DGS-Mittelbautagung lockt Nachwuchswissenschaftler*innen an die Viadrina
Unter dem Titel „Transformationen des Kapitalismus – Perspektiven der Wirtschaftssoziologie in Zeiten der Polykrise“ luden Maren Romstedt, Dominik Paul-Diehl und Jonas Rietschel von der Professur für Soziologie der Wirtschaft vom 13. bis zum 14. November 2025 zum wissenschaftlichen Austausch ein.
Im Zentrum der im November abgehaltenen Mittelbautagung stand das Konzept der „Polykrise“ – die, wie Dominik Paul-Diehl (Europa-Universität Frankfurt Oder) in seiner Auftaktrede hervorhob, sowohl die Gesellschaft insgesamt als auch die gegenwärtige Wirtschaftssoziologie vor erhebliche Herausforderungen stellt. Zwei Tage lang bekamen Nachwuchswissenschaftler*innen aus ganz Deutschland in den Räumen der Europa-Universität Viadrina die Gelegenheit, in Vorträgen und Gesprächen ihre Forschungs- und Dissertationsprojekte vorzustellen und im Kreis der 15 Teilnehmer*innen zu diskutieren. Die Vielfältigkeit der namensgebenden Polykrise ließ sich auch in den Themen der Beiträge wiederfinden.
In einem ersten thematischen Block präsentierte Vicky Kluzik (Goethe Universität Frankfurt am Main) Ergebnisse aus ihrer Dissertation zum spannungsgeladenen und zuweilen widersprüchlichen Verhältnis zwischen „Wrecking the world or wrecking the economy?“ und eröffnete eine diskurstheoretische Betrachtung über umweltökonomische Expertise. Julian Heide (Humboldt-Universität Berlin) gab Einblicke in seine durchgeführte Studie zum Einfluss der sozialen Klassenlage auf klimapolitische Framings. Ricarda Büchinger und Marc Dreher (Universität Stuttgart) ergänzten das Verhältnis von Kapitalismus und Klima mit ihrer Forschung zum Wirtschaftsethos und nachhaltigen Transformationen in der verarbeitenden Industrie und dem Lebensmittelsektor.
Der zweite Block nahm das Thema Ungleichheitsforschung des Kapitalismus aus wirtschaftssoziologischer Perspektive in den Blick. Lion Hubrich (Humboldt-Universität Berlin/Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) präsentierte in diesem Kontext Erkenntnisse aus Interviews mit hocherfolgreichen Start-Up-Unternehmer*innen, um die Legitimitätsproduktion ihrer gesellschaftlichen Rolle und ihres Erfolgs in ihren biografischen Erzählungen nachzuvollziehen. Anschließend zeigte Florian König (SOCIUM Universität Bremen) anhand der Analyse einer Vielzahl von Interviews die Komplexität und Intersektionalität von Finanzialisierungszugängen und rassifizierter Ungleichheit im US-amerikanischen Raum. Maren Romstedt (Europa-Universität Viadrina Frankfurt Oder) widmete sich in ihrem Vortrag dem Thema ihres Dissertationsprojekts mit der zentralen Frage, inwieweit der Kapitalismus selbst Träger von Ideologie ist und wie sich dies in der Ware und dem Verkauf bzw. Erwerb dieser widerspiegelt.
Am zweiten Tag der Veranstaltung wurde im dritten thematischen Block der internationale politische Kontext der Wirtschaftssoziologie beleuchtet. Im Rahmen dessen präsentierte Leander Kraft (Europa-Universität Frankfurt Oder) Zwischenergebnisse aus seiner Arbeit über die Umstrukturierung des Democracy-FDI Nexus. Christian Hilpert (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) zeigte in seinem Vortrag Beispiele des Lieferkettendiskurses in der deutschen Politik auf und wie dieser sich angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine gewandelt hat. Jonas Rietschel (Europa-Universität Viadrina Frankfurt Oder) schloss die Tagung mit einem Einblick in seine Dissertationsthematik, die sich mit informellen Europäisierungsprozessen im Bereich der Sozialpolitik befasst.
Die Tagung offenbarte ein breites Spektrum gegenwärtiger Fragestellungen und Problematiken aus dem Fachgebiet der Wirtschaftssoziologie. Trotz der großen Themenbreite konnten immer wieder Anknüpfungsstellen zwischen den verschiedenen Projekten ausgemacht werden, sodass sich ein reger inhaltlicher Austausch entwickelte. Als Höhepunkt der Tagung zeigte Marcin Serafin (Institute of Philosophy and Sociology of the Polish Academy of Sciences, Warschau) in seiner Keynote „Chronicles of Crises: Investigating Turbulent Times“, wie sich vielfältige Themen über eine multiperspektivische Betrachtung von Krisen als soziologische Forschungsgegenstände erschließen lassen. Zudem gewährte er Einblicke in seine Forschung zur gesellschaftlichen Wahrnehmung von Krisen anhand des Beispiels der hohen Inflation in Polen.
Durch den konstruktiven Austausch und die facettenreichen Vorträge blieb den Teilnehmenden der Tagung die Erkenntnis, relevanten und vielschichtigen Forschungsfragen nachzugehen und trotz der thematischen Unterschiede Teil einer sich kontinuierlich neu definierenden Forschungsrichtung mit einem umfangreichen Netzwerk aus Kolleg*innen zu sein.
Finanziert und gefördert wurde die Tagung durch die DGS-Sektion Wirtschaftssoziologie und dem Förderkreis der Europa-Universität Viadrina.
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