinen Kindes auswirken. Im Zentrum des Vortrags steht eine Langzeitstudie zum Spracherwerb eines kleinen Mädchens aus einer russisch-deutschen Familie, in der beide Sprachen stark gemischt verwendet werden. Sein Spracherwerbsverlauf wird mit Erwerbsverläufen anderer Kinder aus russisch-deutschen Familien kontrastiert.


Katharina Meng (Mannheim) / Ekaterina Protassova (Helsinki / Moskau): Mehrsprachige Bilderbuch-Interaktionen in russlanddeutschen Aussiedlerfamilien

 

Abstract:

Der geplante Beitrag wird Ausschnitte aus einer in Arbeit befindlichen umfangreicheren Studie darstellen, die an das Mannheimer Projekt zur sprachlichen Integration von Aussiedlern anschließt. Die Studie hat zum Ziel, drei Fragen systematischer nachzugehen, die in den bisherigen Publikationen zur sprachlichen Integration von Aussiedlern (vor allem Meng 2001, Protassova 2007) nur kursorisch behandelt wurden: (1) Wie entwickelt bzw. verändert sich die mitgebrachte Erstsprache der Kinder, das Russische, unter den Bedingungen des Lebens in Deutschland? (2) Wie verläuft die Aneignung des Deutschen als Zweitsprache? (3) Wie beteiligen sich die Eltern der Kinder an der Vermittlung der beiden Sprachen? Die Studie konzentriert sich auf einen wichtigen Abschnitt der Ontogenese: auf das Vorschulalter. Es werden Kinder betrachtet, die bei der Übersiedlung nach Deutschland mindestens 4;6 Jahre alt waren und im Herkunftsland noch nicht die Schule besuchten. Ihre russisch- und deutschsprachigen Fähigkeiten werden im ersten und im vierten Jahr des Lebens in Deutschland analysiert, wobei nach Möglichkeit alle sprachlichen Basisqualifikationen (Ehlich 2005) außer der literalen ausschnittweise und in ihrer Wechselwirkung berücksichtigt werden sollen. Empirische Grundlage für die Untersuchung der Fragen (1)-(3) sind elizitierte Bilderbuch-Interaktionen zwischen jeweils einem Vorschulkind und seinem Vater bzw. seiner Mutter. Die Interaktionspartner betrachten gemeinsam ein Bilderbuch, in dem eine überraschende Ereignisfolge bildlich, aber sprachlos dargestellt ist. Die Eltern fordern ihr Kind auf, die Geschichte "zu erzählen", die auf den Bildern zu sehen ist, und zwar einmal auf Russisch und einmal auf Deutsch. Die Äußerungen der Kinder sind Grundlage für die Fragen (1) und (2), die Äußerungen der Eltern sind Grundlage für die Frage (3). Die Untersuchung versteht sich als Beitrag zur international lebhaften, in Deutschland aber nur marginal vertretenen Forschung zum Thema "kindliche Mehrsprachigkeit" (s. Reich 2008) sowie zum Thema "Sprachförderung". Sprachförderung wird in Deutschland gegenwärtig vor allem als institutionalisierte Förderung der Zweitsprache Deutsch nach einer Diagnose von Defiziten im Deutschen verstanden (s. Ehlich 2005, Lengyel, Reich, Roth, Döll (Hrsg.) 2009). Eine erweiterte Perspektive auf "integrierte Sprachförderung", d.h. Sprachförderung im Alltagsleben der Kinder, und auf Förderung ihrer Mehrsprachigkeit ist dringend erforderlich. Welche Aspekte dieser Studie in dem geplanten Beitrag im Mittelpunkt stehen werden, kann erst später entschieden werden.


Nino Abralava (Tibilisi) Frühe bilingual-bikulturelle Kindererziehung in der bilingualen Umgebung in Georgien (Ergebnisse einer empirischen Untersuchung)

 

Abstract:

Zweisprachigkeit stellt heutzutage keine Ausnahme mehr dar. Dennoch gibt es auch in Georgien viele Unsicherheiten, Fragen, Vorurteile und Schwierigkeiten im Umgang mit der zweisprachigen Kindererziehung. Mein Beitrag behandelt konkret die deutsch-georgische Zweisprachigkeit in Georgien. Die zweisprachige Kindererziehung ist zwar ein individueller Entwicklungsprozess der in bestimmten Altersphasen und Kulturen verschieden verläuft, aber meiner Meinung nach ist unsere Erfahrung auch auf andere europäischen Sprachen und Situationen übertragbar. In diesem Beitrag behandle ich meine eigene Erfahrung zur Zweisprachigkeit in meiner deutsch-georgischen Mischehe. Unsere Kinder wachsen in Georgien zweisprachig auf, aber auch in unserer Umgebung gibt es einige ähnliche Situationen mit der zweisprachigen Kindererziehung, welche ich untersucht habe und auf die ich näher eingehen werde. ¢ Wie können die Eltern die zweisprachige Entwicklung des Kindes in dem Land unterstützen in dem das Kind keine weiteren passende Sprachvorbilder hat? ¢ Wie verläuft die sprachliche Entwicklung eines zweisprachigen Kindes in einer zweisprachigen Umgebung? ¢ Welche Probleme können dabei auftreten und ist es möglich dem Kind im frühen Alter, eine im Vergleich zur Umgebung des Kindes, so extrem unterschiedliche Sprache und Kultur nahe zu bringen? ¢ Welche Rolle spielt die Umgebung im Erwerbsprozess, "Eine Person - Eine Sprache"? -gibt es allgemeingültige Regeln oder sollte man sich für spezielle Familiensituationen passend verhalten? ¢ Wann verweigern die Kinder die Nichtumgebungssprache. Ich werde anhand meiner persönlichen Erfahrung und mit konkreten Beispielen die Antworten auf diese und andere Fragen, -aber auch didaktische Empfehlungen geben. Meine eigenen Erfahrungen bilden den praktischen Hintergrund für diesen Beitrag.


Marzena Schneider (Augsburg) Sprachordnung in der bilingualen Praxis: eine soziolinguistische Betrachtung von Interaktionsmustern während eines deutsch-polnischen Erstspracherwerbs

 

Abstract:

Anhand der Ergebnisse einer soziolinguistischen Langzeitstudie zum bilingualen Erstspracherwerb soll die bilinguale Sprachwahl betrachtet werden, wie sie sich in der Auseinandersetzung zweier Kinder mit ihrem deutsch und polnisch sprechenden Umfeld herausgebildet hat. Der Vortrag will die für die Sprachwahl relevanten Faktoren aufzeigen und dabei vor allem interaktional-funktionale Fragestellungen in den Vordergrund stellen. In diesem Zusammenhang wird der Sprachordnung eine gewichtige Rolle zugeschrieben. Der Vortrag soll mit Hilfe differenter Interaktionsmuster aus der bilingualen Praxis aufzeigen, dass die für die Sprachwahl geltenden Sprachordnungen als ein Produkt einer Konstruktionsarbeit zwischen den bilingualen Kindern und ihrem Umfeld aufzufassen sind. Diese werden entsprechend den Erfordernissen der Sprecher mit jeder Interaktion modifiziert bzw. neu entworfen. Es wird deutlich werden, dass jede Art von Interaktion in der bilingualen Praxis ihre eigenen Besonderheiten schafft. Die darin auftretende Sprachwahl ist so flexibel, dass sie den kindlichen Kommunikationszwecken gerecht wird und in Abhängigkeit von der Sprachsituation variiert. Letztendlich soll verdeutlicht werden, dass bilinguale Kinder an ihrer Zweisprachigkeit aktiv teilnehmen und den jeweiligen Situationsbezug zusammen mit anderen Gesprächsteilnehmern herstellen.


Bogumiła Baumgartner (Regensburg) Zweisprachige Kindererziehung. Förderung der Muttersprache im Ausland

 

Abstract:

Die Muttersprache ist die erste Sprache eines Kindes, in dem es seine Welt entdeckt. In dieser Sprache beginnt das Kind zu denken, Kontakte zu knüpfen und Wünsche zu äußern. Sie hilft ihm die Welt zu erforschen und ist die Grundlage für die Weiterentwicklung seiner Identität. Die Erstsprache eines Kindes ist die Basis zum Erlernen einer zweiten oder dritten Fremdsprache. Besonders schwierig aber zugleich sehr wichtig ist die Förderung der Herkunftssprache im Ausland. Die ausländischen Eltern tragen die Verantwortung den eigenen Kindern die Schätze der Sprache, Kultur und Tradition des Heimatlandes weiterzugeben. Weil "wenn unsere Sprache verloren geht, verlieren wir alles. (Sidnay Baca)". Eltern, die mit ihrem Kind in der Muttersprache sprechen, helfen ihm, die Welt intensiver und authentischer wahrzunehmen, weil sie selber besser in der Sprache Emotionen erkennen und Umfeld erleben. Deutsche Sprache wird von ausländischen Kindern erfolgreicher gelernt, wenn die Bedeutung der Mehrsprachigkeit im Unterricht bewusst zum Thema gemacht wird. Zweisprachige Kinder lernen mit gewisser Leichtigkeit andere Fremdsprachen, sind toleranter und offener für andere Kulturen und können leichter mit Vorurteilen umgehen.


Barbara Jańczak (Frankfurt Oder) In Deutschland: "mein Schatz", in Polen: "kochanie" - eine Vergleichsanalyse des Sprachgebrauchs in deutsch-polnischen Familien in Deutschland und in Polen

 

Abstract:

Die vorliegende Studie behandelt interkulturelle Kommunikation in bikulturellen Familien und trägt somit zur Erforschung einer wichtigen Problematik aus den Bereichen der Soziolinguistik und der Familiensoziologie bei. Die Präsentation bezieht sich auf die kontrastive Darstellung ausgewählter Aspekte der Sprachverhältnisse in deutsch-polnischen Ehen in Deutschland und in Polen. Der Fokus wird hierbei auf solche Paare gelegt, in denen die Ehefrauen Polinnen sind. Polinnen sind die zahlenmäßig stärkste Gruppe unter den Ausländerinnen, die eine eheliche Beziehung mit einem Deutschen eingehen (4832 im Jahre 2007). Dabei muss unterstrichen werden, dass es generell eine riesige Diskrepanz in der Zahl der Eheschließungen deutscher Männer mit Polinnen und deutscher Frauen mit Polen zugunsten der ersteren Paarkonstellation (85% im Jahre 2007) gibt. Ein weiterer Grund für die genaue Festlegung der Paarkonstellation ist die Tatsache, dass die Sprachverhältnisse in den jeweiligen Familien häufig davon abhängig sind, welcher der Ehepartner Ausländer ist. Die Wahl der "Familiensprache" kann mitunter auch durch das Geschlecht des ausländischen Ehepartners beeinflusst werden. Dies gewinnt besonders an Bedeutung, wenn die Familie gemeinsame Kinder hat. Das Ziel des Vortrags ist die Präsentation und Analyse der Ergebnisse der Fragebogenuntersuchungen, die in Deutschland im Winter 2005/2006 und in Polen im Jahre 2009 durchgeführt worden sind. Dabei wird der Fokus auf die Analyse der Sprachverhältnisse zwischen den Partnern und der Missverständnisse in der interkulturellen Kommunikation gelegt. Im Vortrag werden die folgenden Fragen diskutiert: 1. Ist Deutsch eine dominante Sprache in der sprachlichen Kommunikation der Ehegatten (Wahl der Kommunikationssprache) oder ist der Gebrauch der beiden Sprachen (Deutsch und Polnisch) ausgeglichen? 2. Wovon hängt die Wahl der Familiensprache in den deutsch-polnischen Familien ab? 3. Kommt es aufgrund der interkulturellen Kommunikation zwischen den Ehegatten zu Kommunikationsmissverständnissen? Der Ansatz ist interdisziplinär und berührt Gebiete der transnationalen Soziolinguistik, der Migrationsforschung, der soziokulturellen Studien und der Familiensoziologie.


Sabine Ehrhart (Luxemburg) Mehrsprachige Strategien in unterschiedlichen Kontexten - zwischen Dschungel und Baumschule?

 

Abstract:

In meinem Beitrag möchte ich aufzeigen, wie mehrsprachige Strategien aus "natürlichen" Kontaktsituationen auch im institutionellen Rahmen angewandt werden können (und umgekehrt), dazu werde ich von einem Kontinuummodell der Sprachkontaktsituationen ausgehen (Erweiterung von Hornberger). Zur Illustration werde ich mich auf meine Erfahrungen als Feldforscherin im Südpazifik stützen und diese Erkenntnisse mit meinem aktuellen Berufsalltag verbinden: ich unterrichte im Lehrerausbildungsprogramm der Universität Luxemburg im Bereich der Ethnolinguistik und der Sprachökologie. Im Luxemburger Schul- und Universitätsalltag sind die Gegenwart von 4 oder 5 Sprachen in einem Klassenzimmer der Normalfall. Die Sprachökologie zeigt Ansätze und Strategien zum Umgang mit dieser Vielfalt von Sprachen und Kulturen, die weit über den Begriff der Integration hinausgehen können. Ich möchte darüber berichten, wie wir in Luxemburg versuchen, mit diesen komplexen Kommunikationssituationen umzugehen. Das Thema liegt schwerpunktmässig im Themenbereich Spracherwerb und Mehrsprachigkeit, betrifft aber ebenso die Schule und auch die Migrationslinguistik, die in Luxemburg eine wichtige Rolle spielt.


Ira Gawlitzek (Mannheim) Mehrsprachigkeit und Bildungschancen - Herausforderungen für die Sprachwissenschaft

 

Abstract:

Spätestens seit den diversen PISA-Studien ist klar, dass einem beachtlichen Teil der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse eine erfolgreiche schulische und berufliche Laufbahn verwehrt ist. Dies hat in den letzten Jahren eine Fülle von Aktivitäten und Fördermaßnahmen sowie Bemühungen um begleitende Evaluationen angestoßen. Eine zentrale Herausforderung für die Evaluationsforschung besteht darin, Instrumente zu entwickeln, mit Hilfe derer sich die Wirksamkeit von Interventionen überprüfen lassen. Ziel meines Beitrags ist es, aus sprachwissenschaftlichem Blickwinkel das Konzept einer langfristig angelegten Begleitstudie zu diskutieren. Im Raum Heilbronn sind in diesem Jahr Langzeitprojekte an Kindertagesstätten angelaufen, die versuchen, in Kooperation mit den zukünftigen Grundschulen der Kinder, den Erzieherinnen und den Eltern die Bildungschancen der Kinder zu verbessern. Unser Team begleitet diese Projekte über einen Zeitraum von sechs Jahren mit formativer und summativer Evaluation. Im Mittelpunkt steht die genaue und differenzierte Beobachtung und Untersuchung der sprachlichen Kompetenzen der beteiligten Kinder (z.Zt ca. 130). Dass diese Konzentration auf sprachliche Kompetenz gerechtfertigt ist, zeigen diverse Untersuchungen in der Bildungsforschung (vgl. Dubowny et al 2008, Esser 2006). Zudem ist die Sprachkompetenz eng mit der Lesekompetenz verbunden, die wiederum ebenfalls hoch mit den Bildungs- und Karrierechancen in späteren Leben korreliert (vgl. OECD 2002:15). Mit den beteiligten Kindern wird im jährlichen Turnus eine Reihe standardisierter Sprachtests durchgeführt, außerdem wird eine Vielzahl von institutionellen, personellen und sozioökonomischen Faktoren erhoben. In dieser Langzeitstudie wird untersucht, wie sich die verschiedenen Typen von Intervention und Förderung auf die sprachliche Kompetenz und damit mittelbar auf die Bildungschancen der Kinder auswirken. In diesem Vortrag wird über die Ergebnisse nach der ersten Erhebungsrunde berichtet.


Hanna Pułaczewska (Lodz) Zweisprachigkeit in den Schulen: die polnische Perspektive

 

Abstract:

EU definiert Mehrsprachigkeit als ein Ziel der Bildungspolitik; in den meisten Ländern Europas wurde das Pflichtangebot an Fremdsprachenausbildung in den letzten Jahren massiv ausgebaut. Das Potenzial der Zweisprachigkeit, die aus Bikulturalität der Schüller als Folge der Migrationsprozesse resultiert, wird dabei vernachlässigt und eine so erworbene Sprachkompetenz erfreut sich tendenziell eines geringen Prestiges in den Migrationszielländern. Die Integration der Sprachen großer Migrantengruppen in die Schulsysteme ist unterschiedlich in verschiedenen Ländern und manchmal völlig unzureichend. Auf diesem Hintergrund wird in dem Vortrag die Situierung von Polen in der Problematik migrationsbedingter Zweisprachigkeit sowie ihrer Berücksichtigung in den Schulsystemen der Migrationszielländern dargestellt. Dabei wird Polen von zwei Perspektiven betrachtet - sowohl als ein Ursprungsland als auch als Zielland der Migration.


Karola Pitsch (Bielefeld) Interaction and Language Acquisition in Immersive History Lessons: On the interplay of Verbal Language, Gesture and Notation Practices

 

Abstract:

The research presented in this paper proposes the use of an interactional and multimodal perspective to analysing the communicational procedures witnessed in immersive classrooms in which advanced learners study history by using their foreign language. Drawing upon video-recordings from naturally occurring interactions, it examines the ways in which participants solve locally emerging lexical problems and investigates the implications of such problems for the students' self-organised appropriation of the foreign language. The analyses offer insights into both the interrelationship between verbal procedures and the students' note taking practices, and the role of gestural display as a means of explaining unknown lexical items. Methodological consequences for further research as well as implications for an empirically based teacher training are highlighted.