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Kollegiaten

DoktorandenInnen

Carolin Blumenberg [carolinblumenberg@gmx.de]
Das anatomische Theater: Über die Beispiele und das Darstellungsproblem bei Kant
Meine Dissertation fragt nach dem Verhältnis zwischen Kants philosophischem Begriff des Beispiels und seinem rhetorischen Beispielgebrauch. Anhand einiger Fallstudien sollen Kants Beispiele, die oft bis zur Unsichtbarkeit verkürzt sind, in ihrer narrativen Dimension und ihren historischen Verweisen entfaltet und so einer Analyse zugänglich gemacht werden. Gleichzeitig möchte ich klären, was Kant unter einem Beispiel versteht und welchen systematischen Ort er den Beispielen im Rahmen der Transzendentalphilosophie zuweist. Inwiefern fügen Kants Beispiele ihrer Definition etwas hinzu, was in dieser nicht formuliert ist bzw. inwiefern ist der Begriff des Beispiels seinerseits paradigmatisch bestimmt? Und in welcher Weise spiegeln Kants Beispiele ihre philosophische Bestimmung oder inwiefern widersprechen sie ihr auch? Wie verhält sich hier die philosophische Theorie zu ihrer eigenen rhetorischen Praxis?
Ausgehend von der Annahme, dass auch das Konzept des Beispiels eine Geschichte hat und sich in der Aufklärung wandelt, versteht sich die Arbeit sowohl als Beitrag zur Kantforschung als auch als Beitrag zu einer Philosophie des Beispiels.

Carolin Bohn [caro.bohn@googlemail.com]
Dichtung als Bildtheorie: Lessing und die Folgen
Lessings Laokoon. Oder über die Grenzen der Malerei und der Poesie (1766)  hebt die Mediengebundenheit der Künste und ihre konkrete zeichengebundene Kompositionstechnik hervor, die sie jeweils in Zeit oder Raum streckt. Doch auch wenn Lessing Malerei und Dichtkunst in ihrer Ausführung unterscheidet, bleibt der Ausgangspunkt seiner Schrift die ut pictura poesis-Regel. Er sieht die beiden Künste durch ihr gemeinsames Telos verbunden, denn wie die Malerei ziele die Poesie darauf, eine Illusion zu erschaffen: Von hier aus schlägt mein Projekt eine (Re-) Lektüre des Laokoons vor, die sich besonders auf die Darstellungsweise des Verhältnisses von Wort und Bild/ Poesie und Malerei konzentriert. So wird nicht die erfolgreiche Grenzziehung zwischen den Künsten berücksichtigt, sondern ihr detailliert und kompliziert ausgelotetes, im Paradox entfaltetes Verhältnis zueinander hervorgekehrt. Anhand Lessings Darstellung der Bezugnahmen kristallisiert sich ein ästhetisches Verständnis heraus, das weniger darauf eingeht, wie Illusion medial produziert wird, sondern was der „lebendigen Darstellung“ jeweils vorausgeht und sie überhaupt ermöglicht. Wie demnach beide Künste sich gegenüber einer latenten Struktur verhalten und aus dieser Latenz erst ihre ablesbare jeweilige Wirkung erzielen, wird im Projekt in Augenschein genommen.
Die seine Darstellungstheorie bergende Verfahrensweise Lessings soll in einer detaillierten, buchstäblichen Lektüre in Bezug auf die Inszenierung der Wort-Bild-Verhältnisse und der „ut-pictura-poesis“-Regel nachvollzogen werden. Besonders die paradoxen Spannungsverhältnisse und der metapherntheoretische Aspekt des (vorgeblich zurückgewiesenen) Poetischen Gemäldes werden hervorgehoben und Lessings Illusionstheorie und Nachahmungsästhetik im Sinne/Kontext einer mimesis-Theorie gezeichnet. Wie verhält sich dieses auf der Struktur eines Paradoxons gründende Konzept von Ästhetik zu dem Diderots und wie ist es im Ästhetik-Diskurs des 18. Jahrhundert zu verorten?

Elizabeth  Bonapfel [ebonapfel@gmail.com]
Modernist Punctuation: Expression Beyond Grammar
My dissertation asks what punctuation can tell us about modernism. My project combines theoretical questions from linguistics, narratology, and sound studies with archival methodologies from book history to argue that the use of experimental punctuation by modernist writers signals new registers of “voice,” temporality, and spatial orientation in modernist literature. Critical to my project is a mapping of the paradoxical effects of “voice.” The debate regarding the relationship between speech and language is at the core of twentieth-century linguistics, beginning with Saussure and the later Derridean deconstructionist paradigm that Mladen Dolar challenges. I argue that “voice” is a textual construction most vividly shown through punctuation. My work with Henry James and James Joyce draws on periodicals and manuscripts to trouble the boundaries between the “voices” of narrator’s writing and character’s speech. The poetry I discuss by Gertrude Stein (famous for her lack of punctuation) and e.e. cummings (known for his extreme use of punctuation) challenges the dominant model of all poetry as lyric poetry. How punctuation ruptures the singular “voice” of the lyric poetic persona through quotation, allusion, and intertextuality into multiple voices poses basic questions about every other aspect of the poem. I argue that the quintessentially “modernist” techniques of unreliable narrator, stream of consciousness technique, temporal fragmentation, and visual spatiality depend upon how an author uses punctuation in innovative ways.

Sarah Dornhof [sarah.dornhof@gmx.de]
Andere Blicke.Visuelle Dimensionen gegenwärtiger Konflikte im Islam und Liberalismus
Die Arbeit beschäftigt sich mit aktuellen Auseinandersetzungen um Bilder und ihre Macht zu verletzen. Im Zentrum stehen die Veröffentlichung der sogenannten Muhammad-Karikaturen (2005/06), die Auseinandersetzung um die Absetzung der Mozart-Oper Idomeneo in der Berliner Inszenierung von Hans Neuenfels (2006) und die ‚Kulturpreis-Affäre’ anlässlich Navid Kermanis Äußerungen über eine Darstellung der Kreuzigung des Barockmalers Guido Reni (2009).
Diese Debatten werden üblicherweise als Ausdruck der problematischen Beziehung zwischen dem Recht auf freie Meinungsäußerung und der Religionsfreiheit untersucht. Mir geht es darum, diese vorherrschende rechtliche und logozentrische Perspektive aufzubrechen und die visuellen Dimensionen dieser Konflikte zu erschließen, nach dem Status der Bilder zu fragen, nach dem Verhältnis von Bild, Schrift und Diskurs, nach den Beziehungen zwischen Sehen, Wahrheit und Erkenntnis. In welchem Sinn lässt sich von einer liberalen Bildkultur sprechen und wie kann diese Kultur genealogisch an christliche Traditionen angebunden werden?
Die Verschiebung der Perspektive auf die Bilder selbst begründet sich für mich durch die Annahme, dass Bilder einen Weg für Macht bereiten, dass sie Blicke und Begehren konstituieren, die die Art der Wahrnehmung und des Denkens prägen, über die sich Subjekte und Identitäten herausbilden und Machtverhältnisse strukturieren. Bilder sind dann nicht bloßer Ausdruck von Macht und Politik und sollten nicht einfach als codierte Aussagen für etwas anderes, als Veranschaulichung eines vorgängigen Diskurses gelesen, sondern auf ihre selbstreflexive und transformative Kraft hin gesehen werden.

Daniel Hoffman-Schwartz [dhs241@nyu.edu]
The Burke Constellation: On the Rhetoric of Political Romanticism
This dissertation takes up Edmund Burke’s infamous Reflections on the Revolution in France, as well as its reception by diverse philosophers, poets, and thinkers, from the view of the question of the political in romanticism (if not of “political romanticism”) and its afterlife in 20th century culture and thought. On one hand, Burke shares with certain aspects of Enlightenment thought (particularly the Kantian tradition of moral philosophy) an emphasis upon finitude and the limits of reason, but, on the other hand, does not share this tradition’s emphasis on normativity and universality. Indeed, though there is little evidence that Burke was particularly aware of Kant, the Reflections reads as a refusal of just this Kantian movement from finitude to universality. What Burke proposes, or more to the point, performs in place of this Kantian movement is of the highest interest although – or indeed because – it cannot be reduced to a unified theoretical system, gesture, or program.
One possible way, however, of characterizing what emerges in Burke instead of normativity or moral philosophy is to say that it is the specificity of politics, or more precisely, the problem of the specificity of politics that emerges here. In its very textual and rhetorical unfolding, the Reflections thus stages politics as that which exceeds theory, as that which is, in Burke’s language, irreducibly “circumstantial.” A crucial task of reading Burke is thus to produce this necessarily absent concept of politics. At the same time – and this is precisely where Burke becomes exemplary for the fuller contours of the modern problem of politics – the absent concept of politics vies in Burke with a simple negation of politics, that is, with a regressive movement towards positive political theology; under all but unbearable pressures, the super-theoretical task of thinking the irreducibility of politics to thought collapses into a sheer apology for the necessity of mystification.
Departing from this basic theoretical schema, the dissertation thus explores various thought-figures in Burke’s Reflections, each in conversation with different literary and theoretical interlocutors: rhetoric and biopolitics (Arendt and Agamben); skepticism, revolution, and ordinariness (Wordsworth and Cavell); common-law and the exemplum (Pocock and Koselleck); Europe (Novalis and Schmitt).

Melanie Sehgal [sehgal.melanie@gmail.com]
Empirismus als Konstruktivismus. Metaphysik der Erfahrung und Ihre Methode bei W. James und A.N. Whitehead
Sowohl William James (1842-1910) als auch Alfred North Whitehead (1861-1947) verpflichten die Philosophie auf einen radikalen Erfahrungsbezug. Gleichzeitig und trotz ihrer dezidierten Kritik an der klassischen Metaphysik halten sie jedoch an der Notwendigkeit einer Metaphysik fest. Dabei fassen sie sowohl den Metaphysik- und als auch den Erfahrungsbegriff auf eine Weise neu, dass diese keine sich letztlich ausschließenden Gegenpole mehr bilden, sondern Metaphysik gerade als eine Philosophie der Erfahrung rekonstruierbar wird. Dies wird nicht zuletzt möglich durch den Einsatz einer neuen Methode: des Pragmatismus, der – quer zu gängigen philosophiehistorischen Einteilungen – ihr Denken als konstruktivistischen Empirismus oder eben als Metaphysik der Erfahrung beschreibbar macht. Ausgehend von James’ profunder Reformulierung des Erfahrungsbegriffs im Rahmen seiner Psychologie sowie seiner Philosophie des ‚radikalen Empirismus’ verfolgt die Dissertation die Etappen der Herausbildung einer solchen Metaphysik bei Whitehead anhand der spezifischen Rolle, die – so die These – Whiteheads Jameslektüre dabei spielt. In dieser Perspektive rückt die Geschichtlichkeit einer solchen Metaphysik ins Zentrum der Aufmerksamkeit, die sie als eine ‚situierte Metaphysik’ beschreibbar macht.

Erica Weitzman [ericaweitzman@yahoo.com]
'Wayward Subjects: Comic Modernism in Walser, Kafka, and Roth'
Das Projekt erforscht die ästhetischen sowie die historisch-politischen Dimensionen des Komischen, insbesondere des Komischen, so wie es sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in der deutschsprachigen Literatur des sogenannten „Mitteleuropa“ manifestierte. Das Komische wird hier weniger als eine fixe Gattung betrachtet, sondern eher als eine erkenntnistheoretische Konstruktion und eine Wahrnehmungs- und Darstellungsform. Maßgebend für das Projekt ist der Diskurs um das Komische und verwandte Begriffe im vorangehenden Jahrhundert: vor allem der berühmte Umgang Schlegels mit der Idee der Ironie, sowie die Hegelschen Begriffe des „subjektiven“ und des „objektiven“ Humors als ästhetischer Erscheinung bzw. Gegengift der romantischen Ironie. Solche Debatten formen den notwendigen Hintergrund der Entwicklung einer komischen Kunst als einer Art „dritter Weg“ zwischen dem Realismus und dem Avantgardismus im frühen 20. Jahrhundert. Dieser „dritte Weg“ ist jedoch kein bloßes Fortleben der alten komischen Tradition, sondern – gerade indem er an dieser Tradition teilnimmt – eine Ergänzung und Vertiefung, um nicht zu sagen eine Verkomplizierung, derselben. In den unterschiedlichen Arten, wie sich das Komische bei den drei untersuchten Autoren äußert, bildet das Komische auch einen Kommentar zu den früheren Formen des Komischen, stellt sie in den Vordergrund und betrachtet nicht das Komische an sich ironisch, sondern eben diese Formen des Komischen, insofern als sie für ihre eigentlichen Voraussetzungen und Auswirkungen blind bleiben. Dadurch wird das Komische weder in einer festen Form gewahrt noch vernichtet oder aufgehoben, sondern als ironisches Komisches sogar zu einer Basis des Ästhetischen und Ethischen der Epoche.

Thomas Ebke [thomas.ebke@gmx.net]
Zeit der Expression. Deutsch-französische Genealogie einer spezifischen Verzweigung in Hegels Dialektik
Alexandre Koyrés 1934 vorgelegter Artikel "Hegel à Iéna" kann als erstes Zeugnis einer eigenwilligen Hegel-Lektüre gelten, die seither, mal manifest, mal unterschwellig, in der modernen französischen Philosophie zirkuliert. Dieser Lektüre zufolge spaltet sich bei Hegel die Idee des Lebens in einen logisch-begrifflichen und in einen natürlich-zeitlichen Pol, d.h. in zwei Dialektiken auf, deren systematische Vermittlung auf die Geschichtlichkeit des Menschen verweist. Mein Forschungsvorhaben setzt sich zum Ziel, zwei bislang unverbundene Ausformulierungen dieser These einer inneren Duplizität von Hegels dialektischem Projekt erstmals aufeinander zu beziehen. Auf der einen Seite meiner "Erzählung" verläuft eine Linie innerhalb der modernen französischen Philosophie, die Autoren wie Alexandre Koyré, Jean Hyppolite, Gilles Deleuze und Michel Foucault verbindet; auf der anderen Seite formiert sich innerhalb der deutschen Diskussion eine Genealogie, in die etwa Wilhelm Dilthey, Georg Misch, aber auch Max Scheler oder Herbert Marcuse hineingehören. Ein wesentlicher Schachzug meines Projekts soll darin bestehen, den sogenannten Pantheismusstreit und insbesondere die darin von Friedrich Heinrich Jacobi verfochtene Position als eine Art Muster für den Konflikt zu rekonstruieren, der in beiden diskursiven Traditionen unabhängig voneinander ausgearbeitet wird: Nämlich für den Konflikt zwischen einer Logik des Begriffs und einer Metaphysik der Differenz.

Sophia Rost [sophia_rost@hotmail.com]
Zur Frage der Säkularisierung der Philosophie am Beispiel des Begriffs der Transzendenz bei Immanuel Kant und Karl Jaspers
Immanuel Kant (1724-1804) hat mit seinen drei Kritiken die Philosophie grundlegend erneuert und sie von religiösem und metaphysischem Dogmatismus befreit. Das Interessante an Kants Philosophie ist dabei, dass sie trotz ihrer Säkularität einen wichtigen Bezug zur Transzendenz und zum Glauben behält. In dem Projekt gehe ich der Problematik nach, wie weit Kants Säkularisierung der Philosophie voranschreitet. Im Fokus stehen die Fragen: Was sollte sinnvoller Weise unter Säkularisierung verstanden werden? Was versteht Kant jeweils in den drei Kritiken unter Transzendenz? Welche Stellung und Funktion behält er dem Transzendenten noch vor? Gibt es einen konzeptuellen Zusammenhang zwischen seinem Begriff des Menschen und dem der Religion?
Auch knapp 150 Jahre später spielt Transzendenz noch in Karl Jaspers’ (1883-1976) dreibändigem Werk Philosophie (1932) eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Existenzerhellung des Menschen. Als Referenzautor für das 20. Jahrhundert soll Jaspers’ Ansatz mit Kants verglichen werden und daraus Schlussfolgerungen auf die Aktualität beider Ansätze gezogen werden.

Assoziierte

Julian Drews [jdrews@uni-potsdam.de]
Lebenswissen in autobiographischen Texten europäischer Wissenschaftler um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert: Wilhelm Ostwald und Santiogo Ramón y Cajal
Der Chemiker Wilhelm Ostwald (1853 – 1932) und der Histologe Santiago Ramón y Cajal (1852 – 1934) sind herausragende Vertreter ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Disziplinen. Ostwald erhielt 1909 den Nobelpreis für Chemie, Cajal 1906 den für Medizin. Beide setzen ihre Forschung zu zentralen kulturellen Fragestellungen des Europas der Jahrhundertwende in Beziehung. Ihre umfangreichen autobiografischen Projekte bündeln Diskurse des persönlichen Erinnerns, der kulturtheoretischen Reflexion sowie einzelwissenschaftlicher Spezialisierungen in einer narrativen Struktur. In meiner Arbeit untersuche ich vergleichend, wie Inhalte naturwissenschaftlicher Modellbildung, durch Übertragung in einen weltanschaulichen Kontext als Elemente literarischer Selbstinszenierung fungieren können. Hierdurch soll ein Beitrag zu einer Wissenschaftsgeschichte geleistet werden, die nach den historisch wechselnden Bedingungen wissenschaftlicher Erkenntnis fragt und dabei Konzepte, Annahmen und Aussagen der einzelnen Disziplinen genauso in den Blick nimmt, wie die Präsentationen und Repräsentationen des wissenschaftlichen Subjekts.