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Pensées Françaises Contemporaines

Veranstaltungsbericht Charlie Hebdo

Bericht zur Veranstaltung: Offene Diskussion: Charlie-Hebdo, die Freiheit der Kritik und die Rolle der Universität

 

Nach den Ereignissen in Paris stehen Begriffe wie Freiheit, Meinung, Sicherheit, Kritik und Identität auf dem Prüfstand. In der Öffentlichkeit konzentrieren sich die Debatten auf die Ausübung der Pressefreiheit und den gesellschaftlichen wie staatlichen Umgang mit dem radikalen Islamismus. Sei es der Ruf nach einem europäischen patriot act und der damit verbundenen Begrenzung der Freiheit zum Schutz derselbigen oder die sich anschließenden Diskurse um bestehenden, produzierten und resultierenden Antisemitismus und Islamophobie. Dahinter steht auch die Frage, welche Ideen und sozialen Kontexte der Ausübung brutaler Gewalt einerseits und der gesellschaftlichen Reaktion andererseits zugrunde liegen. Sind Terrorismus und Gewalt erklärbar oder müssen sie als letztlich unergründbar und damit willkürlich hingenommen werden? Ist der Umgang mit Teilen des europäischen Islam als Praktik des „othering“ zu verstehen, die durch Ausgrenzung die Gewalt gewissermaßen mitproduziert? Was sind die Konsequenzen für Debatten und Meinungsbildung der vermeintlichen Mehrheitsgesellschaft? Haben staatliche Sicherheitskräfte das Recht oder die Pflicht, die Freiheit der Meinungsäußerung (z.B. im Internet) einzuschränken, um sie an anderer Stelle (z.B. bei Satiremagazinen) zu bewahren? Und welche Rolle spielt in diesem Kontext die Universität als Ort, an dem - mit Derrida - nichts außer Frage stehen sollte!?

Das Projekt „Pensées Françaises Contemporaines“ beherbergt zumeist zwei französische Gastprofessoren aus Paris 1, die Viadrina beherbergt darüber hinaus einen weiteren permanenten Gastprofessor aus Paris 8. Seitens des Projekts und als Mitglieder der Viadrina luden wir alle Mitglieder der Universität ein, diese lose aufgeworfenen Fragen zu erweitern und in einer offenen Podiumsdiskussion zu erörtern. Auch, um als Universität gemeinsam mögliche Reaktionen, etwa in Form von gemeinsamen Lehrangeboten oder Veranstaltungen zu aktuellen Ereignissen, zu besprechen. Wir baten daher alle Mitglieder der Europa-Universität, sich mit einer kurzen Meinungsäußerung (3-5 Minuten) zu beteiligen.

Seit der Hochschulgründung ist die europäische Vernetzung für die Europa-Universität Viadrina programmatisch. Insbesondere die Länder des Weimarer Dreiecks liegen dabei im Fokus, der auch in der strategischen Partnerschaft mit der Universität Paris 1 Panthéon Sorbonne seinen Ausdruck findet. Dies war besonderer Anlass, sich mit den Attentaten als Ausdruck eines Konflikts um „westliche“, europäisch geprägte Werte zu befassen.

Circa 80 Studierende, Dozierende, Professor_innen und Mitarbeiter_innen kamen am Dienstag, den 20.01. um 16 Uhr in das Logenhaus der Europa-Universität Viadrina um sich bei dieser kurzfristig anberaumten Veranstaltungen über die Ereignisse zwischen dem 7. und 9. Januar und die möglichen Folgen und Fragen eines Danach auszutauschen. Die Attentate wurden einhellig verurteilt.  

 Die Gastprofessoren Nicolas Hubé (Paris 1) und Thomas Serrier (Paris 8) gaben zu Beginn einen kurzen Einblick in die französischen Debatten und Perspektiven. So charakterisierte Nicolas Hubé das Magazin Charlie Hebdo als eine insgesamt antireligiöse, aber nicht islamfeindliche Zeitschrift und verwies auf das für die französische Demokratie wesentliche Prinzip der Laizität, dem sich das Magazin verpflichtet sieht. Auch merkte er an, dass Satire und politische Karikaturen insbesondere im Kontext der französischen Kultur- und Presselandschaft für eine kritische Debatte unerlässlich seien.

Daran anschließend wurde diskutiert, ob satirische Kommentare zu innenpolitischen Themen und international umstrittenen Themen (wie der Frage der Mohammed-Karikaturen) unterschiedlich zu bewerten seien und ob in bestimmten Fällen gemäßigte Darstellungen geboten seien. So wurde unter anderem auch auf die Problematik der De- und Rekontextualisierung von Stellungnahmen in nationalen Debatten unter den Bedingungen globaler medialer Vernetzung hingewiesen. Mit Bezug auf das berühmte Zitat Kurt Tucholskys wurde darüber gesprochen, inwiefern Satire tatsächlich alles darf.

Daneben wurde der Blick auch nach Deutschland gewandt: Unter dem Eindruck der Pegida-Bewegung wurde erörtert, inwiefern die mediale Rezeption der Attentate Diskurse der Ausgrenzung und Diskriminierung von Einwanderern fördere.

Im Hinblick auf die Rolle der Universität, als Institution an der diskutiert wurde ebenso wie als umfassender wissenschaftlicher Diskursort, wurde darüber debattiert, inwiefern die Diskussion kritischer Argumente unabhängig von einer öffentlichen Positionierung möglich ist. Hiermit wurde die Bedeutung der Universität betont - als ein der responsiven medialen Debatte entzogener Raum.